Verfahrensgang

LG Essen (Urteil vom 31.01.2007; Aktenzeichen 2 O 327/06)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 04.06.2009; Aktenzeichen III ZR 229/07)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 31.1.2007 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des LG Essen wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird gem. § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen. Unter Berücksichtigung des Weiteren Vorbringens der Parteien stellt sich der Sachverhalt wie folgt dar:

Der am 13.1.1998 geborene Kläger besuchte gemäß einer Anmeldung seiner Eltern eine Waldkindergartengruppe des von der beklagten Stadt betriebenen Kindergartens Y1 in der G-Straße in N2. Seine Mutter nahm einige Male als Hospitantin an der Betreuung teil.

Die altersgemischte Gruppe besteht in der Regel aus 15 bis 20 Kindern im Alter von drei bis sechs Jahren. In den an das Kindergartengelände angrenzenden Wald werden mittels eines Handwagens Werkzeuge mitgenommen, mit denen die Kinder basteln. Sie verfügen über eine geringere Schärfe als Arbeitswerkzeuge. Zu diesen Gegenständen gehört u.a. ein ca. 18 cm langer Kreuzschraubenzieher.

Am 21.4.2004 begaben sich die Kinder mit zwei Erzieherinnen in den Wald. Ein Kind im Alter des Klägers zog einen im Boden steckenden Schraubenzieher heraus und führte mit ihm eine rotierende Bewegung rückwärts aus. Dabei stieß es den Schraubenzieher in das rechte Auge des Klägers. Ärztliche Sofortmaßnahmen unterblieben, weil die Betreuerinnen, die den Vorfall selbst nicht beobachtet hatten, nur von einer Verschmutzung des Auges durch Sand und Erdreich ausgingen. Der Kläger wurde erst nachmittags von seinem Vater bei der Augenärztin Dr. L vorgestellt, die eine Schädigung der Hornhaut feststellte. Sie überwies den Kläger in das Universitätsklinikum N. Dort fand noch am selben Abend eine Operation an der perforierten Hornhaut statt. Weitere Behandlungen schlossen sich an. Zudem stellte sich ein Schielen ein, das am 19.11.2004 operativ behoben wurde. Es verblieben eine Blend- und Wasserempfindlichkeit, eine Rötung und eine auf 40 % reduzierte Sehkraft des rechten Auges. Um ein erneutes Schielen möglichst zu vermeiden, muss der Kläger auf Dauer eine Brille tragen.

Der Z1 übernahm als gesetzlicher Unfallversicherer die dem Kläger entstandenen materiellen Schäden.

Der Kläger, vertreten durch seine Eltern, hat gemeint, die Beklagte habe durch ihre Mitarbeiterinnen ihre Sorgfaltspflichten verletzt. Er hat behauptet, der Schraubenzieher sei bei einem früheren Waldbesuch im Boden zurückgeblieben. Selbst wenn der Schraubenzieher am Unfalltage mitgebracht worden wäre, hätten derartige Werkzeuge nur einer begrenzten, besonders zu beaufsichtigenden Gruppe von Kindern ausgehändigt und im Anschluss an ihre Verwendung unmittelbar wieder eingesammelt werden müssen. Schraubenzieher nach ihrer Verwendung in den Boden zu stecken, sei als Sicherungsmaßnahme ungeeignet.

Ihm stehe aus der hinsichtlich der Betreuung eingegangenen vertraglichen Beziehung ein Anspruch auch auf Schmerzensgeld zu, der mit mindestens 25.000 EUR für die bereits eingetretenen und absehbaren zukünftigen Beeinträchtigungen zu bemessen sei. Außerdem habe ihm die Beklagte auch den zur Zeit noch nicht vorhersehbaren materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen. Seinen Ansprüchen stehe § 104 Abs. 1 SGB VII nicht entgegen. Die hierzu ergangenen früheren Entscheidungen des BVerfG verhielten sich nicht zum Kindergartenbereich und auch nicht zu den erst später in das Bürgerliche Gesetzbuch eingeführten vertraglichen Schmerzensgeldforderungen. Mit dem Abschluss des Obhutsvertrages habe sich die Beklagte auf die zivilrechtliche Ebene begeben und hafte deshalb nach verfassungsrechtlichen Grundsätzen wie jeder andere Vertragspartner. Im Übrigen passten §§ 2 Nr. 8a, 104 Abs. SGB VII schon vom Wortlaut her nicht für städtische Kindergärten. Sähe man dies anders, hätte die Beklagte die Eltern des Klägers über ein Haftungsprivileg unterrichten müssen.

Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn ein angemessenes Schmerzensgeld, welches 25.000 EUR nicht unterschreiten sollte, nebst gesetzlicher Zinsen gem. §§ 288 Abs. 1, 247 BGB seit dem 28.2.2006 zu zahlen,

2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihn von jeglichen nicht vorhersehbaren, künftigen materiellen und immateriellen Schäden frei zu stellen, die auf den Vorfall vom 21.4.2004 zurückgehen, soweit diese nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind,

3. die Beklagte zu verurteilen, an ihn außergerichtliche, nicht anrechenbare Rechtsanwaltsgebühren i.H.v. 1.331,10 EUR brutto nebst gesetzlicher Zinsen gem. §§ 288 Abs. 1, 247 BGB

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