Entscheidungsstichwort (Thema)

Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks

 

Leitsatz (amtlich)

Wird das das Verfahren im Ausland einleitende Schriftstück dem Schuldner so spät zugestellt, dass er sich dort nicht mehr ausreichend verteidigen konnte, hatte er aber die Gelegenheit, gegen die in diesem Verfahren ergangene Entscheidung Rechtsmittel einzulegen, und hat er von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht, so stellt der Zustellungsmangel kein Anerkennungshindernis dar. Art. 27 Nr. EuGVÜ ist im Hinblick auf den zum 1.3.2002 in Kraft tretenden Art. 34 Nr. 2 der EG-VO Nr. 44/2001 in diesem Sinne einschränkend auszulegen.

 

Normenkette

EuGVÜ Art. 27 Nr. 2

 

Verfahrensgang

LG Aachen (Aktenzeichen 8 O 661/00)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 20.01.2005; Aktenzeichen IX ZB 154/01)

 

Tenor

Die Beschwerde der Schuldnerin zu 1) gegen den Beschluss des Vorsitzenden der 8. Zivilkammer des LG Aachen vom 24.1.2001 – 8 O 661/00 – wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der mit der Vollstreckungsklausel zu versehende Urteilstenor wie folgt neu gefasst wird:

„Werden die Antragsgegner solidarisch und unteilbar verurteilt, dem Antragsteller Mietrückstände i.H.v. 167.065 FB zu zahlen zuzüglich 7 % Zinsen von jeweils 33.413 FB seit dem 31.3.2000, 30.4.2000, 31.5.2000, 30.6.2000 und 31.7.2000 zu zahlen.

Werden die Antragsgegner solidarisch und unteilbar verurteilt, dem Antragsteller eine Wiedervermietungsentschädigung i.H.v. 100.239 FB (3 Monate) zu zahlen.

Werden die Antragsgegner solidarisch und unteilbar verurteilt, für jeden begonnenen Monat ab Auflösung des Mietverhältnisses, es sei ab 31.7.2000 bis zum 31.12.2000 dem Antragsteller eine Nutzungsentschädigung i.H.e. Monatsmiete (33.314 FB) zu zahlen.

Werden die Antragsgegner solidarisch und unteilbar zu den Kosten des Verfahrens verurteilt, liquidiert auf 14.200 FB.”

Die Schuldnerin zu 1. hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Schuldner hatten von dem in A. wohnenden Gläubiger eine Wohnung in dessen Haus in E., einem Ortsteil der Gemeinde R./B. gemietet. Auf eine Mietzins- und Räumungsklage des Gläubigers veranlasste das Friedensgericht des Kantons Eupen eine Ladung der Schuldner für den 6.9.2000. Diese Ladung erfolgte am 24.7.2000, und zwar in einer in B. in Mietsachen möglichen vereinfachten Form einer Zustellung per Einschreiben. Bei beiden Schuldnern sind auf dem zu den belgischen Gerichtsakten gelangten Rückschein die Formularalternativen dazu, wem der Gerichtsbrief übergeben wurde (Adressat; Bevollmächtigter; mit Adressaten verwandte oder verschwägerte Person; Untergebener oder Dienstbote; Polizeikommissar oder Bürgermeister pp.), von dem Postbeamten nicht ausgefüllt worden. Die Rubrik für das Empfangsbekenntnis ist von einer Person namens „St.”, dem Nachnamen der Schuldner, unterzeichnet worden, und zwar soll es sich jeweils nach der eingekreisten Formularalternative um eine Unterschrift „des Bevollmächtigten” gehandelt haben.

Nachdem die Schuldner in der Sitzung vom 6.9.2000 säumig geblieben waren, erging an diesem Tag ein Urteil, in dem die Schuldner zur Räumung des Mietobjekts, zur Zahlung rückständiger Miete von 167.065 FB nebst gesetzlichen Zinsen ab Fälligkeit, einer Wiedervermietungsentschädigung von 100.239 FB und laufender Nutzungsentschädigung bis zur Räumung verurteilt wurden. Dieses Urteil wurde dem Schuldner zu 2) am 20.9.2000 in B. und der Schuldnerin zu 1. am 11.10.2000 unter einer Anschrift in A., unter der sie auch jetzt noch wohnt, zugestellt, und zwar persönlich übergeben. Ein Rechtsmittel wurde nicht eingelegt und das Friedensgericht des Kantons Eupen erteilte am 28.11.2000 dem Gläubiger eine Rechtskraftbescheinigung.

Auf Antrag des Gläubigers hat der Vorsitzende der 8. Zivilkammer des LG Aachen das Urteil des Friedensgerichts des Kantons Eupen wegen der hierin titulierten Zahlungsansprüche für vollstreckbar erklärt. Mit der hiergegen eingelegten Beschwerde macht die Schuldnerin zu 1) geltend, dass sie die Ladung zum 6.9.2000 nicht erhalten habe. Sie habe sich bereits im Februar 2000 von ihrem Ehemann, dem Schuldner zu 2), getrennt und wohne seitdem in A..

II. Die Beschwerde der Schuldnerin zu 1. gegen die Zulassung der Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Friedensgerichts des Kantons Eupen vom 6.9.2000 ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden (Art. 36 Abs. 1, Art. 37 EuGVÜ i.V.m. §§ 11, 12 Abs. 1 AVAG). In der Sache hat sie indes keinen Erfolg.

Die gegen die Schuldnerin zu 1. gerichtete Vollstreckung aus dem Urteil des Friedensgerichts ist mit den Konkretisierungen, die sich aus dem Tenor dieses Beschlusses ergeben, zuzulassen.

1. Die Schuldnerin zu 1) beruft sich allerdings mit Recht darauf, dass ihr das verfahrenseinleitende Schriftstück nicht ordnungsgemäß zugestellt worden ist (Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ).

Bei dem Urteil des Friedensgerichts des Kantons Eupen vom 6.9.2000 handelt es sich um eine im Versäumniswege ergangene Entscheidung, die zur Anwendung des Art. 27 ...

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