Entscheidungsstichwort (Thema)

Auslegung der Kosten- und Auslagenentscheidung bei "Freispruch auf Kosten der Staatskasse"

 

Leitsatz (amtlich)

›Wird der Angeklagte "auf Kosten der Staatskasse" freigesprochen, so enthält diese Formulierung die Verpflichtung der Staatskasse, die notwendigen Auslagen des Angeklagten zu tragen.‹

 

Verfahrensgang

LG Magdeburg (Urteil vom 17.09.1999; Aktenzeichen 26 Ns 92/99 - 55 Js 82656/96)

 

Gründe

Das Amtsgericht Aschersleben hatte den Beschwerdeführer wegen Unterschlagung und weiterer Vergehen zu Freiheitsstrafe verurteilt. Auf die Berufung des Angeklagten hat das Landgericht Magdeburg mit Urteil vom 17. September 1999 das amtsgerichtliche Urteil aufgehoben und den Beschwerdeführer "auf Kosten der Staatskasse" freigesprochen. Nach Verkündung des landgerichtlichen Urteils erklärten der Beschwerdeführer, sein Verteidiger und die Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft jeweils Rechtsmittelverzicht.

Zu dem Antrag des Verteidigers auf Erstattung der dem Beschwerdeführer entstandenen "Verteidigerkosten" aus der Landeskasse hat die Bezirksrevisorin bei dem Landgericht Magdeburg namens der Landeskasse die Stellungnahme abgegeben, dass der vorgenannte Erstattungsantrag abzulehnen sei, weil das landgerichtliche Urteil keine Entscheidung über die dem Beschwerdeführer entstandenen notwendigen Auslagen enthalte. Der Rechtspfleger des Amtsgerichts Aschersleben hat über den Erstattungsantrag des Verteidigers bisher nicht entschieden. Mit Schriftsatz des Verteidigers vom 28. April 2000 legte der Beschwerdeführer gegen die mit Urteil des Landgerichts Magdeburg vom 17. September 1999 getroffene "Kostenentscheidung" sofortige Beschwerde ein mit dem Antrag, die notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers der Staatskasse aufzuerlegen. Zugleich beantragte er, ihm Wiedereinsetzung in den Stand vor Versäumung der Beschwerdefrist zu gewähren und hilfsweise, das Berufungsurteil im Sinne des Beschwerdeziels zu ergänzen.

Die sofortige Beschwerde ist als unzulässig zu verwerfen. Ein Rechtsmittelverzicht - wie hier vom Beschwerdeführer und seinem Verteidiger im Anschluss an die Verkündung des landgerichtlichen Urteils erklärt - schließt die Einlegung eines Rechtsmittels aus (Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 44. Aufl., § 302 Rdn. 26 m.w.N.).

Im Übrigen ist der Beschwerdeführer durch die mit dem Berufungsurteil getroffene "Kostenentscheidung" nicht beschwert. Vielmehr ist dieser Urteilstenor dahin auszulegen, dass die Staatskasse auch die notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers zu tragen hat. Die vorgenannte Formulierung des Landgerichts ist zwar einerseits unpräzise, andererseits aber auslegungsfähig. Soweit demgegenüber die Auffassung vertreten wird, Kostenentscheidungen seien nicht auslegungsfähig bzw. nur ausdrücklich Ausgesprochenes lasse Kosten- und Auslagenansprüche entstehen (vgl. OLG Hamm NJW 1974, 71; OLG München JuRBüro 1986, 1537; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 44. Aufl., § 467 Rdn. 20; KK-StPO, 4. Aufl., § 464 Rdn. 6; Hilger in Löwe-Rosenberg, 25. Aufl., § 464 Rdnrn. 22-26), vermag sich der Senat dem nicht anzuschließen. Zwar hat das Gericht gemäß § 464 Abs. 2 StPO in dem Urteil die Entscheidung darüber, wer die notwendigen Auslagen trägt, zu treffen. Dies spricht zwar einerseits für eine am Wortlaut dieser Norm orientierte präzise Formulierung, zwingt das Gericht jedoch nicht dazu, bei der Auslagenentscheidung bestimmte Worte zu verwenden. Auch schließt die Strafprozessordnung nach ihrem systematischen Zusammenhang bei keiner Gerichtsentscheidung die Anwendung der allgemeinen Auslegungsgrundsätze aus, sondern sieht - etwa in § 458 Abs. 1 StPO - ausdrücklich die Auslegung vor. Dies führt im vorliegenden Fall dazu, dass der Freispruch "auf Kosten der Staatskasse" und der in den Urteilsgründen aufgeführten "Kostenfolge aus § 467 Abs. 1 StPO" (UA 5) auch die notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers umfasst, zumal keine Anhaltspunkte für Ausnahmetatbestände i.S. d. § 467 Abs. 2 und 3 StPO vorliegen (im Ergebnis ebenso OLG Karlsruhe JuRBüro 1985, 566; OLG Köln JuRBüro 1985, 1206; OLG Düsseldorf MDR 1988, 798 f.; OLG Düsseldorf StV 1994, 493).

Daher wird der Rechtspfleger des Amtsgerichts über den Erstattungsantrag des Verteidigers unter Beachtung der Auffassung des Senats zu entscheiden haben.

Der Wiedereinsetzungsantrag des Beschwerdeführers ist gegenstandslos. Ein Rechtsmittelverzicht schließt die Wiedereinsetzung grundsätzlich aus; lediglich bei Unwirksamkeit der Verzichtserklärung kommt Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung einer Rechtsmittelfrist in Betracht (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 302 Rdn. 26 m.w.N.). Im vorliegenden Fall scheidet eine Wiedereinsetzung jedenfalls aus, weil die sofortige Beschwerde wegen fehlender Beschwer unzulässig ist.

Ebenso wenig bedarf es einer Ergänzung oder Berichtigung der angefochtenen Entscheidung.

Die Kostenfolge beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2581198

NStZ-RR 2001, 189

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