Entscheidungsstichwort (Thema)

Beschränkung. Rechtsmittel. Berufung. Regelbeispiel. besonders schwerer Fall. Gewerbsmäßigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

Zur wirksamen Beschränkung eines Rechtsmittels auf die Rechtsfolgen bei Feststellung eines Regelbeispiels eines besonders schweren Falls (hier Gewerbsmäßigkeit beim Betrug).

1. Die Beschränkung eines Rechtsmittels allein auf die Frage der Strafaussetzung zur Bewährung ist zulässig, sofern keine innere Abhängigkeit von der gesamten Straffrage besteht (BGH, Urteil vom 06. April 1982 - 4 StR 666/81 -, NStZ 1982, 285). Eine solche innere Abhängigkeit liegt - unter anderem - vor, wenn es mangels ausreichender Darlegung der entscheidungserheblichen Strafzumessungsgründe an der Grundlage für eine darauf aufbauende Strafaussetzungsentscheidung fehlt (Senat, Beschluss vom 17.02.1998 - 1 Ss 261/97 -, VRS 95, 225).

2. Die Gewerbsmäßigkeit als Handlungsmotivation im Rahmen der Verwirklichung eines Regelbeispiels ist - anders als äußere Umstände - in der Regel vom Tatgeschehen abtrennbar, ohne die innere Einheit der Urteilsgründe zu gefährden. Die Feststellungen der Tatsachen für die Begründung von Gewerbsmäßigkeit als Regelbeispiel i.S.d. § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 1. Alternative StGB werden deshalb nicht von der Beschränkung eines Rechtsmittels auf die Rechtsfolgen erfasst. Ging das Berufungsgericht gleichwohl von einer Bindungswirkung aus und hat zur Gewerbsmäßigkeit keine eigenen Feststellungen getroffen, ist die Beschränkung der Revision auf die Frage der Strafaussetzung zur Bewährung unwirksam.

 

Normenkette

StPO § 318; StGB § 263 Abs. 3 S. 2 Nr. 1

 

Verfahrensgang

LG Baden-Baden (Entscheidung vom 03.07.2019; Aktenzeichen 6 Ns 206 Js 16257/17)

 

Tenor

  1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Baden-Baden - 6. Strafkammer (Kleine Strafkammer) - vom 03.Juli 2019 (6 Ns 206 Js 16257/17) mit den Feststellungen aufgehoben.
  2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an eine andere Strafkammer des Landgerichts Baden-Baden zurückverwiesen.
 

Gründe

I.

Der Strafrichter des Amtsgerichts Gernsbach (1 Ds 206 Js 16257/17) hat den Angeklagten am 26.03.2019 wegen "Betruges in 3 Fällen sowie wegen Betruges im besonders schweren Fall in weiteren 5 Fällen" zu der Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, weil er im Zeitraum 13.08.2014 bis einschließlich 13.09.2017 für den Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch II vom Jobcenter des Landkreises Rastatt bei insgesamt acht Anträgen auf Fortzahlung bewusst pflichtwidrig erhebliches, seine Bedürftigkeit ausschließendes Einkommen aus selbständiger Tätigkeit verschwiegen hatte, wobei er spätestens ab dem vierten Fortzahlungsantrag am 15.04.2015 in der Absicht gehandelt hatte, sich durch die wiederholte Tatbegehung eine fortlaufende Einnahmequelle von einiger Dauer und einigem Umfang zu verschaffen, wodurch für die Zeit vom 01.08.2014 bis 31.10.2018 Leistungen in Höhe von insgesamt 54.246,95 € zu Unrecht an ihn ausbezahlt worden waren.

Die - auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte - Berufung des Angeklagten verwarf das Landgericht Baden-Baden mit Urteil vom 03.07.2019. Dagegen richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten mit dem Antrag, das Urteil des Landgerichts insoweit aufzuheben, soweit keine Bewährungsstrafe zuerkannt worden sei.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Revision des Angeklagten führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an eine andere Strafkammer des Landgerichts (§§ 349 Abs. 4, 354 Abs. 2 StPO).

1. Der mit dem Urteil des Strafrichters vom 06.09.2018 erfolgte Schuldspruch ist bereits durch die Berufungsbeschränkung des Angeklagten in Rechtskraft erwachsen. Die Wirksamkeit und Reichweite der Berufungsbeschränkung ist vom Revisionsgericht von Amts wegen zu prüfen (Senat, OLG Karlsruhe, Beschluss vom 19. 03.1996 - 1 Ss 157/95 -, NStZ-RR 1997, 5; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 62. Aufl. 2019, § 352 Rn. 4 mwN). Voraussetzung für die Wirksamkeit einer Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch ist, dass die Feststellungen des angefochtenen Urteils so umfassend sind, dass sie den Schuldspruch tragen und eine hinreichende Grundlage für die Beurteilung der Rechtsfolgen bilden (vgl. BGH, Beschluss vom 27. 04. 2017 - 4 StR 547/16 -, NJW 2017, 2482; Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 318 Rn. 16 mwN; KK-StPO/Paul, 8. Aufl. 2019, StPO § 318 Rn. 7a mwN). Dem wird das amtsgerichtliche Urteil gerecht, insbesondere hat es Feststellungen zur Höhe des Schadens jeder einzelnen Tat getroffen (vgl. KG Berlin, Urteil vom 05. 11. 2018 - (2) 161 Ss 33/18 (5/18) -, OLGSt StGB § 263 Nr. 30).

2. Der Revisionsantrag ist unter Berücksichtigung der Revisionsbegründung, die als Ziel der Revision die Aussetzung der Freiheitsstrafe von zwei Jahren angibt, dahin auszulegen, dass - nach der Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch - die Revision des Angeklag...

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