Leitsatz (amtlich)

Für die Frage, ob eine konkludente Wahl deutschen Rechts im Sinne von Art. 83 Abs. 2 EuErbVO für die Bindungswirkung eines gemeinschaftlichen Testaments vorliegt, sind alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen.

 

Normenkette

EuErbVO Art. 83

 

Verfahrensgang

AG Laufen (Aktenzeichen VI 655/17)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 24.02.2021; Aktenzeichen IV ZB 33/20)

 

Tenor

1) Die Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Laufen - Abteilung für Nachlasssachen - vom 19.04.2018 wird zurückgewiesen.

2) Die Festsetzung des Geschäftswertes der Beschwerde bleibt vorbehalten.

3) Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Erblasserin war deutsche Staatsangehörige und hatte ihre letzte Wohnanschrift in der xxx in xxx. Sie war in einziger Ehe verheiratet mit dem österreichischen Staatsangehörigen xxx, der am xxx, zu diesem Zeitpunkt ebenfalls wohnhaft in xxx, verstorben war. Die Erblasserin und ihr Ehemann waren im Jahr 1995 von Österreich nach xxx umgezogen.

Am 25. März 1996 verfassten die Ehegatten in getrennten, aber wortgleichen, jeweils eigenhändig ge- und unterschriebenen Urkunden zwei mit "Gemeinschaftlichen Testament" überschriebene Schriftstücke folgenden Wortlauts:

Gemeinschaftliches Testament

Ich Frau xxx geb. xxx in xxx derzeit wohnhaft in der xxx in xxx bin deutsche Staatsangehörige und habe keine Kinder. Ich, Herr xxx geb. am xxx in xx (Österreich) derzeit wohnhaft in der xxx in xxx bin österreichischer Staatsangehöriger und habe als einzigen Abkömmling meine am xxx in Gotha geborene Tochter xxx, die ihrerseits verheiratet und österreichische Staatsangehörige ist.

Wir sind miteinander seit 30.V.95 verheiratet, In der freien Verfügung über unser Vermögen sind wir nicht beschränkt, weder durch einen Ehe oder Erbvertrag oder durch ein früheres Testament.

Höchst vorsorglich widerrufen wir alle bisher von uns errichteten früheren Verfügungen von Todes wegen und wir bestimmen nun mehr folgendes als unseren gemeinsamen letzten Willen:

I. Wir setzen uns gegenseitig zu Alleinerben ein.

II. Nach dem Tod des zweiten von uns sollen gemeinsame Schlusserben

a) xxx

b) xxx

c) xxx

d) xxx

zu gleichen Teilen sein.

III. Die hier getroffene Verfügung von Todes wegen (Erbeinsetzung, Schlusserbeneinsetzung u. Vermächtnisanordnung) sind wechselseitig verbindlich. Sie können zu unserer beiden Lebzeiten nur gemeinschaftlich aufgehoben werden. Nach dem Tod eines von uns beiden ist der überlebende Ehegatte nicht mehr berechtigt die Erbeinsetzungen und Vermächtnisanordnungen abzuändern.

IV. Weitere Verfügungen wollen wir heute nicht treffen.

Das Original dieses Testaments befindet sich bei unseren persönlichen Unterlagen. Eine Fotokopie befindet sich in der Kanzlei des RAe xxx.

Weitere Abschriften oder Kopien haben wir nicht gefertigt.

xxx

Mit Testament vom 7. Oktober 2013 verfügte die Erblasserin, dass sie "mein Haus + Inventar sowie mein Barvermögen Herrn + Frau xxx" vererbe. Am 4. Dezember 2013 verfasste die Erblasserin ein eigenhändig ge- und unterschriebenes Schreiben, in dem es unter anderem heißt:

"Sollte meine Schwester oder mein Neffe sowie Nichten von meinen Konten Geld abgehoben haben müssen sie diese an den Erben zurückbezahlt werden. Ich hatte ihnen nie erlaubt Geld abzuheben"

Mit Antrag vom 26.10.2017 haben die Beschwerdeführer einen Erbschein dahingehend beantragt, dass sie Erben zu je 1/2 geworden sind.

Das Amtsgericht hat den Antrag zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass sich die Rechtsfolge nach der Erblasserin nach dem Testament vom 25. März 1996 richte. Dieses sei wirksam und habe Bindungswirkung, die den späteren Verfügungen der Erblasserin entgegenstehe. Dass gelte unabhängig von dem auf die Bindungswirkung anwendbaren Recht, da auch nach österreichischem Erbrecht kein formelles oder materielles Verbot bestehe, sich durch letztwillige Verfügung zu binden. Den Ehegatten habe es daher auch nach österreichischem Recht offen gestanden, durch ausdrückliche Anordnung ihren Verfügungen von Todes wegen Bindungswirkung zu verleihen. Damit könne dahinstehen, nach welchem Recht sich die Bindungswirkung des Testaments richte. Das gemeinschaftliche Testament sei auch nicht durch die letztwillige Verfügung vom 7. Oktober 2013 oder die Erklärung vom 4. Dezember 2013 widerrufen worden.

Mit der Beschwerde vom 29. Mai 2018 verfolgen die Beschwerdeführer ihren Erbscheinsantrag weiter. Sie sind der Meinung, dass das gemeinschaftliche Testament schon deshalb keine Bindungswirkung entfalte, weil es in zwei getrennten Urkunden errichtet sei. Außerdem scheide nach österreichischem Erbrecht eine Bindungswirkung des gemeinschaftlichen Testaments aus. Jedenfalls für den Ehegatten der Erblasserin sei aber gemäß dem vormaligen Kollisionsrecht österreichisches Erbrecht anwendbar, sodass das gemeinschaftliche Testament insgesamt keine Bindungswirkung entfalten könne. Darüber hinaus habe die Erblasserin das gemeinschaftliche Testament durch die Urkunden aus dem Jahr 2013 wirksam widerrufen.

Die Beteiligten zu 3) bis 6) sind ...

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