Leitsatz (amtlich)

1. Eine vom Schuldner einer Werklohnforderung durch formularmäßige Verwendung eines Vordrucks (für ein sog. Verhandlungsprotokoll) ausbedungene Zahlungsfrist von 90 Tagen verstößt gegen das gesetzliche Leitbild aus § 286 Abs. 3 BGB und ist daher gem. § 307 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam. Dies folgt aus einer Wertung, die sich an der EG-Richtlinie 2000/35/EG zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr und den hiermit verfolgten Schutzzwecken orientiert. Dies ergibt sich ferner aus den Grundsätzen, die in Rechtsprechung und Literatur zur Verlängerung der zweimonatigen Prüfungsfrist aus § 16 Nr. 3 Abs. 1 VOB/B entwickelt worden sind.

2. Die Unwirksamkeit der Fälligkeitsklausel bewirkt, dass die gesetzliche Regelung des § 286 Abs. 3 BGB an die Stelle der vertraglichen Regelung tritt.

3. Ein Schuldner, der erst nach Ablauf der gesetzlichen Verzugsregelung aus § 286 Abs. 3 BGB zahlt, gibt dem Gläubiger Veranlassung zur Klage (§§ 91a, 93 ZPO).

 

Normenkette

BGB §§ 286, 307; VOB/B § 16

 

Verfahrensgang

LG Köln (Beschluss vom 28.11.2005; Aktenzeichen 4 O 405/05)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird Beschluss der 4. Zivilkammer des LG Köln vom 28.11.2005 - 4 O 405/05 - abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt, die auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen hat.

 

Gründe

Das Rechtsmittel des Klägers gegen den Kostenbeschluss des LG ist gem. § 91a Abs. 2 S. 1 ZPO statthaft und unterliegt auch im Übrigen keinen Zulässigkeitsbedenken. Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg. Die Kosten des Rechtsstreits sind gem. §§ 91a Abs. 1, 92 Abs. 2 ZPO von der Beklagten zu tragen.

Das LG ist rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, dass die Beklagte den geschuldeten Werklohn rechtzeitig gezahlt hat. Die Beklagte hat vielmehr wegen Zahlungsverzugs Veranlassung zur Klage gegeben. Die Annahme rechtzeitiger Zahlung lässt sich insb. nicht auf die Fälligkeitsbestimmungen in Ziff. 9) des dem Vertrag zugrunde liegenden Verhandlungsprotokolls vom 6.5.2003 (Bl. 8 AH) stützen, denn die darin enthaltene Regelung, wonach alle Zahlungen innerhalb von 90 Tagen zu erfolgen haben, hat zum Nachteil des Gläubigers (des Klägers) eine unangemessene Benachteilung i.S.v. § 307 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 BGB bewirkt.

Die Regelungen in Ziff. 9) des Verhandlungsprotokolls sind Allgemeine Geschäftsbedingungen i.S.v. §§ 305 ff. BGB. Nach dem unstreitigen Sachverhalt handelt es sich bei dem Verhandlungsprotokoll um formularmäßig niedergelegte Vertragsbedingungen, deren sich die damalige Auftraggeberin bediente. Für eine individuelle Aushandlung der Fälligkeitsregelungen (§ 305 Abs. 1 S. 3 BGB) ist nichts Konkretes dargetan worden. Die Formulierung am Ende des Verhandlungsprotokolls, wonach der gesamte Wortlaut "besprochen" worden sein soll, besagt nichts dazu, dass die fragliche Klausel ernsthaft zur Disposition gestanden hat (zu diesem Erfordernis vgl. nur: Palandt/Heinrichs, BGB, 65. Aufl., § 305 Rz. 21, m.w.N.). Sie reicht in ihrer Allgemeinheit auch im Übrigen nicht als (Pauschal-)Beleg für individuelle Absprachen aus.

Die vertragliche Fälligkeitsregelung hält einer Inhaltskontrolle im Rahmen von § 307 Abs. 1 und 2 BGB nicht stand, denn sie weicht im Kern von den gesetzlichen Bestimmungen in § 286 Abs. 3 BGB ab. Nach dieser Vorschrift kommt der Schuldner einer Entgeltforderung spätestens dann in Verzug, wenn er nicht innerhalb von dreißig Tagen nach Fälligkeit und Zugang einer Rechnung oder gleichwertigen Aufstellung zahlt. Dies gilt im unternehmerischen Bereich (§ 14 BGB), wie er auch hier vorgegeben ist, selbst ohne entsprechenden Hinweis in der Rechnung oder Zahlungsaufstellung. Gemäß § 286 Abs. 3 S. 2 BGB tritt der Verzug im unternehmerischen Bereich spätestens 30 Tage nach Fälligkeit und Empfang der Gegenleistung ein, wenn der Zeitpunkt des Zugangs von Rechnung oder Zahlungsaufstellung unsicher ist. Die hier zugrunde liegenden Vertragsbedingungen weichen ganz erheblich von den gesetzlichen Vorgaben ab, indem sie das Zahlungsziel zeitlich um das Dreifache der gesetzlichen Verzugsfrist hinausgeschoben haben. Dies ist unwirksam.

Zwar handelt es sich bei der Vorschrift des § 286 Abs. 3 BGB grundsätzlich um dispositives Recht (vgl. Ernst in MünchKomm/BGB, 4. Aufl., § 286 Rz. 15 f. [91]). Abweichungen, die durch AGB geregelt werden, unterliegen aber der allgemeinen Inhaltskontrolle nach § 307 BGB, innerhalb deren maßgeblich dem Umstand Rechnung zu tragen ist, dass die in § 286 Abs. 3 BGB enthaltenen Regelungen ganz bestimmte Schutzzwecke zugunsten kleinerer und mittlerer Unternehmer verfolgen, wie sie der EG-Richtlinie vom 29.6.2000 (Richtlinie 2000/35/EG zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr, NJW 2001, 132) zugrunde gelegen haben (vgl. Ernst in MünchKomm/BGB, 4. Aufl., § 286 Rz. 15 f. [91]; Palandt/Heinrichs, BGB, 65. Aufl., § 286 Rz. 31). Einer gesetzes- und richtlinienkonformen Wertung hält die vertragliche Regelung nicht stand.

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