Leitsatz (amtlich)

›Das Wohnungseigentumsgericht kann regelmäßig einen Eigentümerbeschluss, der fristgerecht angefochten wurde, auch dann wegen inhaltlicher Mängel für ungültig erklären, wenn im Anfechtungsverfahren festgestellt wird, dass die für das Entstehen eines Eigentümerbeschlusses erforderliche Feststellung und Verkündung des Beschlussergebnisses unterblieben ist. Voraussetzung ist jedoch, dass das Gericht in der Lage ist, das Beschlussergebnis zweifelsfrei festzustellen und so den Tatbestand für das Entstehen eines Eigentümerbeschlusses zu komplettieren.‹

 

Verfahrensgang

LG Nürnberg-Fürth (Entscheidung vom 07.02.2006; Aktenzeichen 14 T 6588/05)

AG Fürth (Bayern)

 

Gründe

I.

Die Antragsteller zu 2 bis 5 und die Antragsgegner sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage. Für diese war die Antragstellerin zu 1 gemäß Eigentümerbeschluss vom 25.6.2003 für den Zeitraum von fünf Jahren ab 1.1.2004 zur Verwalterin bestellt. Derzeit hat die weitere Beteiligte die Hausverwaltung inne.

In der außerordentlichen Eigentümerversammlung vom 2.11.2004 wurde unter Tagesordnungspunkt (TOP) 2 ("Abwahl des Verwalters unter Vorbehalt von Schadensersatzansprüchen") der Antrag gestellt, die Verwalterin aus wichtigem Grund zum 30.11.2004 abzuberufen. Im Protokoll ist folgendes Abstimmungsergebnis festgehalten:

Dafür: 9

Gegen: 4

Keine Gegenstimmen.

Eine Feststellung und Verkündung des Beschlussergebnisses ist in der Niederschrift nicht festgehalten.

Die Antragsteller haben beim Amtsgericht begehrt, den Eigentümerbeschluss über die Verwalterabberufung für ungültig zu erklären. Auf den Antrag der Antragstellerin zu 1 hat das Amtsgericht diesem Begehren mit Beschluss vom 27.5.2005 entsprochen. Die sofortige Beschwerde der Antragsgegner hat das Landgericht am 7.2.2006 zurückgewiesen. Dieser Beschluss wurde gegen Empfangsbekenntnis am 22.2.2006 hinausgegeben und von den anwaltlichen Bevollmächtigten der Antragsgegner laut deren Empfangsbestätigung am 7.7.2006 entgegengenommen. Gegen die landgerichtliche Entscheidung richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner vom 7.7.2006.

II.

Die sofortige weitere Beschwerde ist unbegründet.

1. Das Rechtsmittel der Antragsgegner ist zulässig. Insbesondere ist die mit der Zustellung der angefochtenen Entscheidung beginnende zweiwöchige Beschwerdefrist als gewahrt anzusehen (§ 45 Abs. 1 WEG, § 16 Abs. 2, § 22 Abs. 1, § 27 Abs. 1, § 29 Abs. 2 FGG). Entsprechend der anwaltlichen Empfangsbestätigung ist davon auszugehen, dass die landgerichtliche Entscheidung den Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegner erst am 7.7.2006 zugestellt werden konnte. Dies verwundert zwar, weil die zeitgleich hinaus gegebene Entscheidung bereits im Februar 2006 an die übrigen Beteiligten zugestellt wurde. Jedoch ist bei einer Zustellung an den Verfahrensbevollmächtigten gegen Empfangsbekenntnis nach § 16 Abs. 2 FGG, §§ 172, 174 ZPO Zustelldatum der Tag, an dem der Rechtsanwalt als Zustellungsadressat vom Zugang des übermittelten Schriftstücks Kenntnis erlangt und es empfangsbereit entgegennimmt, was er durch seine Unterschrift auf dem Empfangsbekenntnis dokumentiert (Hüßtege in Thomas/Putzo ZPO 27. Aufl. § 174 Rn. 5 b). Hierbei begründet § 174 Abs. 4 Satz 1 ZPO den vollen Beweis der Zustellung und ihres Zeitpunkts. Zur Unrichtigkeit der in dem Empfangsbekenntnis enthaltenen Angaben kann zwar Gegenbeweis geführt werden (BGH NJW 2001, 2722/2723 zu § 212a ZPO a.F.). An den Unrichtigkeitsbeweis sind jedoch hohe Anforderungen zu stellen; dass die Angaben möglicherweise unrichtig sind, genügt insoweit nicht (BGH NJW 1996, 2514/2515 und 2001, 2722/2723; vgl. auch Senat vom 22.5.2006, 34 Wx 183/05 m.w.N.). Für die Prüfung der Zulässigkeit des Rechtsmittels gilt das so genannte Freibeweisverfahren (BGH NJW 2001, 2722/2723). Der Senat hält es nicht für ausgeschlossen, dass, abgesehen von Fehlern im Postlauf, aus welchen Gründen auch immer der Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegner die Sendung tatsächlich erst im Juli 2006 empfangsbereit entgegengenommen hat. Ein mögliches "Liegenlassen" mag zwar gegen die anwaltliche Berufsordnung verstoßen, führt aber nicht zur Fiktion eines früheren Zugangs. Vielmehr lässt sich nach Aktenlage die Möglichkeit, dass das Empfangsbekenntnis richtig ist, nicht widerlegen. Demgemäß geht der Senat von der Rechtzeitigkeit der Rechtsmitteleinlegung aus.

2. In der Sache hat das Rechtsmittel, jedenfalls im Ergebnis, keinen Erfolg.

Das Landgericht hat, teils unter Bezugnahme auf die amtsgerichtliche Entscheidung, ausgeführt:

Der angefochtene Beschluss sei nichtig. Es habe nicht bewiesen werden können, dass eine Feststellung und Bekanntgabe des Beschlussergebnisses durch den Versammlungsleiter erfolgt sei. Die Feststellung und Bekanntgabe bilde eine Voraussetzung für das rechtswirksame Zustandekommen eines Eigentümerbeschlusses. Das Protokoll enthalte lediglich die für und gegen den Beschluss abgegebenen Stimmen, nicht jedoch das Ergebnis, dass der Antrag angenommen worden sei. Die Beschwerdekam...

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