Leitsatz (amtlich)

1. Zur Erforderlichkeit einer Sanierung nach § 4 Abs. 3 BBodSchG, wenn schadstoffbelastetes Grundwasser in einen Badesee einfließt.

2. Im Rahmen des § 4 Abs. 3 BBodSchG bleibt der Grundstückseigentümer, von dessen Boden aus Schadstoffe ins Grundwasser gelangt sind, auch dann sanierungspflichtig, wenn die Schadstofffahne sich aus dem räumlichen Bereich seines Grundstücks entfernt hat (Anschluss OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 09.09.2005 - 11 S 13.05, juris; Ablehnung OLG Düsseldorf, Urt. v. 11.12.2013 - 18 U 95/11, juris). Das gilt zumindest dann, wenn er bereits zum Zeitpunkt des Schadstoffeintrags Eigentümer war oder er das Eigentum später in Kenntnis der Belastung erworben hat.

3. Die (sekundäre) zivilrechtliche Ausgleichspflicht nach § 24 Abs. 2 BBodSchG kann nicht weiter reichen als die (primäre) bodenschutzrechtliche Sanierungspflicht. Der Anspruchsgegner schuldet dementsprechend einen Kostenausgleich nur, soweit ihn die Ordnungsbehörde zur Sanierung hätte heranziehen können. Entfallen hingegen abgrenzbare Teile der Sanierungsmaßnahme auf Verunreinigungen, für die sich ein Verursachungsbeitrag des Anspruchsgegners nicht feststellen lässt, haftet er für diesen Teil nicht.

4. Im Rahmen des Ausgleichsanspruchs nach § 24 Abs. 2 BBodSchG muss der Anspruchsteller nur die Haftung des Anspruchsgegners dem Grunde nach beweisen, nicht auch die genaue Höhe von dessen Verursachungsbeitrag. Steht für beide Seiten die Verantwortlichkeit dem Grunde nach fest, so haften beide im Ausgangspunkt zu gleichen Teilen, und jede Seite trägt die Beweislast für einen überwiegenden Verursachungsbeitrag der anderen Seite.

 

Normenkette

BBodSchG § 4 Abs. 3, § 24 Abs. 2; WHG § 62 Abs. 3

 

Verfahrensgang

LG Heidelberg (Urteil vom 02.09.2014; Aktenzeichen 2 O 345/10)

 

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des LG Heidelberg vom 02.09.2014 - 2 O 345/10 - wird hinsichtlich des Zahlungsantrags zu 1. in Höhe eines Betrags von 59.769,80 EUR als unzulässig verworfen.

II. Auf die verbleibende Berufung der Klägerin sowie auf die Anschlussberufung der Beklagten wird das angefochtene Urteil im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen teilweise abgeändert:

1. Die Klage ist im verbleibenden Zahlungsantrag zu 1. (nach Abzug des Betrags von 59.769,80 EUR, oben zu I.) dem Grunde nach insoweit gerechtfertigt, als die geltend gemachten Sanierungskosten auf die Sanierung bis zu einer Tiefe von 20 m entfallen.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin weitere erforderliche Aufwendungen im Zusammenhang mit der Sanierung der LHKW-Abstromfahne in W. Sanierungsabschnitt "See" (südlich des Badesees) aus dem Oberen Grundwasserleiter (OGWL-Sanierungskosten), die der Klägerin durch die weiter durchzuführende Sanierung noch entstehen, in Höhe von 50 % zu ersetzen, soweit diese Sanierungskosten auf die Sanierung bis zu einer Tiefe von 20 m entfallen.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen; hinsichtlich des Zahlungsantrags zu 1. gilt das, soweit der Anspruchsgrund betroffen ist.

III. Im Übrigen werden Berufung und Anschlussberufung zurückgewiesen, hinsichtlich des Zahlungsantrags zu 1. jedoch nur insoweit, als der Anspruchsgrund betroffen ist.

IV. Die Kostenentscheidung bleibt dem Endurteil vorbehalten.

V. Die Revision wird zugunsten der Beklagten zu 2 bis 8 zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin verlangt von den Beklagten anteiligen Ausgleich für die Beseitigung von Grundwasserverunreinigungen.

Die Klägerin ist eine Gemeinde. Auf ihrem Gebiet wurde eine Verunreinigung des Grundwassers mit gesundheitsgefährdenden Schadstoffen festgestellt. Dabei handelt es sich um leicht flüchtige, halogenierte Kohlenwasserstoffe (LHKW), insbesondere die Chemikalie PER (Tetrachlorethen, auch als Perchlorethylen oder PCE bezeichnet) sowie dessen Abbauprodukt TRI (Trichlorethylen oder TCE) und das im weiteren Abbauprozess entstehende CIS (CIS-1,2-Dichlorethen oder c-DCE). Werden diese Schadstoffe über den Boden eingetragen, können sie sich im Grundwasser lösen, werden dann mit dem Grundwasserfluss aus einem kontaminierten Bereich transportiert und bilden im Abstrom eine so genannte Schadstoff-"Fahne". Die Schadstofffahne kann auch vertikal in tiefere Grundwasserleiter absinken, etwa vom oberflächennahen oberen Grundwasserleiter (OGWL) in den tiefer gelegenen mittleren Grundwasserleiter (MGWL).

Auf dem Gebiet der Klägerin befindet sich das so genannte T.-Gelände. Dort wurde von den T.-Werken - einem metallverarbeitenden Betrieb, der 1995 Insolvenz anmeldete - seit den 1950er Jahren bis 1984 in großem Umfang TRI, aber auch PER eingesetzt. 1982 wurden im Boden des Betriebsgeländes LHKW festgestellt. 1985 erwarb die Klägerin das Gelände. Ab 1989 verkaufte sie es im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus teilweise an Privatpersonen, ist aber nach wie vor Eigentümerin eines Teils des Geländes. Nachdem im Bereich des T.-Geländes CIS auch im Grundwasser gemessen worden war, führte die Klägerin auf dem Gelände von 1989 bis 2004 eine...

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