Verfahrensgang

LG Bielefeld (Aktenzeichen 6 O 541/19)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 08.06.2020 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Das klagende Land trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Das klagende Land darf die Vollstreckung der Beklagten wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

A. Die Parteien streiten darüber, ob die beklagte A Bank verpflichtet ist, zugunsten des klagenden Landes eine Löschungsbewilligung für zwei zu ihren Gunsten an einer Immobilie des Sicherungsgebers C (im Folgenden: Sicherungsgeber) bestellte Grundschulden zu erteilen.

Die Beklagte und der Sicherungsgeber unterhalten seit etwa 1993/1994 eine Geschäftsbeziehung. Derzeit führt der Sicherungsgeber bei der Beklagten ein Giro- bzw. Kontokorrentkonto, das als Pfändungsschutzkonto geführt wird. Ein Kreditrahmen ist insoweit nicht eingeräumt. Anfang April 2021 hob der Sicherungsgeber von diesem Konto bei einem Kontostand von 897,42 EUR an einem Geldautomaten in der Türkei 850,00 EUR ab. Nach Abzug der Gebühren für die Benutzung des Geldautomaten in Höhe von 5,00 EUR und der von der vermittelnden Bank berechneten Gebühren in Höhe von 42,42 EUR ergab sich ein Sollsaldo von 3,50 EUR.

Der Sicherungsgeber ist Eigentümer einer Eigentumswohnung in D, E - Str. 00. Zugunsten der Beklagten sind in Abteilung III des Grundbuches unter der lfd. Nr. 3 eine brieflose Grundschuld in Höhe von 95.000,00 DM nebst 15 v.H. Jahreszinsen sowie unter lfd. Nr. 4 eine brieflose Grundschuld in Höhe von 50.000,00 DM nebst 15 v.H. Jahreszinsen eingetragen.

Welche Forderungen der Beklagten durch die Grundschulden ursprünglich gesichert waren, ist nicht bekannt. Jedenfalls gab der Sicherungsgeber unter dem 14.01.1998 eine Zweckerklärung (Anl. K4, Bl. 37 f. d.A.) ab, wonach die Grundschulden "zur Sicherheit für alle bestehenden und künftigen, auch bedingten oder befristeten Forderungen der A Bank gegen den Kreditnehmer aus der bankmäßigen Geschäftsbeziehung" dienen.

In Ziff. "1.6 Freigabe der Sicherheiten" der Zweckerklärung heißt es:

"Sobald die A Bank wegen aller ihrer Ansprüche - auch bedingter oder befristeter - gegen den Kreditnehmer befriedigt ist, ist sie - auf entsprechendes Verlangen - verpflichtet, ihre Rechte aus der/den Grundschulden freizugeben. Sie ist schon vorher auf Verlangen zur Freigabe verpflichtet, soweit sie die Grundschulden nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Kreditsicherung zur Sicherung ihrer Ansprüche nicht mehr benötigt. (...)"

Ziff. 4 der Zweckerklärung enthält den Hinweis, dass ergänzend die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der A Bank Vertragsbestandteil sind und dass diese in den Kassenräumen der A Bank zur Einsichtnahme aushängen.

Nach Ziff. 22 der AGB der Beklagten ist die A Bank auf Verlangen zur Freigabe von Sicherheiten nach ihrer Wahl verpflichtet, soweit der realisierbare Wert aller Sicherheiten den Gesamtbetrag aller Forderungen der A Bank nicht nur vorübergehend um mehr als 10 v.H. übersteigt.

Mit Ausnahme des geringfügigen Sollsaldos auf dem Girokonto bestehen derzeit keine zu sichernden Forderungen der Beklagten gegenüber dem Sicherungsgeber.

Der Sicherungsgeber schuldet dem klagenden Land (im Folgenden: Kläger) Einkommens- und Umsatzsteuern nebst Zinsen in Höhe von 40.586,59 EUR. Über diesen Betrag wurde zugunsten des Klägers am 20.01.2015 in Abt. III unter lfd. Nr. 6 des Grundbuches - damit nachrangig nach den zu Gunsten der Beklagten eingetragenen Grundschulden - eine Zwangssicherungshypothek eingetragen. Bereits zu einem früheren Zeitpunkt, nämlich im Jahr 2002, wurde unter lfd. Nr. 5 eine Zwangssicherungshypothek zugunsten des Klägers in Höhe von 4.447,40 EUR eingetragen.

Wegen diesen Steuerschulden pfändete das Finanzamt F mit Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 14.01.2015, der Beklagten zugestellt am 19.01.2015, alle dem Sicherungsgeber gegenwärtig und künftig gegen die Beklagte zustehenden Ansprüche, Forderungen und Rechte aus der bestehenden Geschäftsbeziehung, insbesondere aus den bei der Beklagten derzeit und künftig geführten Konten (Anl. K9, Bl. 56 d.A.). Am 15.01.2015 erließ das Finanzamt zwei weitere Pfändungs- und Einziehungsverfügungen (Anl. K5 und K6, Bl. 41 f., 45 f. d.A.) gegenüber dem Sicherungsgeber und der Beklagten, die letzterer am 19.01.2015 bzw. 20.01.2015 zugestellt wurden. Hiermit wurden unter anderem der bestrangige Teil der Eigentümergrundschuld, der aus den unter lfd. Nr. 3 und 4 zu Gunsten der Beklagten eingetragenen Grundschuld entstanden ist oder entstehen wird, das Recht des Sicherungsgebers auf Zustimmung zur Löschung aus § 1183 BGB, der Anspruch des Sicherungsgebers auf Rückgewähr oder Teilrückgewähr der unter lfd. Nr. 3 und 4 zugunsten der Beklagten eingetragenen ...

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