Tenor

Das Verfahren wird eingestellt.

Die Kosten des Verfahrens und die dem Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen hat die Staatskasse zu tragen.

 

Gründe

Die Staatsanwaltschaft beantragte am 11.12.2001 gegen den Angeklagten wegen des Vorwurfs des Diebstahls die Entscheidung im beschleunigten Verfahren. Im Hauptverhandlungstermin vom selben Tage lehnte das Amtsgericht eine Entscheidung im beschleunigten Verfahren durch - nicht mit Gründen versehenen - Beschluss ab, ohne über die Eröffnung des Hauptverfahrens zu entscheiden. Sodann leitete es die Akten an die Staatsanwaltschaft zurück.

Die Staatsanwaltschaft legte die Akten erneut dem Amtsgericht vor, diesmal mit dem Antrag, das Hauptverfahren zu eröffnen. Von der Einreichung einer neuen Anklageschrift sah sie ab (§ 419 Abs. 2.Halbs. StPO). Ohne einen Eröffnungsbeschluss erlassen zu haben, hat das Amtsgericht - eine andere Abteilung als im beschleunigten Verfahren - den Angeklagten wegen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten verurteilt. Die Berufung des Angeklagten hat das Landgericht verworfen. Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten mit der allgemeinen Sachrüge.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, das Berufungsurteil aufzuheben und das Verfahren wegen Fehlens eines Eröffnungsbeschlusses einzustellen. Der ursprüngliche Antrag der Staatsanwaltschaft, im beschleunigten Verfahren zu entscheiden, habe den Erlass eines Eröffnungsbeschlusses nicht etwa entbehrlich gemacht.

Die Revision führt zu Einstellung des Verfahrens gemäß §§ 354 Abs.1, 260 Abs.3 StPO.

Es fehlt an einer Verfahrensvoraussetzung, nämlich an einem Eröffnungsbeschluss nach § 203 StPO. Das Vorliegen der Verfahrensvoraussetzungen bzw. das Bestehen von Verfahrenshindernissen, was das Gleiche bedeutet (vgl. Engelhardt in KK-StPO, 4. Auflage, § 260 Rn. 46), hat das Revisionsgericht, sofern - wie hier - eine zulässige Revision vorliegt, von Amts wegen zu prüfen (Meyer-Goßner, StPO, 46. Auflage, Einl. Rn. 150). Ein Verfahrenshindernis wird durch solche Umstände begründet, die es ausschließen, dass über einen Prozessgegenstand mit dem Ziel einer Sachentscheidung verhandelt werden darf (BGHSt 35, 137; Senat NStZ-RR 2002, 149 = DAR 2002, 232 = NZV 2002, 419 = VRS 100, 215; NStZ-RR 2003, 17,18; Meyer-Goßner a.a.O., Einl. Rn. 143, 146 m. w. Nachweisen). Sie müssen so schwer wiegen, dass von ihrem Vorhandensein oder Nichtvorliegen die Zulässigkeit des gesamten Verfahrens abhängig gemacht werden muss (Senat a.a.O., m. Nachweisen). Ein solcher Umstand liegt u.a. vor, wenn im Regelstrafverfahren/Normalstrafverfahren (im Folgendem: Regelverfahren) der Eröffnungsbeschluss fehlt (vgl. nur BGHSt 10, 278;BGH NStZ 1994, 227 b. Kusch; SenE v. 13.10.2000 - Ss 398/00;Pfeiffer in KK-StPO, Einl. 45; Meyer-Goßner a.a.O., § 203 Rn.1, 3 m. w. Nachweisen). Zur Eröffnung des Regelverfahrens bedarf es als Verfahrensvoraussetzung- anders als im beschleunigten Verfahren (§ 418 Abs. 1 StPO) - einer eindeutigen schriftlichen Willenserklärung des Gerichts, die Anklage nach Prüfung und Bejahung der Eröffnungsvoraussetzungen zur Hauptverhandlung zuzulassen (BGHR StPO § 203 Beschluss 5; BayObLG NStZ-RR 2001, 139; SenE v. 13.12.2000 - Ss 398/00; Meyer-Goßner a.a.O.). Eine derartige Entscheidung des Amtsgerichts ist vorliegend den Akten nicht zu entnehmen.

Die Terminsverfügung des Amtsgerichts im Regelverfahren beinhaltet diese nicht. Aus ihr geht lediglich der Zeitpunkt der Verhandlung der Sache hervor, ihr ist aber nicht zu entnehmen, dass das Gericht damit inhaltlich eine ihr regelmäßig vorausgehende Eröffnungsentscheidung treffen wollte (BayObLG NStZ-RR 2001, 139).

Auch das vorangegangene beschleunigte Verfahren (§§ 417 ff. StPO) rechtfertigt es im vorliegenden Fall nicht, das Fehlen des Eröffnungsbeschlusses im Regelverfahren lediglich als Verfahrensfehler und nicht als schwer wiegend - ein Verfahrenshindernis begründend - zu bewerten.

Dem Gesetz lässt sich nicht entnehmen, dass dem Eröffnungsbeschluss nach § 203 StPO eine geringere Verfahrensbedeutung zukommt, wenn das Verfahren ursprünglich als beschleunigtes Verfahren anhängig war. Denn § 419 Abs. 3 1. Halbsatz StPO lautet: "Wird die Entscheidung im beschleunigten Verfahren abgelehnt, so beschließt das Gericht die Eröffnung des Hauptverfahrens, wenn der Angeschuldigte einer Straftat hinreichend verdächtig erscheint (§ 203)" Dem Zusammenhang der §§ 419 Abs. 3, 203 StPO ist vielmehr zu entnehmen, dass das Gesetz hinsichtlich der Ausgestaltung des Zwischenverfahrens (vgl. Meyer-Goßner a.a.O., Einl. 63) und der Bedeutung der Eröffnungsentscheidung nicht unterscheidet zwischen einem Regelverfahren und einem solchen mit vorangegangenem beschleunigten Verfahren.

In der Rechtsprechung wird allerdings die Auffassung vertreten, dass ein im Regelverfahren unterbliebener Eröffnungsbeschluss nicht zu einem Verfahrenshindernis führt, wenn das Amtsgericht - etwa infolge langfristiger Terminierung oder Verbindung mit einem Regelverfahren - vom beschleunigten Verfahren ...

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