Leitsatz (amtlich)

Die Beiordnung eines Rechtsanwaltes als Vertreter des Pflichtverteidigers ist zulässig, die Gebühren entstehen aber insgesamt nur einmal in der Person des Vertretenen.

 

Tenor

  • 1.

    Auf die weitere Beschwerde des Bezirksrevisors werden die Beschlüsse der 2. Strafkammer - Jugendkammer - des Landgerichts Koblenz vom 21. August 2012 und des Amtsgerichts Sinzig vom 5. Juli 2012 und 11. Juli 2012 aufgehoben.

  • 2.

    Der Antrag der Rechtsanwältin A. aus Bonn vom 31. Januar 2012 auf Festsetzung von Gebühren und Auslagen wird zu- rückgewiesen.

  • 3.

    Das Verfahren ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

I.

Die Staatsanwaltschaft Koblenz erhob unter dem 15. März 2011 gegen den Ange- klagten pp., und weitere Personen zum Amtsgericht Sinzig Anklage wegen gefährlicher Körperverletzung. Die Hauptverhandlung begann am 25. Juli 2011. Am 6. Dezember 2011 ordnete das Amtsgericht dem Angeklagten Rechtsanwalt S. in Bonn als Pflichtverteidiger bei. Da Rechtsanwalt S. an dem Hauptverhandlungstermin am 26. Januar 2012 aufgrund einer Terminskollision nicht teilnehmen konnte, beantragte die bei Gericht erschienene Rechtsanwältin A.in Bonn ihre Beiordnung "für den heutigen Hauptverhandlungstermin". Der Angeklagte wurde von Seiten des Gerichts befragt, ob er mit einer Beiordnung "des Vertreters" für diesen Hauptverhandlungstermin einverstanden sei. Er bejahte dies. Daraufhin wurde ihm Rechtsanwältin A. "für den Termin am 26. Januar 2012" als Pflichtverteidigerin beigeordnet.

Am 31. Januar 2012 beantragte Rechtsanwältin A. die Festsetzung von Gebühren und Auslagen gegen die Staatskasse in Höhe von insgesamt 844,19EUR. Im Einzelnen handelte es sich um folgende Beträge:

Grundgebühr (Nr. 4100 VV) 132,00EUR

Verfahrensgebühr (Nr. 4106 W) 112,00EUR

Terminsgebühr (Nr. 4108 VV) 184,00EUR

Terminsgebühr/Zusatzgebühr für mehr als 8 184,00 EUR

Stunden Hauptverhandlung (Nr. 4111 VV)

Geschäftsreise, Benutzung des eigenen Kfz 17,40 EUR

(Nr. 7003 VV), 58 km

Geschäftsreise, Tage- und Abwesenheitsgeld für mehr als 8 Stunden (Nr. 7005 Nr. 3 VV) 60,00 EUR

Post- u. Telekomm.-Entgelt (Nr. 7002 VV) 20,00 EUR

709,40 EUR

zzgl. 19% MWSt 134,79 EUR

gesamt 844,19EUR

Am 3. Mai 2012 verfügte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des Amtsgerichts Sinzig die Auszahlung des Betrages an die Rechtsanwältin. Nach Beanstandung durch den Bezirksrevisor des Landgerichts Koblenz erbat sie unter dem 5. Juni 2012 jedoch die Rücküberweisung eines Differenzbetrages in Höhe von 290,26 EUR. Festsetzungsfähig gewesen seien nämlich nur 553,93 EUR. Sowohl die geltend gemachte Grundgebühr als auch die Verfahrensgebühr seien (unter Hinweis auf den Beschluss des Oberlandesgerichts Saarbrücken vom 29. Juli 2010 - 1 Ws 82/10 -) fälschlicherweise angewiesen worden. Nachdem Rechtsanwältin A. zur Rückzahlung keine Veranlassung gesehen hatte, setzte die Urkundsbeamtin die der Rechtsanwältin aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen mit Beschluss vom 5. Juli 2012 auf 553,83 EUR fest. Gegen die Entscheidung legte Rechtsanwältin A. unter dem 9. Juli 2012 Erinnerung ein, der die Urkundsbeamtin am 10. Juli 2012 nicht abhalf. Mit Beschluss vom 11. Juli 2012 verwarf die zuständige Abteilungsrichterin des Amtsgerichts Sinzig die Erinnerung als unbegründet. Unter dem 17. Juli 2012 legte Rechtsanwältin A. hiergegen Beschwerde ein, der das Amtsgericht am 1. August 2012 nicht abhalf.

Nach Übertragung der Verfahrens auf die Kammer hat die Jugendkammer des Landgerichts Koblenz mit der angefochtenen Entscheidung die Beschlüsse des Amtsgerichts Sinzig vom 5. Juli 2012 und 11. Juli 2012 aufgehoben und die an Rechtsanwältin A. aus der Landeskasse zu zahlende Vergütung auf 710,91 EUR festgesetzt. Im Übrigen hat sie die Beschwerde als unbegründet zurückgewiesen und die weitere Beschwerde zugelassen.

Nach Auffassung der Strafkammer habe Rechtsanwältin A. nicht lediglich als bloße Vertreterin von Rechtsanwalt S. agiert. Sie habe vielmehr eine "umfassende, eigenverantwortliche und inhaltlich unbeschränkte Beistandsleistung als Verteidigerin entfaltet, die nach ihrer Bedeutung und dem tatsächlich geleisteten Aufwand einer Terminswahrnehmung durch den ordentlichen Pflichtverteidiger gleichsteht". Neben der Terminsgebühr stehe ihr deshalb auch die geltend gemachte Grundgebühr zu. Die Verfahrensgebühr habe ihre Tätigkeit indes nicht ausgelöst. Denn da die zur Wahrnehmung des Termins am 26. Januar 2012 erforderliche Vorbereitung mit der ersten Einarbeitung in die Sache zusammengefallen sei, sei sie durch die Grundgebühr mitabgegolten. Die im Übrigen geltend gemachten Gebühren seien nicht zu beanstanden.

Am 28. August 2012 hat der Bezirksrevisor gegen den Kammerbeschluss weitere Beschwerde eingelegt und beantragt,

die Festsetzung der Urkundsbeamtin vom 5. Juli 2012 zu bestätigen.

II.

Die weitere Beschwerde ist zulässig (§§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 6 RVG). Der Senat entscheidet darüber, unabhängig von einer Übertragung der Sache durch den Einzelrichter, in der Besetzung mit drei Richtern, da auch der angefocht...

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