Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundbuchamt. Verfügungsbefugnis. Testamentsvollstrecker. Testierfähigkeit. Zurückweisung der Eintragung im Grundbuch

 

Leitsatz (amtlich)

Überträgt der Testamentsvollstrecker in Erfüllung eines Vermächtnisses des Erblassers ein Grundstück, hat das Grundbuchamt dessen Verfügungsbefugnis zu prüfen. Sind ernsthafte, auch aus Umständen außerhalb der Eintragungsunterlagen herleitbare, hinreichende Tatsachen vorhanden, die gegen eine Testierfähigkeit des Erblassers sprechen, bestehen ernsthafte Zweifel an der Verfügungsbefugnis des Testamentsvollstreckers. Denn rechtsgrundlose Verfügungen sind als unentgeltliche Verfügungen anzusehen.

 

Normenkette

BGB §§ 2205, 2229 Abs. 4; GBO §§ 20, 29; BGB § 2368; GBO §§ 18, 35

 

Verfahrensgang

AG München (Beschluss vom 16.02.2010)

 

Tenor

I. Die Beschwerde des Beteiligten gegen den Beschluss des AG München - Grundbuchamt - vom 16.2.2010 wird zurückgewiesen.

II. Der Geschäftswert wird auf 89.500 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der im Wohnungsgrundbuch als Eigentümer eingetragene Arzt Dr. M. ist am 10.1.2007 verstorben. Über seinen Nachlass hat er privatschriftlich letztwillig verfügt, so am 3.5.2005 durch Erbeinsetzung, Vermächtnisanordnung und Anordnung der Testamentsvollstreckung sowie am 15.9.2005 durch ein Geldvermächtnis, was er ausdrücklich unter dem 5.7.2006 mit dem Vermerk: "Das gilt auch noch heute" bestätigte. Ferner finden sich Testamentszusätze vom 1.6. und 2.8.2006. Mit dem auf einem eigenen Blatt befindlichen "Zusatz" vom 1.6.2006 ordnete der Erblasser an, dass seine Wohnung in der L.-Straße nicht (wie im Testament vom 15.9.2005 verfügt) sein Sohn W., sondern sein Enkel R. S., der in der Verfügung vom 15.9.2005 als Testamentsvollstrecker bestimmt war, erhalten solle. Die Verfügung vom 2.8.2006 bestätigt den Zusatz ("Dies gilt auch heute noch").

Zu notarieller Urkunde vom 8.12.2009 erklärte der Beteiligte für sich als Vermächtnisnehmer und als Testamentsvollstrecker über den Nachlass unter Vorlage des Testamentsvollstreckerzeugnisses vom 14.4.2009 die Auflassung des Wohnungseigentums. Er beantragte und bewilligte die Eintragung der Rechtsänderung im Grundbuch. Er stimmte der Lastenfreistellung des Grundstücks von den in Abteilung III eingetragenen Rechten zu. Den notariellen Vollzugsantrag vom 21.12.2009 hat das Grundbuchamt nach Beiziehung der Nachlassakten am 16.2.2010 zurückgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:

Die Eigenschaft des Beteiligten als Testamentsvollstrecker sei durch das entsprechende Zeugnis nachgewiesen. Für das Grundbuchamt beständen jedoch manifeste Zweifel an der Wirksamkeit der maßgeblichen Vermächtnisverfügung des Erblassers vom 1.6./2.8.2006 zugunsten des Beteiligten. Dem könne sich das Grundbuchamt nicht verschließen.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Beteiligten. Die Auflassung sei zu vollziehen, weil sie erklärt worden sei und keine Wirksamkeitshindernisse beständen. Der Beteiligte sei als Abwicklungsvollstrecker zur Verfügung über Nachlassgegenstände befugt. Er könne insbesondere das angeordnete Vermächtnis erfüllen. § 181 BGB stehe nicht entgegen. Angeordnet sei, wie sich aus dem Testament samt Nachträgen ergebe, ein Vermächtnis zugunsten des Beteiligten. Das Bestehen der Verbindlichkeit sei ordnungsgemäß durch Bezugnahme auf die Nachlassakten nachgewiesen. Weitere Nachweise, namentlich in der Form des § 29 GBO, seien nicht erforderlich. Das Grundbuchamt bezweifle zu Unrecht die Vermächtnisanordnung. Es habe die Wirksamkeit des Vermächtnisses nicht zu prüfen. Der Testamentsvollstrecker seinerseits dürfe von der Wirksamkeit der letztwilligen Verfügung ausgehen und diese vollziehen. Zweifel an der Pflichtmäßigkeit seines Verhaltens beständen nicht. Das Grundbuchamt habe zudem kein Prüfungsrecht. Ob sich der Testamentsvollstrecker ordnungsgemäß verhalte, sei im Verhältnis zwischen den Erben und diesem zu klären.

Überdies sei von der Testierfähigkeit des Erblassers, also von der Wirksamkeit der letztwilligen Verfügung auszugehen, wenn nicht dessen Testierunfähigkeit zur vollen Gewissheit feststehe. Auch im Zeitpunkt des maßgeblichen Nachtrags sei aus dem Inhalt der Nachlassakten und dem dort erholten psychiatrischen Gutachten keineswegs sicher, dass der Erblasser testierunfähig gewesen sei. Eine andere Betrachtungsweise würde die Darlegungslast zu Ungunsten des Testamentsvollstreckers und Vermächtnisnehmers umkehren.

Die Löschung der Grundschulden hätte das Grundbuchamt in jedem Fall vollziehen müssen.

Das Grundbuchamt hat mit Beschluss vom 12.4.2010 nicht abgeholfen.

II. Die zulässige Beschwerde (§ 71 Abs. 1, § 73 GBO) erweist sich als unbegründet. Das Grundbuchamt hat den Eintragungsantrag zu Recht zurückgewiesen.

1. Die Auflassung eines Grundstücks oder eines Wohnungseigentums (vgl. Schneider in Riecke/Schmid, WEG, 3. Aufl., § 1 Rz. 81) darf das Grundbuchamt nur eintragen, wenn ihm die Einigung über den Rechtsübergang nachgewiesen ist (§ 925 BGB, § 20 GBO). Die Auflassung ist auf der Veräußererseite von de...

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