Verfahrensgang

LG Karlsruhe (Beschluss vom 04.07.2005; Aktenzeichen 8 O 607/04)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 13.04.2007; Aktenzeichen II ZB 10/06)

 

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des LG Karlsruhe vom 4.7.2005 - 8 O 607/04 - abgeändert wie folgt:

Aufgrund des Beschlusses des LG Karlsruhe vom 24.3.2005 sind an Kosten zu erstatten: 1.030 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 14.4.2005 von dem Kläger an die Beklagte.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

3. Der Beschwerdewert wird auf 412 EUR festgesetzt.

4. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger begehrte im vorliegenden Verfahren von der Beklagten Zahlung von 8.000 EUR nebst Zinsen. Im Protokoll der mündlichen Verhandlung wird festgestellt, dass nach ausgiebiger Erörterung des Sach- und Streitstandes der Beklagtenvertreter erklärt: "Für den Fall, dass der Kläger seine Klage zurücknehmen sollte, ist die Beklagte bereit, an ihn außergerichtlich weitere Euro 1.000 zu bezahlen." Im Anschluss daran ist die Klagerücknahme durch den Klägervertreter protokolliert. Mit Gerichtsbeschluss sind dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits nach der Klagerücknahme auferlegt worden.

Die Beklagte begehrt in ihrem Kostenfestsetzungsantrag die Festsetzung einer Einigungsgebühr, die die Rechtspflegerin mit Beschluss vom 4.7.2005 festsetzte, da es sich um eine vereinbarte Klagerücknahme handele.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die sofortige Beschwerde des Klägers, der den Anfall einer Einigungsgebühr bestreitet, da ein Vertrag oder eine Vereinbarung nicht zustande gekommen sei, ausschlaggebend für die Rücknahme seien die gerichtlichen Erörterungen der Erfolgsaussichten gewesen, es liege ein konkludenter Verzicht auf Erstattung von Vergleichskosten vor, der Kläger habe die außergerichtliche Zahlung nur ausgelobt.

Die Beklagte ist der Beschwerde entgegengetreten. Das LG hat ihr mit Beschluss vom 26.9.2005 nicht abgeholfen.

II.1. Das zulässige Rechtsmittel hat in der Sache Erfolg. Der Beklagten ist zu Unrecht eine Einigungsgebühr gem. Ziff. 1000, 1003 RVG-VV zuerkannt worden. Die Festsetzung einer Einigungsgebühr erfordert nämlich die Protokollierung einer Vereinbarung entsprechend §§ 160 Abs. 3 Ziff. 1, 162 Abs. 1 ZPO (OLG Nürnberg, Anwaltsblatt 2006, 145 f.). Dass aus dieser Vereinbarung eine Zwangsvollstreckung stattfinden kann, ist nicht erforderlich (vgl. OLG Koblenz FamRZ 2001, 737 f.). Eine protokollierte Vereinbarung liegt nicht vor.

a) Entgegen der Auffassung des Klägers ist eine Vereinbarung im Sinne von Ziff. 1000 RVG-VV von den Parteien hier getroffen worden. Das Angebot des Klägers zur außergerichtlichen Zahlung von 1000 EUR bei Klagerücknahme stellt mangels öffentlicher Bekanntmachung keine Auslobung i.S.v. § 657 BGB dar (vgl. Seiler in MünchKomm/BGB, 4. Aufl., § 657 Rz. 12; Palandt/Sprau, BGB, 65. Aufl., § 657 Rz. 3), sondern einen annahmebedürftigen Vertragsantrag, den der Kläger durch die umgehende Rücknahme der Klage konklu-dent angenommen hat.

b) Nach der Rechtsprechung des BGH zu § 23 BRAGO zur Entstehung einer Vergleichsgebühr genügte eine derartige Vereinbarung nicht, um den Anfall einer Vergleichsgebühr zu begründen. Danach erforderte die Festsetzung einer anwaltlichen Vergleichsgebühr im Kostenfestsetzungsverfahren, dass die Parteien einen als Vollstreckungstitel tauglichen Vergleich nach § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO haben protokollieren lassen (BGH v. 26.9.2002 - III ZB 22/02, BGHReport 2003, 96 = MDR 2002, 1395 = NJW 2002, 3713 f.). Zur Begründung führte der BGH aus, die Festsetzung der von der unterlegenen an die obsiegende Partei zu erstattende Kosten in dem dafür vorgesehenen Verfahren nach §§ 103, 104 ZPO erfordere - schon im Interesse der Rechtssicherheit - klare praktikable Berechnungsgrundlagen. Dies gelte auch und gerade für die zur Festsetzung angemeldeten Anwaltsgebühren. Bei einer Streitbeilegung, bei der es nicht zur Protokollierung eines gerichtlichen Vergleichs komme, sondern die durch einseitige Prozesshandlungen der Parteien erreicht werde, liege es oftmals nicht klar zu Tage, ob die gewählte Handlungsform auf einem Konsens beruht, der die Voraussetzung eines materiellrechtlichen Vergleichs i.S.d. § 779 BGB erfülle. Dementsprechend müsse die Klärung dieser nicht immer einfach zu beantwortenden Rechtsfrage der Interpretation des Kostenbeamten vorbehalten bleiben, was zur Folge hätte, dass das Kostenrisiko von prozessleitenden Entscheidungen der Parteien, die auf Gesprächen vor Gericht beruhten, letztlich im Ungewissen läge. Dies würde dem berechtigten und schutzwürdigen Interesse derjenigen Partei, die sich zur Kostenübernahme bereit erklärt habe, zuwider laufen, den Umfang der sie treffenden Last zuverlässig abschätzen zu können.

Das OLG Koblenz hat sich für eine Entscheidung in Familiensachen dieser Rechtsprechung angeschlossen, sie allerdings nachvollziehbar dahingehend eingeschränkt, dass bei Beendigung des Prozesses durch einver...

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