Entscheidungsstichwort (Thema)

Nachlaß. Einziehung des gemeinschaftlichen Erbscheins des Amtsgerichts – vom –

 

Verfahrensgang

LG Bielefeld (Beschluss vom 22.08.1995; Aktenzeichen 3 T 602/93)

AG Gütersloh (Aktenzeichen 7 VI 204/92)

 

Tenor

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben.

Unter Zurückweisung der Erstbeschwerde der Beteiligten zu 1) wird das Amtsgericht angewiesen, der Beteiligten zu 2) einen neuen Erbschein zu erteilen, der inhaltlich dem eingezogenen Erbschein vom 24.06.1992 entspricht.

Die Beteiligte zu 1) hat die dem Beteiligten zu 2) bis 4) im Verfahren der Erstbeschwerde entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten im Verfahren der weiteren Beschwerde findet nicht statt.

Der Gegenstandswert für das Verfahren der ersten und der weiteren Beschwerde wird auf 150.000,00 DM festgesetzt.

 

Gründe

Die Beteiligten zu 2) bis 4) sind die Töchter des am 18.08.1919 geborenen Erblassers aus dessen erster, am 20.06.1983 rechtskraftig geschiedener Ehe. Die Beteiligte zu 1) ist die zweite Ehefrau des Erblassers; die Eheschließung erfolgte am 08.08.1983.

Der Erblasser beabsichtigte bereits im Jahre 1982 während des noch anhängigen Scheidungsverfahrens, sich gemeinsam mit der Beteiligten zu 1) als seiner damaligen Lebensgefährtin eine neue Lebensgrundlage in … zu schaffen. Zu diesem Zweck wollte er das ihm in … verbliebene Vermögen verwerten und unter Einschluß von Mitteln der Beteiligten zu 1) zwei mit Häusern bebaute Grundstücke in … in … erwerben. Über seine Pläne und Aktivitäten verhalten sich tagebuchartige Aufzeichnungen auf sieben Ringbuchblättern. Von S. 5 Mitte beginnend bis S. 6 unten befindet sich folgender Text:

„Unser letzter Wille

… und ich sind uns einig, daß beide Häuser und Grundstücke auf ihren Namen gekauft werden.

Wir schließen einen dreiteiligten Vertrag folgenden Inhalts:

1)

Das Eigentum gehört uns beiden zur ideellen Hälfte. Ich habe jederzeit das Recht, mich in das Grunduch eintragen zu lassen.

2)

Wir verpflichten uns gegenseitig zum gemeinschaftlichen Zusammenleben. Wer den anderen verläßt, verwirkt sein Miteigentum, das dem Verlassenen zufällt.

3)

Wir schließen einen Erbvertrag des Inhalts:

  1. Wir setzen uns gegenseitig als Alleinerben ein und verpflichten uns zum gegenseitigen Unterhalt.
  2. … verfugt von Todes wegen, daß ich, falls sie vor mir sterben sollte, alleiniger Erbe bin.
  3. Wir verpflichten uns, als Letztlebende die Hauser und Grundstücke in … einer Stiftung – Erholungsheim für körperlich Behinderte – oder für Kinder von Kriegsbeschädigten oder dem Goetheinstitut als Ferienheim zukommen zu lassen. Es soll alles getan werden, daß die Hauser und Grundstucke sowie das gesamte Inventar mit allen Anlagen nicht den gesetzlichen Erben zufallen; diese sind ausdrucklich ausgeschlossen.

… den 16. März 1982”

Das Schriftstück ist unterzeichnet mit „… und …”

In Unkenntnis dieses Schriftstückes hat die Beteiligte zu 2) nach dem Tod des Erblassers zunächst einen gemeinschaftlichen Erbschein aufgrund gesetzlicher Erbfolge vom 24.06.1992 erwirkt, der die Beteiligte zu 1) ½-Anteil und die Beteiligten zu 2) bis 4) zu je 1/6-Anteil als Erben ausweist.

Die Beteiligte zu 1) hat sodann mit Schreiben ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 12.10.1992 die Einziehung dieses Erbscheins als unrichtig beantragt, indem sie unter Vorlage und Bezugnahme auf das obengenannte Schriftstück die Auffassung vertreten hat, dieses enthalte ein wirksames Einzeltestament des Erblassers, durch das sie als Alleinerbin eingesetzt sei. Zur näheren Begründung hat die Beteiligte zu 1) im wesentlichen vorgetragen: Zum Zeitpunkt der Abfassung des Schriftstückes sei sie sich mit dem Erblasser darüber einig gewesen, nach Abschluß des anhängigen Scheidungsverfahrens die Ehe zu schließen. Der Erblasser sei über den Verlauf des Scheidungsrechtsstreits, insbesondere über den Umstand, daß aus seiner Sicht die Beteiligten zu 2) bis 4) sich auf die Seite seiner Ehefrau gestellt hätten, verbittert gewesen. Dies sei der maßgebliche Grund dafür gewesen, daß er seine Töchter von der Erbfolge habe ausschließen wollen. Es sei bereits damals der Wille des Erblassers gewesen, sein gesamtes Vermögen ihr, der Beteiligten zu 1), von Todes wegen zu hinterlassen. Auf diese Weise habe der Erblasser sie für den Rest ihres Lebens absichern wollen. Mit dem Erblasser habe Einvernehmen darüber bestanden, daß sie, die Beteiligte zu 1), das Vermögen nach ihrem Tod in eine Stiftung für elternlose Kinder bzw. körperlich Behinderte habe einbringen sollen. Richtig sei allerdings, daß sie gemeinsam mit dem Erblasser davon ausgegangen sei, sie hätten sich durch die Verfügung vom 16.03.1982 wechselseitig zu Erben eingesetzt. Die Wirksamkeit ihrer, der Beteiligten zu 1), Einsetzung als Erbin habe aber keinesfalls davon abhängig sein sollen, daß sie auch ihrerseits den Erblasser zu ihrem Alleinerben eingesetzt habe.

Die Beteiligten zu 2) bis 4) sind dem Einziehungsantrag entgegengetreten. Sie haben Zweifel daran erhoben, ob das Schriftstück von dem...

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