Leitsatz (amtlich)

1. Ist im Grundbuchverfahren darüber zu entscheiden, ob die Eintragung eines Eigentumswechsels aufgrund einer Verfügung des Vorerben vorzunehmen ist, ist dem Nacherben, nicht aber etwaigen Ersatznacherben rechtliches Gehör zu gewähren.

2. Verfügt ein Vorerbe über ein Grundstück unter Zugrundelegung eines von einem Gutachterausschuss mitgeteilten Quadratmeterpreises, spricht dies zunächst gegen eine teilweise Unentgeltlichkeit seiner Verfügung. Aus dem Grundbuch ersichtliche frühere höhere Grundschulden stehen dem nicht zwingend entgegen, wenn diese auch damit erklärbar sind, dass das Grundstück nicht das einzige Sicherungsmittel für die gesicherte Forderung war.

 

Normenkette

GBO § 29 Abs. 1, § 71 Abs. 1; BGB § 2113 Abs. 1, § 2136

 

Verfahrensgang

AG Mannheim (Beschluss vom 01.06.2015; Aktenzeichen MAN 008 GRG 410/2015)

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1 wird der Zurückweisungsbeschluss des AG Mannheim - Grundbuchamt - vom 1.6.2015 - MAN 008 GRG 410/2015 - aufgehoben. Das Grundbuchamt wird angewiesen, die Anträge vom 27.3.2015 nicht aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurückzuweisen.

2. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; Auslagen werden nicht erstattet.

3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Der Beteiligte zu 1, der als befreiter Vorerbe Eigentümer eines Grundstücks ist, wendet sich dagegen, dass sein nach Verkauf gestellter Antrag auf Eintragung eines Eigentümerwechsels und Löschung eines Nacherbenvermerks wegen fehlenden Nachweises der Zustimmung von Nacherben und Ersatznacherben zurückgewiesen worden ist.

Der Beteiligte zu 1 ist - unter Beifügung eines Nacherbenvermerks - seit 1996 als Eigentümer zweier landwirtschaftlich genutzter Flächen in L. mit zusammen 2.500 m2 eingetragen. Dem liegt ein gemeinschaftliches notarielles Testament vom 16.7.1992 zugrunde, in dem der Beteiligte zu 1 von seiner Ehefrau als alleiniger befreiter Vorerbe eingesetzt worden war. Als Nacherbe wurde der Beteiligte zu 3, als Ersatznacherben die Schwester des Ehemanns und die Pflegeeltern der Ehefrau eingesetzt.

Mit Notarvertrag vom 22.1.2015 veräußerte der Beteiligte zu 1 den Grundbesitz für EUR 8.750 - entsprechend EUR 3,50 pro m2 - an den Beteiligten zu 2. Aufgrund einer ihr im Kaufvertrag erteilten Vollmacht bewilligte die Urkundsnotarin am 27.3.2015 den Eigentumsübergang und beantragte eine entsprechende Eintragung unter gleichzeitiger Löschung der Auflassungsvormerkung und des Nacherbenvermerks.

Das Grundbuchamt machte den Vollzug durch Zwischenverfügung vom 31.3.2015 davon abhängig, dass die Zustimmung der Nacherben und Ersatznacherben nachgewiesen oder zumindest deren Anschrift mitgeteilt werde. Es vertrat die Auffassung, die Anhörung dieser Beteiligten sei geboten, weil das Grundbuchamt zu prüfen habe, ob der Vorerbe nicht i.S.v. § 2113 Abs. 2 BGB unentgeltlich verfüge. Vereinbart sei ein Preis von lediglich EUR 3,50 je Quadratmeter; Landwirtschaftsfläche sei aber "in der Regel mehr Wert". Die Geschäftsstelle des Gutachterausschusses der Stadt L. hatte dem Beteiligten zu 1 mit Schreiben vom 10.12.2014 mitgeteilt, dass der Bodenrichtwert mit Stand 31.12.2014 EUR 3,50 je Quadratmeter betrage. Das Grundbuchamt hielt mit einer ergänzenden Zwischenverfügung vom 16.4.2015 an seiner bisherigen Auffassung fest. Im weiteren Verfahrensverlauf hat das Grundbuchamt seine Auffassung, dass eine teilweise unentgeltliche Verfügung vorliegen könne, auch darauf gestützt, dass die landwirtschaftlichen Flächen zeitweise mit einer Grundschuld über EUR 35.790,43 belastet gewesen seien.

Das Grundbuchamt hat den Eintragungsantrag mit Beschluss vom 1.6.2015 zurückgewiesen, weil die Genehmigung des Nacherben bzw. der Ersatznacherben nicht nachgewiesen sei. Dagegen richtet sich die Beschwerde des Beteiligten zu 1. Dieser hat zu der Grundschuld ergänzend vorgetragen, dass der ihnen zugrunde liegende Kredit auch anderweitig gesichert gewesen sei.

Das Grundbuchamt hat der Beschwerde nicht abgeholfen. Es hat ergänzend ausgeführt, dass der Wert der Grundstücke im Jahre 1986 bei einer Schenkung mit DM 18.964 angegeben worden sei. Im Jahre 1987 seien die Grundstücke mit einer Grundschuld über DM 50.000 belastet worden.

Der vom Beschwerdegericht angehörte Nacherbe hat durch an das Beschwerdegericht gerichteten Schriftsatz vom 15.8.2015 mitgeteilt, dass er gegen eine Entscheidung des Gerichts nach Aktenlage keine Einwendungen erhebe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die angefochtene Entscheidung und die Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.

II. Die nach § 71 Abs. 1 GBO zulässige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Das Grundbuchamt hat den Eintragungsantrag zu Unrecht mit der Begründung zurückgewiesen, dass es an der Genehmigung der "Nacherben bzw. der Ersatznacherben" (bzw. deren Erben) fehle.

A. Über die Beschwerde war nach Gewährung rechtlichen Gehörs für den Nacherben, nicht aber für die Ersatznacherben oder - soweit verstorben - deren Erben zu entscheiden.

1. Der...

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