Leitsatz (amtlich)

Eine High-Flow-Nasenbrille stellt auch bei einem Neugeborenen weder eine maschinelle Beatmung noch ein Maskensystem gemäß Ziffer 1001h der Deutschen Kodierrichtlinien (Version 2011) dar (im Anschluss an Bundessozialgericht, Beschluss vom 10.03.2015 - Az. B 1 KR 82/14 B).

 

Verfahrensgang

LG Dortmund (Urteil vom 03.03.2016; Aktenzeichen 2 O 400/14)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 03. März 2016 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten um die Abrechnung von allgemeinen Krankenhausleistungen.

Die Klägerin ist ein Krankenhaus der Grund- und Regelversorgung und nimmt aus abgetretenem Recht für von ihr erbrachte allgemeine Krankenhausleistungen (Atemunterstützung durch eine sog. High-Flow-Nasenbrille) die Beklagte als privaten Krankenversicherer der Patientin in Anspruch.

Bei der Patientin handelt es sich um das am 10.10.2011 geborene Kind N. N wurde mit Versicherungsschein vom 27.10.2011 als drittes Kind ihres bei der Beklagten privat krankenversicherten Vaters zum Tarif KK1 nachversichert. In der Zeit vom 12. bis 25.10.2011 musste die neugeborene N wegen einer persistierenden pulmonalen Hypertonie bei Verdacht auf prämaturen Ductusverschluss durch die Klägerin stationär behandelt werden. Im Rahmen der intensivmedizinischen Behandlung erhielt N für die Dauer von 171 Stunden Luft bzw. Sauerstoff über eine High-Flow-Nasenbrille (Sauerstoffbrille mit Nasenkanülen; sog. HFNC-Technik, high flow nasal cannula) verabreicht. Am 25.10.2011 konnte N entlassen werden, nachdem sich ihr Zustand verbessert hatte. Die Beklagte erklärte am 21.10.2011 gegenüber der Klägerin die Kostenübernahme für die allgemeinen Krankenhausleistungen.

Mit der Entlassungsanzeige übersandte die Klägerin unter dem 28.10.2011 an die Beklagte die Schlussrechnung für den stationären Aufenthalt. Diese enthielt als wesentliche Position die auf den DRG-Fallpauschalen-Katalog (Diagnosis related groups - Diagnosebezogene Fallgruppen) bezogene Fallpauschalen-Beschreibung

"P06C Neugeborenes, Aufnahmegewicht ≫ 2499 g mit signifikanter OR-Prozedur oder Beatmung ≫ 95 Stunden, ohne mehrere schwere Probleme, 12.10.11 - 24.10.11, 7010P06C"

mit einem hierauf entfallenen Betrag von 8.458,34 EUR. Der Gesamtbetrag der Rechnung belief sich unter Berücksichtigung von Abschlägen auf 8.415,05 EUR.

Die Beklagte erkannte den Rechnungsbetrag i.H.v. 3.035,98 EUR an und leistete an die Klägerin eine Abschlagszahlung in entsprechender Höhe. Die Zahlung des verbleibenden Betrages von 5.379,07 EUR lehnte sie ab. Ihre Ablehnung begründete sie damit, die Atemunterstützung durch eine High-Flow-Nasenbrille (HFNC) stelle keine Beatmung im Sinne der Kodierrichtlinie dar, so dass die Stundenzahl nicht zu kodieren sei. Man könne daher nur die ohne Berücksichtigung der Beatmungsstunden ermittelte DRG P67B als erstattungsfähig anerkennen. Die entsprechende Beschreibung dieser Fallpauschale lautet:

"Neugeborenes, Aufnahmegewicht ≫ 2499 g ohne signifikante OR-Prozedur, ohne Beatmung ≫ 95 Std., mit schwerem Problem, ohne Hypothermiebehandlung oder mit anderem Problem, mehr als ein Belegungstag oder mit nicht signifikanter OR-Proz., mit kompliz. Diagn.".

Unter Zugrundelegung dieser Fallpauschale ergäbe sich unstreitig ein Rechnungsbetrag in Höhe des von der Beklagten anerkannten und gezahlten Betrages. Der Differenzbetrag von 5.379,07 EUR ist Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Verabreichung von Sauerstoff durch die High-Flow-Nasenbrille sei nach DRG P06C zu kodieren, weil es sich hierbei um eine maschinelle Beatmung ("künstliche Beatmung") im Sinne der Ziff. 1001h der Deutschen Kodierrichtlinien (DKR) handle. Im Gegensatz zu einer Sauerstoffapplikation über eine gewöhnliche Nasenbrille handele es sich um eine effektive Anwendung von positivem endexsiratorischem Druck (PEEP = positive end-expiratory pressure) im Sinne einer CPAP-Beatmung (CPAP = continuous positive airway pressure) mit entsprechender Effektivität und Überwachungsnotwendigkeit.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 5.379,07 EUR nebst Zinsen i.H.v. 3 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.11.2011 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Anwendung der High-Flow-Nasenbrille sei nach DRG P67B des Fallpauschalen-Katalogs zu kodieren, weil keine maschinelle Beatmung im Sinne der Ziff. 1001h DKR vorliege. Bei der High-Flow-Nasenbrille werde der Sauerstoff nicht mechanisch bis in die Lunge bewegt, deshalb handele es sich um eine bloße Atemunterstützung, zumal das Kind - dies ist unstreitig - selbst geatmet hat.

Durch das angefochtene Urteil hat das Landgericht nach Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens des Prof. Dr. med. S, welches durch den Sachverständigen Dr. med. G...

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