Verfahrensgang

LG Köln (Entscheidung vom 28.08.2007; Aktenzeichen 151 - 93/07)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Angeklagten vom 28.8.2007 wird der Haftbefehl der 1. kleinen Strafkammer des Landgerichts Köln vom 28.8.2007 (Az. 151 - 93/07) aufgehoben.

Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten werden der Staatskasse auferlegt.

 

Gründe

I.

Der Angeklagte ist durch Urteil des Amtsgerichts Köln vom 5.4.2007 wegen unerlaubten Handeltreibens mit Kokain in nicht geringer Menge in 6 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren unter Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt worden. Ihm ist die Bewährungsauflage erteilt worden, jeden Wohnungswechsel binnen 10 Tagen zu den Gerichtsakten anzuzeigen und unverzüglich freiwillig das Land zu verlassen. In den Urteilsgründen heißt es, dem Angeklagten sei nachdrücklich deutlich gemacht worden, dass das weitere Verbleiben in der Bundesrepublik oder eine weitere illegale Einreise unverzüglich den Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung nach sich ziehen werde.

Gegen dieses Urteil hat die Staatsanwaltschaft, die in erster Instanz eine Freiheitsstrafe von 3 Jahren beantragt hatte, Berufung eingelegt.

Die Ladung des Angeklagten zur Berufungshauptverhandlung ist öffentlich zugestellt worden.

Nachdem der Angeklagte im Termin zur Hauptverhandlung vor der 1. kleinen Strafkammer des Landgerichts Köln am 28.8.2007 nicht erschienen war, ist gegen ihn gemäß § 230 Abs. 2 StPO ein Haftbefehl erlassen worden.

Gegen den Haftbefehl hat die Verteidigerin des Angeklagten mit Schriftsatz vom selben Tag Beschwerde eingelegt und beantragt, den Haftbefehl aufzuheben. Zur Begründung hat sie ausgeführt, der Angeklagte habe keine Kenntnis von dem Termin gehabt, da er der Weisung, die Bundesrepublik zu verlassen, unmittelbar nach Beendigung der Hauptverhandlung nachgekommen sei. Sein Ausbleiben sei daher entschuldigt. Außerdem sei die öffentliche Zustellung der Ladung unwirksam, weil das Landgericht sich nicht aller zumutbaren und möglichen Mittel bedient habe, um den Aufenthalt des Angeklagten zu erforschen. So sei weder beim Bundesverwaltungsamt - Ausländerzentralregister - noch bei ihr als Verteidigerin des Angeklagten Nachfrage nach dessen derzeitigem Aufenthalt gehalten worden.

Das Landgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Beschwerde zu verwerfen. Der Angeklagte sei ordnungsgemäß geladen worden. Die öffentliche Zustellung sei wirksam. Es sei vorher Nachfrage beim Ausländeramt der Stadt Köln gehalten worden. Außerdem sei die Polizeibehörde um die Ermittlung des Aufenthalts gebeten worden. Eine Anfrage beim Bundesverwaltungsamt sei nicht erfolgversprechend gewesen, da der Angeklagte sich illegal in der Bundesrepublik aufgehalten habe. Anhaltspunkte dafür, dass der Verteidigerin der Aufenthalt des Angeklagten bekannt gewesen sei, habe es ebenfalls nicht gegeben.

Die Auflage, das Land zu verlassen, entschuldige den Angeklagten nicht. Da die Staatsanwaltschaft die Verhängung einer höheren Strafe beantragt und keinen Rechtsmittelverzicht erklärt habe, habe der Angeklagte nicht davon ausgehen können, dass kein Rechtsmittel eingelegt werde. Aus der zusätzlichen Weisung, jeden Wohnungswechsel binnen 10 Tagen bekannt zu geben, habe er zudem ersehen können, dass das Gericht seine weitere Anwesenheit erwarte.

II.

Die Beschwerde ist nach § 304 Abs. 1 StPO zulässig und in der Sache auch begründet, da die Voraussetzungen für den Erlass eines Haftbefehls nach § 230 Abs. 2 StPO nicht gegeben waren.

Nach § 230 Abs. 2 StPO kann ein Haftbefehl nur dann ergehen, wenn der Angeklagte ordnungsgemäß geladen und sein Ausbleiben nicht entschuldigt ist.

1.

Eine ordnungsgemäße Ladung des Angeklagten ist zwar erfolgt. Die Voraussetzungen für eine öffentliche Zustellung der Ladung gemäß § 40 StPO lagen vor. Das Gericht hat vor Anordnung der öffentlichen Zustellung mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln den Aufenthalt des Zustellungsadressaten zu ermitteln, wobei ein strenger Maßstab anzulegen ist (Maul in Karlsruher Kommentar, StPO, 5. Auflage, § 40 Rdn. 7). Diesen Anforderungen hat das Landgericht aber genügt. Eine ladungsfähige Anschrift des Angeklagten war nicht bekannt. Eine am 27.4.2007 erfolgte Anfrage der Staatsanwaltschaft Köln beim Ausländeramt der Stadt Köln hat ergeben, dass der Angeklagte nicht greifbar ist. Auch die um die Aufenthaltsermittlung gebetene Kriminalpolizei hat am 8.5.2007 mitgeteilt, der derzeitige Aufenthaltsort des Angeklagten sei nicht bekannt. Er sei nach seiner Haftentlassung nicht für das Stadtgebiet Köln zur Anmeldung gelangt. Das sei beim Angeklagten bislang auch noch nie der Fall gewesen. Unter diesen Umständen bedurfte es einer weiteren Nachfrage beim Bundesverwaltungsamt - Ausländerzentralregister - , die bei Ausländern vor Anordnung der öffentlichen Zustellung ansonsten regelmäßig zu erfolgen hat, nicht. Der Angeklagte ist schon am 6.7.2004 durch das Amtsgericht Köln (Az. 643 Ls 236/04) wegen Verstoßes gegen das Auslä...

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