Leitsatz (amtlich)

Eine materiell-rechtliche Vereinbarung über den Leistungsort entfaltet nach Maßgabe des § 29 Abs. 2 ZPO keine prozessuale Wirkung.

 

Normenkette

ZPO § 29; EuGVVO Art. 23; LugÜ Art. 17

 

Verfahrensgang

LG Kempten (Aktenzeichen 2 O 788/08)

 

Tenor

Als gemeinsam zuständiges Gericht wird das LG Kempten bestimmt.

 

Gründe

I. Die Klägerin macht Zahlungsansprüche gegen die Beklagten geltend. Sie behauptet, die Beklagten zu 1 und 2 haften auf Rückzahlung der der Beklagten zu 3 gewährten Darlehensvaluta aufgrund vertraglicher Abrede wie auch deliktisch. Im Zeitpunkt der Klageerhebung hatte die Beklagte zu 1 ihren allgemeinen Gerichtsstand im Landgerichtsbezirk München I, der Beklagte zu 2 in der Schweiz; der Sitz der Beklagten zu 3 liegt in Spanien. Die Klägerin ist der Auffassung, die Zuständigkeit des LG Kempten ergebe sich aus der im Darlehensvertrag aufgenommenen Gerichtsstandsund Erfüllungsortvereinbarung sowie aus § 32 ZPO. Zudem folge die Zuständigkeit des LG Kempten auch aus § 29 ZPO, da das Darlehen aufgrund vertraglicher Abrede am Wohnsitz der Darlehensgeberin zurückzugeben wäre. Dem ist die Beklagte zu 2 entgegengetreten. Die Klägerin hat hilfsweise beantragt, das LG Kempten als zuständiges Gericht zu bestimmen.

II. Die Voraussetzungen für die Bestimmung des zuständigen Gerichts nach § 36 Nr. 3 ZPO liegen hinsichtlich aller Beklagten vor. Zwar erging gegen die Beklagte zu 3 am 8.1.2009 Teilversäumnisurteil, das seit 10.2.2009 rechtskräftig ist. Die Kostenentscheidung blieb jedoch der Schlussentscheidung vorbehalten, so dass das Verfahren gegen die Beklagte zu 3 insoweit weiter rechtshängig ist.

1. Die Beklagten zu 1, 2 und 3 sind Streitgenossen (§§ 59, 60 ZPO). Sie werden aufgrund eines einheitlichen Lebenssachverhaltes wegen desselben rechtlichen Grundes in Anspruch genommen. Damit sind die Voraussetzungen der Streitgenossenschaft schlüssig dargelegt. Ob die Klagen selbst schlüssig sind, wird im Bestimmungsverfahren nicht geprüft.

2.a) Der gemeinschaftliche besondere Gerichtsstand des § 32 ZPO, der die Bestimmung ausschlösse, lässt sich nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststellen. Für eine deliktische Handlung der Beklagten bietet der von Seiten der Klägerin vorgetragene Sachverhalt keine hinreichenden Anknüpfungspunkte.

b) Auch ein sonstiger gemeinsamer allgemeiner oder besonderer Gerichtsstand der Beklagten zu 1, 2 und 3 ist nicht gegeben:

aa) Der Gerichtsstand des Beklagten zu 2 bestimmt sich nach dem Luganer Übereinkommen (LugÜ), da der Beklagte zu 2 im Zeitpunkt der Klageerhebung, auf den für das Vorliegen der Anwendungsvoraussetzungen des Art. 17 LugÜ abzustellen ist (zu Art. 23 EuGVVO: Musielak/Stadler, ZPO, 6. Aufl., Art. 23 EuGVVO Rz. 2 und Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, Art. 23 EuGVVO Rz. 28; vgl. auch EuGH RIW 80, 285; OLG Hamm IPRax 91, 324 [325]), seinen Wohnort in der Schweiz hatte.

Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte und die ausschließliche örtliche Zuständigkeit des LG Kempten ergeben sich aus Art. 17 Abs. 1 LugÜ. Entgegen der Auffassung des LG Kempten bestimmt Art. 17 LugÜ, wenn die Zuständigkeit eines bestimmten Gerichts vereinbart ist, neben der internationalen Zuständigkeit zugleich die örtliche Zuständigkeit des vereinbarten Gerichts; für einen Rückgriff auf § 38 ZPO ist in diesem Fall kein Raum, da Art. 17 LugÜ als Sonderregelung vorgeht.

Die formellen Wirksamkeitsvoraussetzungen i.S.d. Art. 17 Abs. 1 LugÜ sind erfüllt. Nach dem klägerischen Vorbringen ist die Gerichtsstandsvereinbarung zusammen mit dem Darlehensvertrag zwischen der Klägerin und dem Beklagten abgeschlossen worden und umfasst auch die streitgegenständlichen Zahlungsansprüche. Dem ist zwar der Beklagte zu 2 entgegengetreten. Darauf, ob die tatsächlichen Behauptungen der Klägerin zutreffen, kommt es jedoch im Bestimmungsverfahren nicht an. Wirksamkeit und Umfang der Haftungsverpflichtung sind zugleich bedeutsam für die Anwendung der Gerichtsstandvereinbarung. Sie stellen daher sog. doppelrelevante Tatsachen dar und bleiben der Prüfung und der Auslegung des Streitgerichts vorbehalten.

bb) Der Gerichtsstand der Beklagten zu 3 bestimmt sich nach der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates v. 22.12.2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EUGVVO). Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte und die ausschließliche örtliche Zuständigkeit des LG Kempten ergeben sich aus Art. 23 EuGVVO. Auf die Ausführungen unter 2. a) aa) wird Bezug genommen.

cc) Für die Beklagte zu 1 ist hingegen der allgemeine Gerichtsstand des Wohnsitzes (§§ 12, 13 ZPO) in München gegeben. Die Zuständigkeit des LG Kempten ergibt sich nicht aus der Gerichtsstandvereinbarung. Die Wirksamkeitsvoraussetzungen i.S.d. § 38 ZPO sind hinsichtlich der Beklagten zu 1 nicht gegeben. Die Vereinbarung über den Erfüllungsort in § 7 Satz 3 des Darlehensvertrages ist gem. § 29 Abs. 2 ZPO unwirksam.

Eine Zuständigkeit des LG Kempten ergibt ...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge