Entscheidungsstichwort (Thema)

Privathaftpflichtversicherung, "kleine Benzinklausel"; Fahrzeugreparatur mit Schweißgerät

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Ausschluss von Haftpflichtansprüchen in der Privathaftpflichtversicherung wegen Schäden, die durch den Gebrauch eines Kraftfahrzeugs verursacht sind ("kleine Benzinklausel"), setzt voraus, dass sich ein Gebrauchsrisiko des Fahrzeugs verwirklicht und zu einem Schaden geführt hat (Anschluss an BGH, Urt. v. 13.12.2006, IV ZR 120/05, BGHZ 170, 182 - "Heizlüfter").

2. "Gebrauch eines Fahrzeugs" kann auch eine vom Eigentümer oder Halter vorgenommene Reparatur an dem Fahrzeug sein, wenn sich hierbei die besonderen Gefahren des Fahrzeugs auswirken.

3. Entsteht bei Reparaturarbeiten mit einem Schweißgerät ein Brand, verwirklicht sich regelmäßig (und so hier) nicht das typische Gebrauchsrisiko des Fahrzeugs, sondern das des Schweißgeräts, mögen die Schweißarbeiten auch den Zweck gehabt haben, das Fahrzeug für den Gebrauch instand zu setzen. Der verursachte Schaden steht dann dem Kraftfahrzeugrisiko bei natürlicher Betrachtung nicht näher als dem Privatrisiko. Deshalb greift (wie im "Heizlüfter"-Fall BGHZ 170, 182) der Deckungsausschluss der kleinen Benzinklausel nicht.

 

Verfahrensgang

LG Bielefeld (Urteil vom 04.06.2014; Aktenzeichen 18 O 165/13)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 04.06.2014 verkündete Urteil der 18. Zivilkammer des LG Bielefeld abgeändert.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Haftpflichtversicherungsvertrag Nr. 06.239.382176 wegen des am 09.02.2013 in der Autowerkstatt T-Str. 49a, C, entstandenen Brandes für alle hieraus resultierenden Schadensersatzansprüche Dritter wegen Personen- und Sachschäden oder sich daraus ergebende Vermögensschäden bedingungsgemäßen Deckungsschutz zu gewähren hat.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung des Klägers wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger nimmt die Beklagte aus Anlass eines Brandschadenereignisses vom 09.02.2013 im vorweggenommenen Deckungsprozess aus einem Haftpflichtversicherungsvertrag auf Gewährung bedingungsgemäßen Versicherungsschutzes in Anspruch.

Der Kläger nahm im Jahre 2007 mit Versicherungsbeginn 15.03.2007 bei der Beklagten eine Privathaftpflichtversicherung nach dem Tarif "H. PrivathaftpflichtTop - Singleversicherung" unter Geltung der AHB der Beklagten sowie ihren Besonderen Bedingungen und Risikobeschreibungen (BBR) - jeweils Stand: 07/2006.

In den BBR der Beklagten heißt es im Abschnitt A. IV. unter der Überschrift "Was ist nicht versichert?" auszugsweise wie folgt:

"Neben den Ausschlüssen der AHB und den bei den einzelnen Abschnitten dieser BBR beschriebenen Ausschlüssen ist nicht versichert die gesetzliche Haftpflicht

1. a) aus der Ausübung eines Betriebes, Berufes, Dienstes, Amtes

(auch öffentlichen Ehrenamtes),

(...) 5. als Eigentümer, Besitzer, Halter oder Führer eines Kraft-, Luft-

Wasserfahrzeugs oder Kraftfahrzeugsanhängers wegen Schäden, die durch den Gebrauch des Fahrzeugs oder Anhängers verursacht werden,

soweit nicht in A. III.12. etwas anderes vereinbart ist.

(...)"

Wegen der weiteren Einzelheiten der vertraglichen Vereinbarungen der Parteien wird auf den Versicherungsschein vom 20.03.2007 (GA 152 f.), den Nachtrag vom 21.05.2012 (GA 154 ff.) sowie das Bedingungswerk der Beklagten (GA 156 ff., 188 ff.) Bezug genommen.

Am 09.02.2013 kam es auf dem Betriebsgelände T-Str. 49a in C in einer von einem Herrn E. U. betriebenen Werkstatthalle zu einem Brandschadenereignis.

Der Kläger hatte Arbeiten an einem Pritschenwagen durchgeführt, nachdem ihm Herr U. gestattet hatte, die Werkstatt zur Durchführung dieser Arbeiten zu nutzen. Nachdem der Kläger nach dem Entfernen von auf der Ladefläche des Pritschenwagens befindlichen Holzbrettern eine Roststelle oder ein Loch entdeckt hatte, hatte er ein in der Werkstatt vorhandenes Schweißgerät an die Stromversorgung angeschlossen. Im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang dazu war es zum Ausbruch des Brandes gekommen, wobei die Parteien über dessen genaue Ursache streiten. Durch das Feuer entstanden Schäden an den Räumlichkeiten der Werkstatt und darin befindlichen weiteren Gegenständen.

Ein gegen den Kläger von der Staatsanwaltschaft Bielefeld wegen des Verdachts der fahrlässigen Brandstiftung eingeleitetes Ermittlungsverfahren (446 Js 105/13) wurde gem. § 153 Abs. 1 StPO eingestellt.

Wegen am 09.02.2013 ebenfalls entstandener Beschädigungen an dem Pritschenwagen, einem Klein-Lastkraftwagen Fiat Ducato mit dem amtlichen Kennzeichen ..., wird die Fa.E. Autoservice, deren Inhaber Herr U. ist, in einem vor dem AG Bielefeld anhängigen Ver...

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