Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Beweiserleichterung für behaupteten Wildunfall

 

Leitsatz (amtlich)

1. Keine Beweiserleichterung für die Beteiligung von Wild bei behauptetem Wildunfall.

2. Beweiswürdigung (Beweis trotz gegenteiliger Zeugenaussage nicht geführt).

 

Verfahrensgang

LG Bielefeld (Urteil vom 02.12.2003; Aktenzeichen 6 O 413/03)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 2.12.2003 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des LG Bielefeld wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des nach dem Urteil vollstreckbaren Betrages abzuwenden, sofern nicht die Beklagte zuvor Sicherheit i.H.v. 110 % des beizutreibenden Betrages beibringt.

 

Gründe

I. Der Kläger, der einen Kfz-Handel betreibt, begehrt aus einer bei der Beklagten genommenen Teilkaskoversicherung für Kfz-Handel und -Handwerk Zahlung von 23.709,75 Euro wegen eines behaupteten Zusammenstoßes mit einem Reh.

Das versicherte Fahrzeug, ein Porsche 996 C 2, geriet am 25.9.2002 gegen 22.15 Uhr in B. nach einer scharfen Rechtskurve bei regennasser Fahrbahn in den rechten Straßengraben. Beifahrer war der Neffe des Klägers, der Zeuge M.

Der Kläger hat behauptet, sein Neffe habe sich für einen Kauf des Fahrzeugs interessiert. Es habe sich um eine Probefahrt gehandelt. Während der Fahrt seien auf Fahrerseite Windgeräusche aufgetreten, zu deren Überprüfung der Kläger selbst das Steuer übernommen habe. Nach Durchfahren der Kurve sei von rechts ein Reh vor das Fahrzeug gesprungen. Der Kläger habe noch versucht auszuweichen, sei aber mit dem Reh zusammengestoßen und dann in den Graben geschleudert. Das Reh sei weitergelaufen.

Gegenüber zwei Polizeibeamten, die - von dritter Seite herbeigerufen - etwa eine halbe Stunde später am Unfallort eintrafen, erwähnten der Kläger und sein Neffe das Reh nicht. Es ist streitig, ob der Kläger mit den Polizeibeamten über die Unfallursache sprach. In einem polizeilichen Vermerk vom 12.11.2002 heißt es, der Kläger habe erklärt, er sei aus unerklärlichen Gründen in den Graben geraten.

Die Beklagte hat geltend gemacht, Versicherungsschutz bestehe schon deshalb nicht, weil es sich nicht um eine Probefahrt gehandelt habe und das rote Kennzeichen vorschriftswidrig benutzt worden sei. Sie hat bestritten, dass ein Reh auf die Straße gelaufen sei.

Das LG hat die Klage abgewiesen. Wegen der Begründung und weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes in erster Instanz wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Der Kläger verfolgt mit der Berufung seinen erstinstanzlichen Antrag weiter. Er macht geltend, das LG habe aus seiner Anhörung unzulässige Schlussfolgerungen gezogen. Auch die Erwägungen des LG zum Fehlen von Kollisionsspuren am Fahrzeug, zum Fehlen einer Wildfährte und zur Eigenart des Unfallorts seien - jedenfalls ohne sachverständige Feststellungen - unzulässig.

Die Beklagte verteidigt das Urteil.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung des - von dem Kläger bereits in erster Instanz benannten - Zeugen M. Dazu wird auf den Berichterstattervermerk Bezug genommen.

Die Akten 51 Js 89/03 StA Bielefeld haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

II. Die Berufung ist unbegründet.

Der Eintritt des Versicherungsfalls (Zusammenstoß mit Haarwild gem. § 12 Abs. 1 Nr. Id) AKB) ist nicht bewiesen. Es steht nicht mit dem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit, welcher Zweifeln Schweigen gebietet, ohne diese völlig auszuschließen (vgl. zu diesem Maßstab des § 286 ZPO nur BGH v. 14.1.1993 - IX ZR 238/91, MDR 1993, 1239 = NJW 1993, 935 [937], unter II 3a; v. 18.1.2000 - VI ZR 375/98, MDR 2000, 582 = NJW 2000, 953 [954], unter II 3b), fest, dass tatsächlich ein Reh auf die Straße lief.

1. Allerdings hat der Zeuge M. diesen Vortrag des Klägers bestätigt. Der Senat vermag daraus aber nicht die erforderliche Gewissheit zu gewinnen. Der Senat hält es vielmehr für durchaus möglich, dass der Vortrag des Klägers unrichtig ist und der Zeuge sich bei seiner Aussage von dem Interesse des Klägers am Ausgang dieses Rechtsstreits hat leiten lassen.

Die erheblichen Zweifel daran, dass die Aussage des Zeugen der Wahrheit entspricht und tatsächlich ein Reh auf die Straße lief, ergeben sich vor allem daraus, dass ggü. den beiden am Unfallort erschienenen Polizeibeamten ein solcher Vorfall mit keinem Wort erwähnt wurde. Ein derartiges Verhalten ist, wenn das Reh existierte, nach allgemeiner Lebenserfahrung äußerst ungewöhnlich, und zwar auch dann, wenn man zu Gunsten des Klägers unterstellt, dass die Polizeibeamten nicht - ausdrücklich - nach der Unfallursache fragten. Nach der Aussage des Zeugen blieben die Polizeibeamten geraume Zeit am Unfallort, beobachteten die verschiedenen Versuche, das Fahrzeug aus dem Graben zu bergen, "lachten sich tot" darüber und wusste außer dem Kläger und dem Zeugen auch der von dem Kläger herbeigerufene Vater des Zeugen von dem Reh. Gleic...

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