Entscheidungsstichwort (Thema)

Sprungrevision. Nebenkläger. Zulässigkeit. Anschluss. Anschlussberechtigung. Zulassung der Berufung. Ziel. freisprechendes Urteil. Beweiswürdigung

 

Leitsatz (amtlich)

1. In den Fällen, in denen eine Berufung gegen ein amtsgerichtliches Urteil nach § 313 Abs. 1 S. 2 StPO der Zulassung bedürfte, ist eine Sprungrevision nach § 335 Abs. 1 StPO (vorbehaltlich der Erfüllung der sonstigen Zulassungsvoraussetzungen) immer, d.h. auch ohne vorherige Berufungszulassung, zulässig.

2. Es besteht die Verpflichtung des Nebenklägers, spätestens in der Revisionsbegründung deutlich zu machen, dass er mit seinem Rechtsmittel ein zulässiges Ziel i.S.v. § 400 StPO verfolgt, namentlich dass das Urteil wegen einer zum Anschluss als Nebenkläger berechtigenden Gesetzesverletzung angefochten werde. Es muss zumindest die entfernte rechtliche Möglichkeit einer Verurteilung nach dem nebenklagefähigen Straftatbestand bestehen.

3. Ein Beschluss, mit dem eine Zulassung der Nebenklage nach § 395 Abs. 3 StPO erfolgt, ist für das Revisionsgericht bindend.

4. Die Begründung eines Freispruchs muss so abgefasst werden, dass dem Revisionsgericht die Prüfung möglich ist, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind, insbesondere, ob der den Entscheidungsgegenstand bildende Sachverhalt vollständig gewürdigt worden ist. Hierzu bedarf es in den Urteilsgründen regelmäßig der Darstellung des Anklagevorwurfs, der getroffenen Feststellungen und einer Würdigung der Beweise, insbesondere der gegen den Angeklagten sprechenden Umstände.

 

Normenkette

StPO § 313 Abs. 1 S. 2, §§ 395-396, 400, 267

 

Verfahrensgang

AG Detmold (Aktenzeichen 2 Ds 425/20)

 

Tenor

Das angefochtene Urteil wird mit den zu Grunde liegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsmittels - an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Detmold zurückverwiesen.

 

Gründe

I.

Mit der zugelassenen Anklage vom 20.03.2020 wirft die Staatsanwaltschaft dem Angeklagten eine am 26.05.2019 gemeinschaftlich begangene versuchte Nötigung und tateinheitlich hierzu eine versuchte Sachbeschädigung vor. Sie legt dem Angeklagten Folgendes zur Last:

"Nachdem der Angeschuldigte B A beschlossen hatte, den Geschädigten C zur Rede zu stellen, [be-]gab er sich in Begleitung seiner drei Söhne und der Freundin eines der Söhne, die zunächst im Hintergrund blieben, auf die Wiese des Geschädigten, wo dieser gerade mit dem Traktor Mäharbeiten ausführte. Zwar machte der Geschädigte durch Handzeichen für alle erkennbar deutlich, dass er an einem Gespräch nicht interessiert sei, jedoch war der Angeschuldigte nicht bereit, dies hinzunehmen. So baute er sich wiederholt vor dem Traktor auf, um den Geschädigten auf diese Weise zum Anhalten zu zwingen. Als dies nicht weiterhalf, kletterte der Angeschuldigte von vorne auf die Motorhaube des Traktors und schlug wiederholt mit einer mitgeführten Plastikkiste auf das Führerhaus ein, um so sein Ziel zu erreichen. Zudem trat er mit den Füßen gegen die Scheibe des Führerhauses, wobei er in Kauf nahm, dass diese dadurch beschädigt werden würde, was jedoch unterblieb."

Die Staatsanwaltschaft geht dabei davon aus, dass im Verlaufe des Geschehens der gesondert verfolgte Sohn des Angeklagten, D A, auf den Traktor des Nebenklägers gesprungen und den Nebenkläger von hinten mit Tritten traktiert hat. Im wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen der Anklageschrift heißt es dann:

"In rechtlicher Hinsicht stellt sich das Handeln des Angeschuldigten und seines gesondert verfolgten Sohnes D jeweils als versuchte Nötigung dar, die zur gemeinschaftlichen wird, nachdem D A sich entschlossen hatte, das Vorhaben seines Vaters zu unterstützen und dieser in der Erkenntnis, dass sein Sohn nun half, weiter machte. Soweit es die Körperverletzungshandlung durch den gesondert verfolgten D A betrifft, kann sie dem Angeschuldigten nicht zugerechnet werden.

Auf der anderen sind Seite die Handlungen des Angeschuldigten B A dem gesondert verfolgten D A insoweit zuzurechnen, als dieser die Aggressionen durch seinen Vater bewusst ausnutzte, um von hinten auf den wehrlosen Geschädigten einzutreten. Für ihn stellt sich die Handlung deswegen als gefährliche Körperverletzung in der Form der gemeinschaftlichen Begehungsweise dar."

Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 29.04.2020 hat sich der Nebenkläger dem Verfahren angeschlossen und beantragt, die Nebenklage - gestützt auf § 395 Abs. 1 Nr. 3 StPO - zuzulassen. Mit weiterem Schriftsatz vom 06.05.2020 stützt er seinen Zulassungsantrag hilfsweise auf § 395 Abs. 3 StPO. Nach Anhörung des Angeklagten hat das Amtsgericht am 03.06.2020 folgenden Beschluss gefasst:

"Der Zeuge C, vertreten durch Rechtsanwalt E in F, ist zum Anschluss als Nebenkläger berechtigt und wird zum Verfahren zugelassen (§§ 395, 396 StPO)."

Mit dem angefochtenen Urteil hat das Amtsgericht den Angeklagten aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Die Staatsanwaltschaft hatte eine Verurteilung zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätze...

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