Leitsatz (amtlich)

1. Weist ein Gericht in der mündlichen Verhandlung auf die Unschlüssigkeit des geltend gemachten Anspruchs hin, gewährt zu dem Hinweis einen Schriftsatznachlass und bestimmt zugleich Verkündungstermin, darf es den Anspruch nicht ohne einen zuvor erfolgten nochmaligen Hinweis auf die fortbestehende Unschlüssigkeit abweisen, wenn es nach Eingang des nachgelassenen Schriftsatzes im Hinblick auf diesen die mündliche wiedereröffnet hatte.

2. Dies gilt auch dann, wenn die Gegenseite auf den nachgelassenen Schriftsatz die fortbestehende Unschlüssigkeit moniert hatte (Abgrenzung zu: BGH NJW-RR 2008, 581).

 

Normenkette

FamFG § 113 Abs. 1; GG Art. 20 Abs. 3, Art. 103 Abs. 1; ZPO § 139 Abs. 2

 

Verfahrensgang

AG Andernach (Aktenzeichen 70 F 490/17)

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Antragstellerin werden der Teilbeschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Andernach vom 04.05.2021, Az. 70 F 490/17, und das diesem zugrundeliegende Verfahren insoweit aufgehoben, als der Antrag auf Zahlung eines Zugewinnausgleichs in Höhe von 460.000,00 EUR nebst Zinsen zurückgewiesen wurde.

Insoweit wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens, an das Amtsgericht - Familiengericht - Andernach zurückverwiesen.

2. Der Verfahrenswert wird für das Beschwerdeverfahren auf 460.000,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Beteiligten streiten - soweit für das vorliegende Beschwerdeverfahren von Bedeutung - um Zugewinnausgleichsansprüche aus übergegangenem Recht.

Die Antragstellerin ist die aus erster Ehe stammende Tochter des A. W. F. - zukünftig als Erblasser bezeichnet. Sie und ihre ebenfalls aus erster Ehe des Erblassers stammende Schwester sind dessen alleinige testamentarische Erben. Die Antragsgegnerin ist die Alleinerbin der am 04.05.1966 geehelichten zweiten Ehefrau des Erblassers, Frau H. F. - zukünftig als Erblasserin bezeichnet. Zwischen dem Erblasser und der Erblasserin war seit 16.02.2016 ein Scheidungsverfahren rechtshängig. Dieses endete mit dem Tod der Erblasserin am 18.10.2016. Der Erblasser selbst starb am 31.01.2017.

Nach wechselseitiger Auskunftserteilung hat die Antragstellerin den hier durch Leistung an die Erbengemeinschaft eingeforderten Zugewinnausgleichsanspruch mit 435.702,77 EUR berechnet und in Höhe von 460.000,00 EUR nebst Zinsen geltend gemacht. Die Antragsgegnerin hat einen solchen in der begehrten Höhe in Abrede gestellt und im Übrigen bereits als nicht schlüssig dargetan angesehen. Dem ist das Familiengericht gefolgt, nachdem es zunächst im Termin am 25.09.2020 auf eine bislang nicht schlüssige Berechnung eines Zugewinnausgleichsanspruchs hingewiesen und auf zu diesem Hinweis nachgelassenen Vortrag der Antragstellerin im Schriftsatz vom 13.10.2020 die mündliche Verhandlung mit Beschluss vom 06.11.2020 wiedereröffnet hatte. Das Familiengericht moniert, dass die Antragstellerin einen Betrag von 460.000,00 EUR begehre, während ihre Berechnung mit einer Ausgleichsforderung von lediglich 435.702,77 EUR ende. Soweit dies damit begründet werde, dass das Anfangsvermögen der Erblasserin um 50.000,00 EUR zu hoch angesetzt sei, fehle es an einer nachvollziehbaren Darstellung. Darüber hinaus sieht das Familiengericht die Werte des Grundvermögens des Erblassers im Anfangs- und Endvermögen mangels konkreter Angaben zu deren Ermittlung und den Wert des im Anfangsvermögen des Erblassers aufgeführten landwirtschaftlichen Betriebs mangels Angabe der wertbildenden Faktoren als unschlüssig an. Gleiches gelte für die Positionen "9. Landwirtschaftliche Geräte" und "10. Persönliche Gegenstände" im Endvermögen des Erblassers, nachdem nicht einmal ersichtlich sei, welche Dinge hier im Einzelnen in Ansatz gebracht worden seien.

Gegen diese, ihr am 04.05.2021 zugestellte Entscheidung wendet sich die Antragstellerin mit ihrer am 31.05.2021 eingelegten und zugleich begründeten Beschwerde. Sie rügt einen Verfahrensmangel in Form einer Überraschungsentscheidung. Das Familiengericht habe hier konkret in einem Hinweis aufzeigen müssen, wo es Schlüssigkeitsprobleme sehe. Darüber hinaus habe die Antragstellerin jedoch auch zu den in der angefochtenen Entscheidung vom Familiengericht als unschlüssig angesehenen Punkten ausreichend vorgetragen. Noch im Termin am 20.04.2018 sei das Familiengericht vom Bestand einer Zugewinnausgleichsforderung ausgegangen und habe die Einholung von Sachverständigenbeweis angekündigt. Sodann trägt die Beschwerde zum Grundvermögen des Erblassers, zu dessen landwirtschaftlichen Betrieb im Anfangsvermögen, zu den landwirtschaftlichen Geräten und den persönlichen Gegenständen des Erblassers im Endvermögen sowie zum Anfangsvermögen der Erblasserin unter Einreichung von Unterlagen weiter vor.

Die Antragstellerin beantragt,

1. den angefochtenen Beschluss im Hinblick auf den Antrag auf Zahlung von Zugewinnausgleich aufzuheben und das Verfahren an die erste Instanz zurückzuverweisen,

2. unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses die Antragsgegnerin zu verpflichten, ...

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