Leitsatz (amtlich)

1. Eine Klageänderung in zweiter Instanz setzt voraus, dass die Partei entweder selbst Berufung oder nach § 524 ZPO zulässigerweise Anschlussberufung eingelegt und diese noch nicht zurückgenommen hat.

2. Die Geschäftsordnung für die Geschäftsführer einer Komplementär-GmbH entfaltet keine unmittelbare Bindungswirkung für die nicht personenidentischen Geschäftsführer einer Enkelgesellschaft.

3. Der Direktor einer slowenischen d.o.o. ist ohne anderweitige Weisung der Gesellschafterversammlung oder anderweitige Regelung im Gesellschaftsvertrag nicht verpflichtet, die Stimmrechte der d.o.o. in einer Tochtergesellschaft nur durch Stimmenthaltung auszuüben.

 

Verfahrensgang

LG Landshut (Aktenzeichen 1 HK O 2395/15)

 

Tenor

1. Aufgrund der übereinstimmenden Erledigungserklärungen der Parteien wird das Urteil des Landgerichts Landshut vom 04.03.2016, 1 HK O 2395/15 in Ziff. 1 aufgehoben.

2. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Landshut vom 04.03.2016, 1 HK O 2395/15 in Ziff. 2 aufgehoben und die Klage insoweit abgewiesen.

3. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 80 % und die Beklagte 20 %.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus diesem Urteil vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

Die Parteien streiten über die Übertragung treuhänderisch gehaltener Geschäftsanteile an einer Tochtergesellschaft der Klägerin und die Ausübung von Stimmrechten in der Gesellschafterversammlung einer Enkelgesellschaft der Klägerin.

Die E. Tor- und Sicherheitssysteme Verwaltungs GmbH ist Komplementärin der Klägerin ohne Kapitalanteil. An der Klägerin sind als Kommanditisten die Beklagte und Herr Christopher S. zu je 25,2 %, deren Väter, Herr Gabriel R. und Herr Manfred S. über Beteiligungsgesellschaften zu je 24,8 % beteiligt. An der Komplementärin sind die Beklagte und Herr Christopher S. zu je 25,2 %, deren Väter unmittelbar zu je 24,8 % beteiligt. Bezüglich der Satzung der Komplementärin wird Bezug genommen auf die Anlage K 6, hinsichtlich der Geschäftsordnung für die Geschäftsführer der Komplementärin auf die Anlage K 8. In § 3 Ziff. 9 der Geschäftsordnung ist geregelt, dass die "Geschäftsführer Petra R. und Christopher S. gemeinschaftlich zuständig und entscheidungsbefugt" sind "für die Geschäftsführung in ihrer Gesamtheit über ... die Wahrnehmung der Gesellschafterrechte der E. Tor- und Sicherheitssysteme GmbH & Co KG gegenüber Tochter und Beteiligungsgesellschaften". In § 9 der Geschäftsordnung ist hierzu des Weiteren geregelt, dass "die Geschäftsführer Petra R. und Christopher S." an den Gesellschafterversammlungen der Tochter- oder Beteiligungsgesellschaften gemeinsam teilnehmen, es sei denn, sie hätten sich im Vorfeld über das Abstimmungsverhalten geeinigt und einen der beiden Gesellschafter beauftragt, die Gesellschafterrechte auszuüben.

Weder Herr Christopher S. noch die Beklagte sind aktuell noch Geschäftsführer der E. Tor- und Sicherheitssysteme Verwaltungs GmbH.

Die Beklagte ist Geschäftsführerin der E. inzeniring d.o.o. L., Slowenien, deren Anteile zu 80 % von der Klägerin gehalten werden. Die weiteren 20 % wurden ursprünglich von der Beklagten treuhänderisch für die Klägerin (s. Treuhandvertrag Anlage K 13) und werden nunmehr ebenfalls unmittelbar von der Klägerin gehalten. Ausweislich des slowenischen Handelsregisters ist die Beklagte seit 09.08.2016 nicht mehr Gesellschafterin der E. inzeniring d.o.o. L., Slowenien; die entsprechende Eintragung im Handelsregister erfolgte erst am 19.05.2017.

Die E. inzeniring d.o.o. ist mit 60 % am Stammkapital der E.-CZ s.r.o mit Sitz in Tschechien beteiligt. Die restlichen 40 % des Stammkapitals hält die Klägerin. In Gesellschafterversammlungen der E.-CZ s.r.o. übt die Beklagte die Gesellschafterrechte E. inzeniring d.o.o. als deren Geschäftsführerin aus.

Die Klägerin hat ursprünglich behauptet, die Beklagte verweigere die Übertragung der von ihr treuhänderisch gehaltenen Anteile an der E. inzeniring d.o.o. an die Klägerin, obwohl die Beklagte nach dem Treuhandvertrag (Anlage K 13) zur Übertragung verpflichtet sei.

Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagte sei verpflichtet, sich ohne entsprechende Weisung der Gesellschafterversammlung der E. inzeniring d.o.o. bei der Ausübung der Stimmrechte in der Gesellschafterversammlung der E.-CZ s.r.o. zu enthalten. Dies ergebe sich insbesondere aus den Regelungen in § 3 Ziff. 9 und § 9 der Geschäftsordnung der Komplementärin der Klägerin. Es bestehe eine Konzernverfassung dahingehend, dass eine paritätische Mitbestimmung der Gesellschafterfamilien R. und S. gewollt sei. Damit stünde nicht in Einklang, wenn die Beklagte nur aufgrund ihrer formalen Rechtsposition als Geschäftsführerin der E. inzeniring d.o.o. in ...

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