Entscheidungsstichwort (Thema)

Strafverfahrensrecht

 

Leitsatz (amtlich)

Ist ein Pflichtverteidiger nur für einen Hauptverhandlungstermin bestellt, endet seine Beiordnung mit Ablauf dieses Hauptverhandlungstags. Die Rechtsmitteleinlegungsbefugnis des § 297 StPO steht ihm dann nicht zu.

 

Normenkette

StPO § 297

 

Verfahrensgang

LG Bonn (Entscheidung vom 14.09.2022)

 

Tenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil der 6. kleinen Strafkammer des Landgerichts Bonn vom 14. September 2022 wird als unzulässig verworfen.

Der Angeklagte hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht Euskirchen hat gegen den Angeklagten mit Urteil vom 7. Januar 2022 wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln unter Einbeziehung der Strafe aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Euskirchen vom 11. Februar 2021 eine Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr verhängt.

Auf die Berufung des Angeklagten hat das Landgericht Bonn Termin zur Berufungshauptverhandlung auf den 14. September 2022 bestimmt und den Angeklagten sowie den ihm mit Beschluss vom 3. Dezember 2021 als Pflichtverteidiger beigeordneten Rechtsanwalt F. zu dem Termin geladen.

Dem nicht erschienenen Angeklagten hat der Vorsitzende der Berufungsstrafkammer den für den erkrankten Rechtsanwalt F. anwesenden Rechtsanwalt H. "für den heutigen Tag als Pflichtverteidiger beigeordnet". Die Berufung des Angeklagten ist im Termin gemäß § 329 Abs. 1 StPO verworfen worden.

Mit Schreiben vom 20. September 2022, elektronisch eingegangen beim Landgericht Bonn am selben Tag, hat Rechtsanwalt H. Revision gegen das Urteil eingelegt und die Verletzung formellen und materiellen Recht gerügt. Eine weitere Revisionsbegründung erfolgte nicht.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat dem Senat das Verfahren mit Verfügung vom 27. März 2023 mit dem Antrag vorgelegt, die Revision des Angeklagten als unzulässig zu verwerfen, da Rechtsanwalt H. nicht berechtigt gewesen sei, im eigenen Namen Revision einzulegen.

Rechtsanwalt F. ist der vorstehende Antrag der Generalstaatsanwaltschaft zur Kenntnisnahme und mit der Gelegenheit zur Stellungnahme übersandt worden. Eine solche ist nicht zu den Akten gelangt.

II.

Die Revision ist unzulässig, da Rechtsanwalt H. zur Einlegung der Revision nicht berechtigt gewesen ist.

Die besondere Rechtsmitteleinlegung gemäß § 297 StPO steht nur dem nach § 141 StPO bestellten oder dem nach § 137 StPO gewählten Verteidiger zu.

Zum Zeitpunkt der Rechtsmitteleinlegung am 20. September 2022 war Rechtsanwalt H. dem Angeklagten nicht (mehr) als Pflichtverteidiger beigeordnet. Dieser ist dem Angeklagten am 14. September 2022 nicht als zusätzlicher Pflichtverteidiger gemäß § 144 Abs. 1 StPO, sondern lediglich als "Terminsvertreter" für den aufgrund Erkrankung am Erscheinen verhinderten Rechtsanwalt F. beigeordnet worden. Dies folgt bereits aus der typischen Vertretersituation mit Blick auf die Erkrankung des Pflichtverteidigers sowie dem Wortlaut des Beschlusses des Vorsitzenden der Berufungsstrafkammer vom 14. September 2022, wonach eine Beiordnung von Rechtsanwalt H. "für den heutigen Tag als notwendiger Pflichtverteidiger" erfolgt ist. Eine solche, zeitlich beschränkte Beiordnung auf einen Hauptverhandlungstag ist zulässig (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 26. März 2010, 2 Ws 129/10, juris; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 16. Juli 2008, 3 Ws 281/08, juris; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 65. Auflage, § 144 Rn. 4; Krawczyk in BeckOK, StPO, 46. Edition, § 144 Rn. 4; Allgayer in Münchener Kommentar, StPO, 1. Auflage, § 297 Rn. 9) und hat zur Folge, dass der bestellte Verteidiger während der Dauer der Bestellung die Verteidigung des Angeklagten umfassend und eigenverantwortlich wahrzunehmen hat, seine Bestellung indes aufgrund der von vorherein angeordneten zeitlichen Begrenzung der Beiordnung mit Ablauf des Hauptverhandlungstages - hier dem 14. September 2022 - endet (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 17. Juli 2008, 3 Ws 281/08, juris). Im Ergebnis lag mithin eine Beiordnung von Rechtsanwalt H. zum Pflichtverteidiger am 20. September 2022, die ihn zur Einlegung der Revision berechtigt hätte, nicht (mehr) vor.

Da zudem weder Anhaltspunkte für eine Bestellung von Rechtsanwalt H. als Vertreter von Rechtsanwalt F. gemäß § 53 BRAO vorliegen noch ersichtlich ist, dass der Angeklagte Rechtsanwalt H. zum Zeitpunkt der Rechtsmitteleinlegung mit der Einlegung der Revision gemäß § 137 StPO bevollmächtigt hatte, war diese als unzulässig zu verwerfen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 S. 1 StPO.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI16021042

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