Leitsatz (amtlich)

Ein Nießbrauch kann an einem real abgegrenzten, bebauten Teil eines Grundstücks bestellt werden, soweit das vom Nießbrauch erfasste Gebäude vollständig auf dem belasteten Grundstücksteil errichtet ist, wenn nicht durch die entsprechende Eintragung Verwirrung zu besorgen ist.

 

Normenkette

BGB § 1030; GBO § 7 Abs. 2

 

Tenor

I. Auf die Beschwerde der Beteiligten wird der Beschluss des Amtsgerichts Traunstein - Grundbuchamt - vom 4. Dezember 2019 aufgehoben.

II. Das Grundbuchamt wird angewiesen, den Antrag vom 27. August 2019 auf Eintragung des Nießbrauchs im Grundbuch des Amtsgerichts Traunstein von XXX Blatt XXX nicht aus den Gründen des Beschlusses vom 4. Dezember 2019 zurückzuweisen.

 

Gründe

I. Im Grundbuch sind die Beteiligten zu 1 und 2, ein Ehepaar, das den Güterstand der Gütergemeinschaft vereinbart hat, als Eigentümer von Grundbesitz eingetragen. Das hier maßgebliche Grundstück besteht aus insgesamt 19 Flurstücken.

Im notariellen Übergabevertrag vom 17.6.2019 vereinbarten sie mit dem Beteiligen zu 3, ihrem Sohn, die Übergabe des landwirtschaftlichen Betriebs mit allen Aktiven und Passiven zum Übergabezeitpunkt. Übergeben wird danach der gesamte zum jeweiligen Anwesen gehörende Grundbesitz. Als Gegenleistung ist unter anderem vereinbart, dass die Beteiligten zu 1 und 2 sich auf Lebenszeit den unentgeltlichen und uneingeschränkten Nießbrauch an einer Teilfläche eines der Flurstücke samt darauf befindlichem Bauernhaus vorbehalten. Das gesamte Flurstück ist in der Anlage zur Urkunde wie folgt beschrieben: "Wohnhaus, Wirtschaftsgebäude, Hofraum, Grünland-Acker".

Zur Bestellung des Nießbrauchs heißt es in der Urkunde:

X. Gegenleistungen

1) Nießbrauch

Die Übergeber, die Ehegatten ... behalten sich auf deren Lebenszeit den unentgeltlichen und uneingeschränkten Nießbrauch an einer Teilfläche des übergebenen Grundstücks Flst.Nr. ... der Gemarkung X. vor. Der vorstehende Nießbrauch beschränkt sich auf die in dem als Anlage II dieser Urkunde beigefügten Lageplan rot eingezeichnete Grundstücksfläche samt der sich darauf befindlichen Gebäudeteile (Bauernhaus). ... Das Nießbrauchsrecht bezieht sich also lediglich auf die vorgenannte Teilfläche, so dass die restliche Grundstücksfläche und die Wirtschaftsgebäude als nicht von dem Nießbrauch umfasst gilt. Hinsichtlich der letztgenannten Restfläche steht folglich die komplette Nutzung (100 %) dem Übernehmer zu.

Auf dem als Anlage vorgelegten Plan ist eine mit einem Gebäude bebaute Fläche rot eingezeichnet, wobei das Gebäude angrenzt an weitere Gebäude auf dem Grundstück.

Auf den Antrag auf Vollzug der Urkunde vom 27.8.2019 wies das Grundbuchamt darauf hin, dass ein Nießbrauch an einer Teilfläche und dem darauf befindlichen Gebäudeteil nicht bestellt werden könne. Das Gebäude sei nämlich wesentlicher Bestandteil des gesamten Grundstücks. Die Beteiligten halten dagegen die Eintragung eines solchen Nießbrauchs für zulässig.

Daraufhin hat das Grundbuchamt den Antrag mit Beschluss vom 4.12.2019 zurückgewiesen.

Dagegen richtet sich die vom Notar namens sämtlicher Beteiligter erhobene Beschwerde vom 3.2.2020, der das Grundbuchamt nicht abgeholfen hat.

II. 1. Das Rechtsmittel gegen die abgelehnte Eintragung ist als unbeschränkte Beschwerde nach § 11 Abs. 1 RPflG, § 71 Abs. 1 GBO statthaft und im Übrigen gemäß § 15 Abs. 2 und § 73 GBO zulässig eingelegt.

2. Es hat auch in der Sache Erfolg. Aus den vom Grundbuchamt angeführten Gründen kann die Eintragung des Nießbrauchs nicht zurückgewiesen werden.

a) Das beantragte Recht ist als Nießbrauch eintragungsfähig.

Der Nießbrauch gewährt grundsätzlich das umfassende Recht, die gesamten Nutzungen des belasteten Vermögensgegenstandes zu ziehen (§ 1030 Abs. 1 BGB). Er kann an Sachen, Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten bestellt werden (Palandt/Herrler BGB 79. Aufl. § 1030 Rn. 1). Auch reale Teile einer Sache können Gegenstand des Nießbrauchs sein, soweit es sich nicht um wesentliche Bestandteile nach § 93 BGB handelt (Staudinger/Heinze BGB Stand 2017 § 1030 Rn. 3; Palandt/Herrler § 1030 Rn. 1). Daher kann der Nießbrauch an einem bebauten Grundstück nicht auf Teile des Gebäudes beschränkt werden (BGH NJW 2006, 1881; BayObLGZ 1979, 363; Staudinger/Heinze § 1030 Rn. 5; MüKo/Pohlmann BGB 8. Aufl. § 1030 Rn. 91).

Ein Nießbrauch kann allerdings auch an einem Bruchteil einer Sache (RGZ 164, 196/198) und an einem real abgegrenzten Teil eines Grundstücks (LG Tübingen BWNotZ 1981, 140; Staudinger/Heinze § 1030 Rn. 3; MüKo/Pohlmann BGB 8. Aufl. § 1030 Rn. 90) bestellt werden.

Dies scheint zwar das OLG Köln (FGPrax 2016, 201/202) in Frage zu stellen, wonach der Nießbrauch an einem ideellen Bruchteil eines Grundstücks (Grundstückseigentum), nicht aber "an einem realen Teil des Grundstücks (Hauses)" bestellt werden könne. Im Weiteren führt das OLG Köln allerdings aus, dass ein in Bezug auf einen realen Teil eines Gebäudes verbundenes Nutzungsrecht nicht als Nießbrauch bestellt werden könne. Mit der dargestellten herrschenden Ansicht und der eigenen ...

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