Entscheidungsstichwort (Thema)

Wiederaufleben des Unterhaltsanspruchs nach Wegfall des Verwirkungstatbestandes (verfestigte Lebensgemeinschaft). Erwerbsobliegenheit des Unterhaltsberechtigten

 

Leitsatz (amtlich)

1. Erzielt der Unterhaltsberechtigte mit einer selbständigen Tätigkeit (Fingernagelstudio) nur ein bereinigtes monatliches Nettoeinkommen von nicht mehr als durchschnittlich 220 EUR, so ist es unterhaltsrechtlich vorwerfbar (mit der Folge eines fiktiv anzurechnenden Einkommens), sich nicht um eine besser bezahlte abhängige Tätigkeit zu bemühen. Dies gilt auch, wenn die selbständige Tätigkeit bereits eheprägend war.

2. Ein nach § 1579 Nr. 7 BGB wegen Bestehens einer verfestigten Lebensgemeinschaft verwirkter Unterhaltsanspruch kann bei Beendigung der Lebensgemeinschaft wiederaufleben.

3. Ein solch wiederaufgelebter Unterhaltsanspruch ist bei einer kurzen Ehedauer gem. § 1573 Abs. 5 BGB zeitlich zu begrenzen. Hier: Zeitliche Begrenzung auf 2 Jahre 9 Monate ab Rechtskraft der Scheidung bei einer Ehedauer von 8 Jahren 4 Monaten.

 

Normenkette

BGB § 1573 Abs. 2, 5, § 1579 Nr. 7

 

Verfahrensgang

AG Bottrop (Urteil vom 02.12.2005; Aktenzeichen 14 F 27/05)

 

Tenor

Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird das am 2.12.2005 verkündete Urteil des AG - FamG - Bottrop hinsichtlich der Entscheidung zum nachehelichen Unterhalt teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Antragsteller wird verurteilt, an die Antragsgegnerin vom Eintritt der Rechtskraft der Scheidung bis zum 31.12.2008 monatlich 410 EUR zu zahlen.

Die weitergehende Klage auf Zahlung nachehelichen Unterhalts wird abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Hinsichtlich der Kosten der ersten Instanz bleibt es bei der Entscheidung des AG.

Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Antragsteller zu 2/7 und die Antragsgegnerin zu 5/7.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Tatbestand

Die Parteien haben am 21.8.1996 geheiratet. Nach am 20.2.2000 erfolgter Trennung hat der Antragsteller im Dezember 2004 die Ehescheidung beantragt. Das AG hat die Ehe daraufhin durch Verbundurteil vom 2.12.2005 geschieden, den Versorgungsausgleich durchgeführt und den Antrag der Antragsgegnerin auf Zahlung von nachehelichem Unterhalt abgewiesen. In zweiter Instanz streiten die Parteien nur noch über den Anspruch der Antragsgegnerin auf nachehelichen Unterhalt. Insoweit liegt Folgendes zugrunde:

Vor der Ehe war die Antragsgegnerin lange Zeit arbeitslos. Nach der Eheschließung hat sie sich im Jahre 1997 mit einem Fingernagelstudio selbständig gemacht. Ehewohnung war eine beiden Parteien gehörende Eigentumswohnung. Ende 1999 hat die Antragsgegnerin eine eigene Wohnung angemietet und ist am 20.2.2000 dorthin gezogen. Obwohl sie die Ehe angeblich noch nicht für gescheitert hielt, hat sie im Mai 2000 eine Beziehung zum Zeugen L. angefangen. Nachdem sie im Juli 2001 einen Bandscheibenvorfall erlitten hatte und sich einer Operation unterziehen musste, hat sie im September 2001 ihre eigene Wohnung aufgegeben und ist zu ihrem Freund gezogen, wo sie auch ihren Hausrat unterstellen konnte. Ob mehr als eine Wohngemeinschaft bestanden hat, ist streitig. Von diesem Zeitpunkt bis einschließlich Mai 2005 hat der Antragsteller an seine Ehefrau monatlich 410 EUR Trennungsunterhalt bezahlt.

Die Antragsgegnerin hat in erster Instanz geltend gemacht, sie sei zwar erwerbstätig, erziele aber - nach Abzug der Kosten für ihr Krankenversicherung - nur ein durchschnittliches Einkommen von monatlich 240 EUR. Mehr als diese Teilzeittätigkeit, die ihr eine flexible Einteilung ihrer Zeit ermögliche, könne sie nicht ausüben, weil sie seit vielen Jahren an einer degenerativen Rückenerkrankung leide und bei einer Bandscheibenoperation im Juli 2001 zusätzlich eine Nervenschädigung im linken Arm mit einer deutlichen Verminderung der Kraft erlitten habe. Auf Grund ihres schlechten Gesundheitszustands habe sich zusätzlich eine massive depressive Verstimmung mit starken Migräneattacken ausgebildet. Da sie ihren Unterhalt also nicht selber sicherstellen könne, stehe ihr Aufstockungsunterhalt zu, der ohne Berücksichtigung des (durch die Grundstückslasten aufgezehrten) Wohnwerts der gemeinsamen Eigentumswohnung wie folgt zu berechnen sei:

durchschnittliches Nettoeinkommen des Antragstellers 2.539 EUR

./. Fahrtkosten 80 EUR

verbleiben 2.459 EUR

./. eigene Einkünfte 240 EUR

Differenz 2.219 EUR

davon 3/7 951 EUR

Die Antragsgegnerin hat beantragt, den Antragsteller zu verurteilen, an sie ab dem auf die Rechtskraft des Scheidungsurteils folgenden ersten monatlich im Voraus 951 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 % über dem Basiszinssatz seit dem jeweils Monatsersten zu zahlen.

Der Antragsteller hat beantragt, den Zahlungsantrag abzuweisen.

Der Antragsteller hat seine Einkommensverhältnisse unstreitig gestellt, aber bestritten, dass die Antragsgegnerin nicht mehr verdienen könne, als sie es tue. Sie arbeite vollschichtig in ihrem Fingernagelstudio und könne das auch anderswo tun. Vorsorglich hat sich der Antragsteller auf Verwirkung ...

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