Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorübergehende Auslieferung eines Deutschen zur Strafverfolgung. drohende lebenslange Freiheitsstrafe

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Zulässigkeit einer vorübergehenden Auslieferung eines wegen Mordes in lebenslanger Strafhaft in deutscher Strafhaft einsitzenden deutschen Staatsangehörigen an Belgien zur Strafverfolgung wegen des Vorwurfs eines (weiteren, in Belgien begangenen) Mordes bei drohender (erneuter) lebenslänglichen Freiheitsstrafe

 

Normenkette

IRG §§ 80, 73; StGB § 7 Abs. 2 Nr. 1; IRG §§ 37, 68, 83b Abs. 1 Nr. 2

 

Tenor

  1. Gegen den Verfolgten wird die förmliche Auslieferungshaft angeordnet.
  2. Die Auslieferung des Verfolgten nach Belgien zur Strafverfolgung wegen der ihm in dem Europäischen Haftbefehl der Generalstaatsanwaltschaft beim Appellationshof Antwerpen vom 20.12.2019 - Aktenzeichen: B 1/2019 ASS.A - zur Last gelegten Straftat ist zulässig.
 

Gründe

I.

Die belgischen Behörden betreiben seit dem Jahr 2012 gegen den Verfolgten ein Auslieferungsverfahren mit dem Ziel der Auslieferung zur Strafverfolgung wegen Mordes.

Die Generalstaatsanwaltschaft beim Appellationshof Antwerpen hat am 20.12.2019 - Aktenzeichen: B 1/2019 ASS.A. - einen (neuen) Europäischen Haftbefehl gegen den Verfolgten erlassen (Bl. 539 ff. Bd. III d. A. in deutscher Übersetzung).

Dieser Europäische Haftbefehl gründet sich auf den Haftbefehl der Angeschuldigtenkammer des Appellationshofes in Antwerpen vom 05.07.2019 - Aktenzeichen: B 1/2019 ASS.A. - (Bl. 540 Bd. III d. A.; "Verfügung zur Gefangennahme mit unmittelbarer Vollstreckung").

1.

Diesem Haftbefehl liegt folgender Sachverhalt zugrunde (Bl. 542 Bd. III d. A.):

Am 00.11.2007 soll der Verfolgte in T in Belgien unter Anwendung von Gewalt oder Drohung dem I, geboren am 00.00.1968, unter anderem eine "Dell-Tragetasche" mitsamt deren Inhalt (Autoschlüssel und diverse Dokumente) entwendet haben und den vorgenannten I vorsätzlich, "um den Diebstahl zu erleichtern oder dessen Straflosigkeit zu versichern", getötet haben.

Dieses Verhalten ist als Raubmord strafbar gemäß Art. 66, 392, 393, 461, 468, 475, 483 des belgischen Strafgesetzbuches (Bl. 542, 523 Bd. III d. A.). Die belgischen Behörden ordnen das dem Verfolgten vorgeworfene Verhalten als Katalogstraftat nach Art. 2 Abs. 2 Rahmenbeschluss 2002/584/JI des Rates vom 13. Juni 2002 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten (Rahmenbeschluss Europäischer Haftbefehl) als "vorsätzliche Tötung, schwere Körperverletzung" ein (Bl. 542 Bd. III d. A.).

Angaben zum Eintritt der Strafverfolgungsverjährung nach belgischem Recht enthält der Europäische Haftbefehl nicht. Im Hinblick auf die Schwere des Tatvorwurfes und den Tatzeitpunkt sowie den Umstand, dass die belgischen Behörden noch immer ein Strafverfahren gegen den Verfolgten betreiben und aktuell einen neuen Europäischen Haftbefehl erlassen haben, kann davon ausgegangen werden, dass diese noch nicht eingetreten ist.

2.

Die belgischen Behörden betreiben das Auslieferungsverfahren gegen den Verfolgten mit dem Ziel der Auslieferung zur Strafverfolgung wegen der o.g. Tat bereits seit dem Jahr 2012. Das seinerzeitige Verfahren war bei dem hiesigen Senat unter dem Aktenzeichen III-2 Ausl. 145/13 anhängig.

Zunächst hatte das Gericht Erster Instanz in Antwerpen gegen den seinerzeit in der JVA C inhaftierten Verfolgten einen Europäischen Haftbefehl am 24.08.2012 (Az. 2007/210; Bl. 5 Bd. I d.A.)) erlassen, aus dem sich jedoch nicht die konkreten Tatumstände der dem Verfolgten schon in diesem Europäischen Haftbefehl zur Last gelegten Tat ergaben. Auf entsprechenden Hinweis der Generalstaatsanwaltschaft Hamm haben die belgischen Behörden den Europäischen Haftbefehl den gesetzlichen Vorgaben angepasst und das Auslieferungsverfahren sodann aufgrund des neu gefassten Europäischen Haftbefehls des Gerichts Erster Instanz in Antwerpen vom 18.06.2013 (Aktenzeichen: 2007/210; Bl. 145 Bd. I d.A.) betrieben. In dem Europäischen Haftbefehl ist dem Verfolgten - wie auch in dem nunmehr vorliegenden Europäischen Haftbefehl vom 20.12.2019 - zur Last gelegt worden, am 00.11.2007 in T/Belgien den Autohändler I in den Geschäftsräumen seiner Firma Q, S 00, durch Schüsse aus einer halbautomatischen Selbstladewaffe FN Modell 1910, Kaliber 7,65 mm, in Stirn und Rücken getötet und die Laptoptasche des Getöteten, Kfz-Unterlagen sowie Fahrzeugschlüssel entwendet zu haben.

Der Verfolgte war am 15.08.2013 (Bl. 154 Bd. I d.A.) durch den zuständigen Ermittlungsrichter des Amtsgerichts Düsseldorf zu dem damaligen Auslieferungsersuchen angehört worden. Er hatte sich mit nicht näher begründeten Einwendungen mit seiner Auslieferung nicht einverstanden erklärt.

Das Amtsgericht Düsseldorf hatte am 15.08.2013 (Bl. 158 Bd. I d.A.) eine Festhalteanordnung erlassen.

Der Verfolgte befindet sich zurzeit in anderer Sache in Strafhaft für das Verfahren 8 Js 320/08 StA Krefeld. Er ist mit Urteil des Landgerichts Krefeld vom 18.08.2009, rechtskräftig seit dem 28.04.2010 (22 Ks 8 Js 320/08 (4/09))...

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