Leitsatz (amtlich)

Die für die Teilnahme an sportlichen Kampfepielen geltenden Haftungsgrundsätze sind nicht auf das Kinderspiel "Bockspringen" übertragbar.

 

Normenkette

BGB §§ 242, 253 Abs. 2, § 254 Abs. 1, § 823 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Nürnberg-Fürth (Urteil vom 21.08.2008; Aktenzeichen 9 O 9984/07)

 

Gründe

Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Beklagten gegen das Endurteil des LG Nürnberg-Fürth vom 21.8.2008 (9 O 9984/07) durch einstimmigen Be-schluss gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil das Rechtsmittel keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordern.

I. Am 20.1.2006 hielten sich die damals 15-jährigen Parteien auf einer Eislaufbahn in Neumarkt auf. Die beiden Jugendlichen waren übereingekommen, auf der Eisbahn "Bockspringen" zu spielen. Während dieses Spiels rutschte der als "Bock" dienende Kläger aus, so dass ihm der Beklagte, während er über den Kläger springen wollte, mit seinen Schlittschuhen über beide Hände fuhr. Durch den Unfall wurde ein ca. 1 cm langes Stück der Fingerkuppe des linken Zeigefingers des Klägers abgetrennt.

Das LG Nürnberg-Fürth verurteilte den Beklagten zur Zahlung eines Schmerzensgeldes von 2.500 EUR und stellte fest, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger 50 % jedes weitergehenden künftigen immateriellen und materiellen Schadens zu ersetzen. Hiergegen wendet sich die Berufung des Beklagten. Eine Haftung des Beklagten komme nicht in Betracht, da er sich an die Regeln des vereinbarten Spiels gehalten habe.

II.1. Rechtsfehlerfrei ist das LG aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme zu dem Ergebnis gekommen, dass der Beklagte den Sturz des Klägers verursacht hat, als er beim Bockspringen über den Kläger sprang. Dies haben sowohl der Zeuge D. als auch die Zeugin W. bestätigt. Der Senat hat an der Richtigkeit der Aussagen der beiden Zeugen keinen Zweifel, zumal auch nach allgemeiner Lebenserfahrung das Bockspringen dazu führen kann, dass die als "Bock" dienende Person beim Bocksprung das Gleichgewicht verliert.

2. Auch der Hinweis des Beklagten auf die Entscheidung des OLG Bamberg vom 19.4.1972 (NJW1972, 1820) ist nicht geeignet, die Tatbestandsmäßigkeit der Verletzungshandlung in Zweifel zu ziehen. Die Entscheidung des OLG Bamberg betrifft die Frage der Haftung im Falle von Sportunfällen, bei denen die anerkannten Regeln der betreffenden Sportart verletzt wurden. Um einen Unfall bei Ausübung eines Sports mit anerkannten Regeln geht es hier jedoch nicht (vgl. 3.).

3. Die vom Beklagten zitierte Entscheidung des BGH vom 5.11.1974 (NJW 1975, 109 ff.), wonach der Teilnehmer eines Fußballspiels nicht für solche einem Mitspieler zugefügte Verletzungen haftet, die trotz Einhaltung der Spielregeln eingetreten sind, ist auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. In seiner Entscheidung vom 21.2.1995 (VIZR 19/94, Rz. 14, zitiert nach juris) hat der BGH ausdrücklich betont, dass es sich bei der Beteiligung an Kampfspielen wie Fußball um eine eigenständige Fallgruppe mit haftungsrechtlichen Besonderheiten handelt, die nicht auf anders gelagerte Sach-verhalte Übertragen werden können. Bei sportlichen Kampfspielen findet die entschädigungslose Inkaufnahme von Verletzungen ihre innere Rechtfertigung darin, dass dem Spiel bestimmte, für jeden Teilnehmer verbindliche Regeln zugrunde liegen, die von vornherein feststehen, unter denen die Teilnehmer zum Spiel antreten und die insbesondere durch das Verbot von sog. "fouls" auch auf den Schutz der körperlichen Unversehrtheit der Spieler selbst ausgerichtet sind.

Derart feste und anerkannte Regeln liegen dem "Bockspringen" nicht zugrunde. Soweit der Beklagte meint, die klare Regel des Bockspringens bestehe darin, dass einer der Spieler über den Rücken des anderen springt und sich dabei auf dessen Rücken abstützt, verkennt er, dass dies allein nicht ausreicht, um von festen und anerkannten Regeln ausgehen zu können. Die sportlichen Kampfspielen zugrunde liegenden Regeln sind - wie bereits ausgeführt - auf den Schutz der körperlichen Unversehrtheit der Spieler ausgerichtet. Die bloße Einigkeit darüber, wie der Vorgang des Bockspringens technisch auszuführen ist, kann nicht als anerkannte Regel im Sinne der Rechtsprechung des BGH bezeichnet werden. So fehlt es etwa an einer für jeden Mitspieler verbindlichen Regel zur Frage, ob das Bockspringen auch mit Schlittschuhen erlaubt ist.

Allerdings muss sich das Verhalten des Klägers, worauf der Beklagte zutreffend hinweist, mit Blick aufsein eigenes Verhalten am Grundsatz von Treu und Glauben messen lassen (BGH, Urt. v. 21.2.1995 - VI ZR 19/94, Rz. 16, zitiert nach juris); denn der Kläger war mit dem "Bockspringen" ausdrücklich einverstanden. Dies führt jedoch nicht zu einer gänzlichen Haftungsfreistellung des Beklagten. Soweit die Rechtsprechung das bewusste Sich-Begeben in eine Situation drohender Eigengefährdung als Gru...

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