Leitsatz (amtlich)

1. Ist eine Kontoüberziehung durch eine stillschweigende Erhöhung des Kontokorrentkredites gedeckt und darf der Kontoinhaber auf Grund des Verhaltens der Bank darauf vertrauen, dass sie Kontoüberziehungen in der bisherigen Höhe weiter zulassen werde, so darf die Bank den Kredit nicht ohne vorherige Abmahnung oder Warnung kündigen.

2. Die Frage, ob der Gläubiger den Bürgschaftsfall treuwidrig herbeigeführt hat, muss unter Berücksichtigung der Grundgedanken der einschlägigen Bürgschaftsrechtsprechung beantwortet werden. Es kommt daher darauf an, ob sich im Bürgschaftsfall bei wertender Betrachtung gerade ein vom Gläubiger gesetztes Risiko realisiert hat, ohne das der Bürge – und sei es auch nur bei einer besonders günstigen Entwicklung der Vermögensverhältnisse des Hauptschuldners – die Inanspruchnahme möglicherweise noch hätte vermeiden können.

 

Verfahrensgang

LG Stendal (Aktenzeichen 24 O 326/99)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 06.07.2004; Aktenzeichen XI ZR 254/02)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil der Zivilkammer 4 des LG Stendal abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Das Versäumnisurteil des LG Stendal vom 19.1.2000 und das Vorbehaltsurteil des LG Stendal vom 8.12.1999 werden mit der Maßgabe aufrechterhalten, dass der Beklagte verurteilt wird, an die Klägerin 255.645,94 Euro (= 500.000 DM) nebst Zinsen i.H.v. 7,5 % für den Zeitraum vom 1.3.1998 bis zum 17.2.1999 und i.H.v. 4 % ab dem 18.2.1999 zu zahlen. Hinsichtlich des weitergehenden Zinsanspruchs werden das Versäumnisurteil und das Vorbehaltsurteil aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Auf die Widerklage wird die Klägerin verurteilt, an den Beklagten 4.996,17 Euro (= 9.771,66 DM) nebst 4 % Zinsen seit dem 30.8.2000 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Widerklage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens, mit Ausnahme der durch die Säumnis im Termin am 19.1.2000 entstanden Kosten tragen die Klägerin 3 %, der Beklagte 97 %, die Kosten der Säumnis trägt der Beklagte allein.

Von den Kosten des Rechtsstreits in zweiter Instanz tragen die Klägerin 4 % und der Beklagte 96 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 490.000 Euro abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 10.000 Euro abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision an den BGH wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin, im Nachverfahren nach vorangegangenem Urkundenrechtsstreit klagend, begehrt vom Beklagten Zahlung aus zwei Bürgschaften, der Beklagte macht widerklagend Schadensersatzansprüche geltend.

Der Beklagte war im Jahr 1990 Mitbegründer der Firma T. GmbH. Im Jahre 1991 wurde die Firma in S.-GmbH (im Folgenden: S.-GmbH) geändert. Bis zum 20.10.1996 war der Beklagte alleiniger Geschäftsführer, ab dem 21.10.1996 war neben ihm auch Herr K. Ml. Geschäftsführer der S.-GmbH. Das Stammkapital der S.-GmbH betrug 1.300.000 DM, hiervon hielt der Beklagte einen Anteil von 1.222.200 DM. Im Januar 1995 trat der Beklagte an die Klägerin mit der Bitte heran, die S.-GmbH umfassend zu finanzieren (Vorfinanzierung von Bauvorhaben, Betriebsmittelkredit, langfristige Darlehen, etc.). Die Klägerin stellte die entsprechende Finanzierung bereit. Neben Grundpfandrechten und einer Globalzession übernahm der Beklagte unter dem 31.1.1995 eine Bürgschaft auf einem von der Klägerin gestellten Formular. In diesem heißt es unter Ziff. 1. („Sicherungszweck”):

„Die Bürgschaft wird zur Sicherung aller bestehenden und künftigen, auch bedingten oder befristeten Forderungen der Sparkasse gegen den Hauptschuldner, S.-GmbH, N. Chaussee 12, B. aus ihrer Geschäftsverbindung (insbesondere aus laufender Rechnung, Krediten und Darlehen jeder Art und Wechseln) übernommen”.

Wegen des weiteren Inhalts der Bürgschaftserklärung wird auf die zur Akte gereichte Ablichtung, Bd. I Bl. 17 d.A., verwiesen. In der Folgezeit wurden sodann die folgenden Darlehen an die S.-GmbH gewährt:

  • Kontokorrentkredit bis zur Höhe von 500.000 DM vom 25.1.1995 (Konto Nr. … – ehemals Konto Nr. …)
  • Darlehen über 1.030.000 DM vom 13.3.1995 (Konto Nr. …)
  • Darlehen über 2.000.000 DM vom 27.2.1995 (Konto Nr. …).
  • Darlehen über 2.500.000 DM vom 24.1.1995 (Konto Nr. …).
  • Darlehen über 720.000 DM vom 13.3.1995 (Konto Nr. …).
  • Darlehen über 1.200.000 DM vom 3.6.1996 (Konto Nr. …).

Im Mai 1991 erwarb die S.-GmbH Geschäftsanteile an einer weiteren Bauunternehmung in B., die damals als „B. mbH” firmierte. Diese Gesellschaft war entstanden durch Umwandlung eines früheren LPG-Gemeinschaftsunternehmens, nämlich dem „ZPO Landbau B.”. Die Gesellschaft verfügte über ein Stammkapital von zunächst 656.000 Mark. Bis zum Herbst 1991 erwarb die S.-GmbH nach und nach sämtliche Geschäftsanteile am – inzwischen herabgesetzten – Stammkapital der B. im Nennbetrag von 328.000 DM. Di...

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