Verfahrensgang

LG Essen (Urteil vom 19.11.2003; Aktenzeichen 41 O 97/03)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des LG Essen vom 19.11.2003 abgeändert und die Klage als unzulässig abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Die Kosten der Streithelferin trägt diese selbst.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

A. Die Klägerin ficht diverse Beschlüsse der Hauptversammlung der Beklagten vom 16.5.2003 an, die inhaltlich die Abberufung des alten und Wahl eines neuen Aufsichtsrates betrafen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Feststellungen des angefochtenen Urteils Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Das LG hat mit dem angefochtenen Urteil die Bestätigungsbeschlüsse zu Punkt 3-26 der Tagesordnung für nichtig erklärt. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Bestätigungsbeschlüsse seien nicht wirksam gefasst worden. Es sei streitig, ob der Erstbeschluss mit Stimmenmehrheit gefasst worden sei, weil bislang ungeklärt sei, ob die C. GmbH abstimmungsberechtigt gewesen sei. Dieser Streit könne nicht durch Bestätigungsbeschlüsse geheilt werden und wirke sich auf alle Bestätigungsbeschlüsse aus, die die Klägerin angefochten habe. Weiterhin sei der Grundsatz der Beschlussklarheit verletzt.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten, die sie wie folgt begründet:

Die Klage sei unzulässig, der Klägerin fehle das Rechtsschutzinteresse. Ein Verstoß gegen die Beschlussklarheit sei nicht gegeben. Rechtsfehlerhaft habe das LG zudem die Vorschrift des § 244 S. 1 AktG angewendet, da nicht auf die einzelnen Beschlüsse eingegangen worden sei und die Rügen der Klägerin verfahrensrechtlicher Natur seien, also durch Bestätigung hätten geheilt werden können. Zudem würden die Bestätigungsbeschlüsse zurückwirken.

Die Beklagte beantragt, das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin und die Streithelferin beantragen, die Berufung zurückzuweisen.

Sie meinen, es liege keine ordnungsgemäße Berufungsbegründung nach § 520 Abs. 3 ZPO vor.

Im Übrigen verteidigen sie das angefochtene Urteil. Die Beklagte gebe nicht an, welcher Teil der jeweiligen Beschlüsse von der Nichtigkeit ausgenommen sein solle. Weiterhin habe das LG zutreffend der Klage stattgegeben, insb. ausgeführt, dass die Bestätigungsbeschlüsse lediglich ex nunc wirken würden. Das rechtliche Interesse ergebe sich daraus, dass für die Klägerin und die Aktionäre der Beklagten wesentlich sei, bis wann der Aufsichtsrat aus welchen Mitgliedern zusammengesetzt gewesen sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachvortrags der Parteien wird Bezug genommen auf den Inhalt ihrer zweitinstanzlichen Schriftsätze nebst Anlagen.

B. Die Berufung ist zulässig und begründet.

I. Die Berufung ist ordnungsgemäß begründet.

Die Klage war als unzulässig abzuweisen.

1. Entgegen der Ansicht der Klägerin ist die Berufung nicht wegen Verstoß es gegen die Begründungsvorschrift des § 520 Abs. 3 ZPO unzulässig. Neben den Berufungsanträgen (§ 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 ZPO) enthält die Berufungsbegründung die Darstellung einer Rechtsverletzung i.S.v. § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 ZPO. Die Beklagte rügt die ihrer Meinung nach unzutreffende Klagestattgabe mit der rechtsfehlerhaften Anwendung des § 244 S. 1 AktG und fehlender verfahrensrechtlicher Verstöße bei den Beschlussfassungen in der Hauptversammlung (BGH v. 26.6.2003 - III ZB 71/02, MDR 2003, 1246 = BGHReport 2003, 1031 = NJW 2003, 2532 [2533]; und zu § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 3 und 4 ZPO v. 28.5.2003 - XII ZB 165/02, MDR 2003, 1192 = BGHReport 2003, 968 = NJW 2003, 2531 f.). Einer weiteren Begründung der Berufung nach § 520 Abs. 3 Nr. 3 und 4 ZPO bedurfte es nicht, um den formalen Anforderungen zu genügen. Unerheblich ist, ob der Vortrag der Beklagten zutreffend ist, da es auf die materiell-rechtlichen Erfolgsaussichten der Berufung im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung nach § 520 Abs. 3 ZPO nicht ankommt.

2. Die Berufung ist auch begründet. Der Klägerin fehlt für die vorliegende Klage das Rechtsschutzinteresse, sie ist deshalb unzulässig.

a) Neben den angefochtenen Bestätigungsbeschlüssen hat die Hauptversammlung der Beklagten am 16.5.2003 die ursprünglichen Aufsichtsratsmitglieder Pa., B. und Dr. K. abberufen und die neuen Aufsichtsratsmitglieder Th., Prof. Dr. W. und Po. gewählt, also den Erstbeschluss vom 17.7.2002 wiederholt. Dadurch sind die Abberufungen und die Neuwahl - unstreitig - wirksam erfolgt. Bei dieser Sachlage fehlt der Klägerin das Rechtsschutzinteresse für die Anfechtung des Erstbeschlusses (BGH BGHZ 21, 354 [356]; Hüffer, 6. Aufl., § 244 AktG Rz. 1) und auch der nachfolgenden Bestätigungsbeschlüsse Nr. 3-26 vom 16.5.2003. An der vorgenannten Entscheidung des BGH hat auch die gesetzliche Regelung der Bestätigung durch das Aktiengesetz 1965 nichts geändert. Die Vorschrift des § 244 AktG soll namentlich dann Verbesserungen bringen, wenn die Neuvornahme des Hauptverhandlungsbeschlusses praktisch nicht möglich ist (Hüffer, 6. Aufl., § 244 AktG Rz. 1); dies war hier aber ...

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