Leitsatz (amtlich)

Kommt es beim Abschleppen eines Pkw durch einen anderen auf abschüssiger Straße zu einer Kollision zwischen beiden Fahrzeugen, haftet der abgeschleppte Führer und Halter ebenso wie dessen Haftpflichtversicherer dem geschädigten "Schlepper" aus §§ 7 Abs. 1, 3 PflVersG a.F., weil sich der Unfall "beim Betrieb" des abgeschleppten Pkw ereignet hat.

Ist ein Verschulden zu Lasten des jeweiligen Fahrzeugführers nicht erweislich, ist eine unterschiedliche Gewichtung der jeweiligen Betriebsgefahr nicht zu begründen.

Ein etwaig daneben aus § 670 BGB folgender Aufwendungsersatzanspruch bestände in entsprechender Höhe.

 

Verfahrensgang

LG Essen (Urteil vom 10.12.2007; Aktenzeichen 2 O 392/06)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird - unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels - das am 10.12.2007 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des LG Essen abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an den Kläger 4.389,74 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über Basiszinsstz aus 3.819,19 EUR seit dem 8.9.2008 sowie aus weiteren 570,55 EUR seit dem 28.7.2007 zu zahlen. Darüber hinaus werden die Beklagten verurteilt, als Gesamtschuldner an den Kläger vorgerichtliche Anwaltskosten i.H.v. 333,85 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über Basiszinssatz seit dem 8.9.2006 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz werden gegeneinander aufgehoben; die Kosten des Rechtsstreits zweiter Instanz tragen der Kläger zu 35 % und die Beklagte zu 65 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Jede Partei darf die gegen sie gerichtete Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei zuvor in derselben Höhe Sicherheit leistet.

 

Gründe

Der Kläger bensprucht von den Beklagten Schadenseratz i.H.v. 8.784,48 EUR wegen eines Verkehrsunfalls am 3.7.2006 auf der P-Straße in F. Als der Kläger mit seinem Pkw Hyundai den Beklagten zu 1) - einen Bekannten - mit seinem bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversicherten Pkw Audi mittels einer Abschleppstange abschleppte, stieß der abgeschleppte Pkw Audi an einer abschüssigen Stelle seitlich gegen den abschleppenden Pkw Hyundai.

Das LG hat nach Anhörung der Parteien und Einholung eines unfallanalytischen Sachverständigengutachtens die Beklagten nach § 670 BGB für grundsätzlich ersatzpflichtig gehalten, diesen Aufwendungsersatzanspruch wegen dem Kläger nach § 254 BGB anzurechnender Betriebsgefahr seines Pkw Hyundai um 20 % gekürzt und unter Reduzierung der Unkostenpauschale um 5 EUR dem Kläger einen Betrag von 7.023,58 EUR zuerkannt.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Zweitbeklagte, zugleich als Streithelferin des Erstbeklagten, mit der Berufung. Sie meint, ein Anspruch des Klägers aus § 670 BGB sei schon deshalb zweifelhaft, weil der Kläger nur eine Gefälligkeit geleistet, aber keinen rechtsverbindlichen Auftrag angenommen habe. Außerdem scheitere der Anspruch daran, dass der Kläger den Unabwendbarkeitsnachweis nicht geführt habe und deshalb für seinen Schaden selbst einstehen müsse. Letztlich seien Aufwendungsersatzansprüche nach § 670 BGB nicht von der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung erfasst. Ein Anspruch des Klägers aus § 7 StVG komme ebenfalls nicht in Betracht, weil sich der abgeschleppte Pkw Audi nicht "in Betrieb" befunden habe. Die Zweitbeklagte behauptet weiterhin, dass der Kläger zu stark gebremst und dadurch den Unfall verschuldet habe und rügt in diesem Zusammenhang das Übergehen ihres Antrags auf mündliche Anhörung des Sachverständigen T.

II. Die zulässige Berufung hat in der Sache nur teilweise Erfolg. Dem Kläger steht gegen die Beklagten aufgrund des Unfalls vom 3.7.2006 ein Schadensersatzanspruch gem. §§ 7 Abs. 1, 3 PflVG a.F. zu. Dieser Anspruch beschränkt sich jedoch wegen der Betriebsgefahr des Pkw Hyundai auf die Hälfte des dem Kläger unstreitig entstandenen Schadens von 8.779,48 EUR.

Der Unfall hat sich beim Betrieb des abgeschleppten Pkw Audi ereignet. Lediglich in der älteren höchstrichterliche Rechtsprechung wird noch angenommen, dass bei einem Schleppzug nur eine einheitliche, vom Halter und Fahrer des schleppenden Fahrzeugs zu vertretende Betriebsgefahr vorliege, weil nur so der Einheitlichkeit des Betriebsvorgangs Rechnung getragen werde (BGH, Urt. v. 30.10.1962, NJW 1963, 251 m.w.N.). Hingegen wird in neuerer obergerichtlicher Rechtsprechung die Ansicht vertreten, dass jedenfalls ein mit Seil oder Stange abgeschleppter Pkw, der gelenkt werden muss, eine von dem abschleppenden Fahrzeug gesonderte, eigenstände Gefahrenquelle bilde und als "im Betrieb" befindlich anzusehen sei (OLG Köln, Urteil vom 7.3.1986, DAR 1986, 321). Der Senat schließt sich der letztgenannten Ansicht an. Zum einen befindet sich das mit Seil oder auch Stange abgeschleppte Fahrzeug nach der inzwischen ganz überwiegend vertretenen (weiteren) verkehrstechnischen Auffassung im Betrieb, denn es bewegt sich im öffentlichen Verkehr. Zum anderen ist die ältere...

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