Leitsatz (amtlich)

1. Zur Abgrenzung zwischen § 1628 BGB und § 1671 Abs. 1 BGB.

2. Das Aufenthaltsbestimmungsrecht für ein Kind kann einem umzugswilligen Elternteil auch in der Art übertragen werden, dass er dieses erst ab dem Zeitpunkt zur alleinigen Ausübung erhält, zu welchem das Kind die Grundschule beendet hat, und es bis dahin beim - einen Umzug verhindernden - gemeinsamen Aufenthaltsbestimmungsrecht verbliebt.

 

Normenkette

BGB §§ 1628, 1671 Abs. 1

 

Tenor

  • 1. Auf die Beschwerde der Kindesmutter wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Mayen vom 16.07.2018 in Ziff. 1 seines Tenors abgeändert und wie folgt neu gefasst:

    Das Aufenthaltsbestimmungsrecht für das Kind T., geboren am ... 2009, wird der Kindesmutter ab dem 01.07.2019 allein übertragen.

    Im Übrigen werden die Anträge der Kindeseltern zurückgewiesen.

  • 2. Die weitergehende Beschwerde der Kindesmutter wird zurückgewiesen.
  • 3. Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Kindeseltern zu je 1/2. Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.
  • 4. Der Verfahrenswert wird für das Beschwerdeverfahren auf 3.000 EUR festgesetzt.
 

Gründe

I. Die beteiligten, seit Ende 2017 rechtskräftig geschiedenen Kindeseltern streiten im vorliegenden Beschwerdeverfahren noch um das Aufenthaltsbestimmungsrecht für ihren neunjährigen Sohn T. Während dieser im Haushalt seiner Mutter lebt, wohnt sein sechzehnjähriger Bruder beim Kindesvater zusammen mit dessen neuer Lebensgefährtin und deren vier Kindern. Hintergrund des Streits über den gewöhnlichen Aufenthalt von T. ist der Wunsch der Kindesmutter, mit T. zu ihrem Freund in das reichlich 200 km entfernte D. zu ziehen. Der Kindesvater ist der Ansicht, dass der Umzug dem Wohl von T. widerspreche. Er hat sich daher an das Familiengericht gewandt und die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf sich beantragt. Dem ist die Kindesmutter mit einem gleichlautenden Gegenantrag entgegen getreten.

Das Familiengericht hat nach Anhörung der Eltern, des Kindes und des Jugendamts dem Antrag des Kindesvaters stattgegeben. Nachdem beide Eltern erziehungsgeeignet seien und das Kind zu beiden Bindungen und Neigungen habe, spreche zwar zunächst der Kontinuitätsgrundsatz für einen Verbleib im Haushalt der Kindesmutter und damit für einen Umzug nach D. Allerdings erfordere die Kontinuität im Hinblick auf das schulische und persönliche Umfeld des Kindes einen Verbleib in seinem bisherigen Wohnumfeld. Zu berücksichtigen sei ferner, dass auch zumindest mittelfristig der Kontakt zwischen Kind und Vater aufgrund der großen Entfernung im Falle eines Umzugs nicht aufrechterhalten werden würde. Vier Stunden Fahrt an einem Wochenende seien für T. nicht praktikabel. Den Angaben des Jungen im Rahmen seiner Anhörung, nach denen er mit seiner Mutter umziehen wolle, könne demgegenüber kein erhebliches Gewicht beigemessen werden. T. könne die Folgen eines Umzugs derzeit noch nicht abschätzen.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Kindesmutter mit ihrer Beschwerde. Sie hält an ihrem erstinstanzlichen Antrag fest und beantragt hilfsweise, ihr die elterliche Sorge für den Bereich "Umzug von K. nach D." zu übertragen. Die Beschwerde rügt, dass das Familiengericht missachtet habe, dass sich beide Eltern einig seien, dass T. seinen gewöhnlichen Aufenthalt bei seiner Mutter haben soll. Allein die Frage des Umzugs stehe im Streit. Damit gehe es im Prinzip um eine Situation nach §§ 1627, 1628 BGB. Überdies habe sich der Kindesvater vor dem Familiengericht selbst damit einverstanden erklärt, dass T. nach Abschluss der Grundschule nach D. umziehen dürfe. Ein Umzug erst nach Abschluss der vierten Klasse sei aber nicht besser als nach Ende des dritten Schuljahrs zu bewerkstelligen. Ganz im Gegenteil würden sich durch ein Zuwarten die sozialen Kontakte des Kindes verfestigen und damit einen Umzug erschweren. Der Kindeswille sei entgegen der Einschätzung des Familiengerichts zu berücksichtigen.

Der Kindesvater verteidigt die angefochtene Entscheidung. Es gehe hier vorrangig darum, T. durch einen Umzug nicht aus seinem sozialen Umfeld zu reißen. In der Tat behindere die Kindesmutter bereits jetzt den Umgang und täusche Krankmeldungen vor, um mehrtägige Aufenthalte mit dem Kind in D. zu ermöglichen. Im Falle eines erfolgreichen Antrags der Kindesmutter sei zu erwarten, dass sie umgehend mit T. umziehe. Daher sei es zwingend erforderlich, dem Kindesvater das Aufenthaltsbestimmungsrecht zu übertragen, um solche Eigenmächtigkeiten zu verhindern. Sein Einverständnis mit einem Umzug nach der vierten Grundschulklasse halte der Kindesvater auch nicht mehr aufrecht, denn T. zeige schon jetzt starke Auffälligkeiten. Der Junge leide erheblich an Verlustängsten, die sich bei Besuchen beim Beschwerdegegner u.a. durch ein Klammern manifestierten. Des Weiteren sei aufgrund negativer Erfahrungen in der Vergangenheit zu befürchten, dass der - aktuell relativ reibungslos verlaufende - Umgang im Falle eines Umzugs einschlafen werde. Bereits jetzt...

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