Leitsatz (amtlich)

Nimmt ein Kläger eine beratende Bank wegen fehlerhafter Anlageberatung auf Schadensersatz in Anspruch, können die Voraussetzungen eines ausschließlichen Gerichtsstands gemäß § 32b Abs. 1 Nr. 2 ZPO erfüllt sein, wenn der Kläger aufgrund eines nach seiner Darstellung fehlerhaften Prospekts beraten wurde, welchen die Bank zu seiner Beratung verwandt hat, auch wenn der Prospekt ihm, dem Kläger, erst nach dem Vertragsabschluss überlassen wurde.

 

Normenkette

ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 3, § 32b Abs. 1 Nr. 2

 

Verfahrensgang

LG Siegen (Aktenzeichen 2 O 365/14)

 

Tenor

Der Senat lehnt eine Zuständigkeitsbestimmung ab.

Die Kosten des Bestimmungsverfahrens trägt der Antragsteller.

Der Gegenstandswert wird auf 9.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Antragsteller beantragt eine Gerichtsstandsbestimmung gem. § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO für eine Klage wegen fehlerhafter Aufklärung über die Risiken eines Beitritts zu einem geschlossenen Immobilienfonds. Die Antragsgegnerin zu 1. ist die beratende Bank, die Antragsgegnerin zu 2. die Initiatorin und Prospektherausgeberin (sowie ausweislich des mit der Klageschrift überreichten Prospekts auch Anbieterin) und die Antragsgegnerin zu 3. die Gründungs- und Treuhandkommanditistin der Fondsgesellschaft.

Nach dem im Bestimmungsverfahren maßgeblichen Vortrag des Antragstellers zeichnete dieser im Januar 2009 nach Beratung durch eine Mitarbeiterin der Antragsgegnerin zu 1. eine Beitrittsvereinbarung zu einem geschlossenen Immobilienfonds; der Fondsprospekt wurde ihm im Anschluss an die Beratung nach Zeichnung mitgegeben. Der Antragsgegnerin zu 1. wirft er insbesondere vor, ihn nicht über bestehende Risiken und drohende Probleme im Zusammenhang mit dem Fonds beraten zu haben. Sie habe für die Beratung einen fehlerhaften Prospekt verwandt, was ihr bei einer Prüfung mit banküblichem kritischem Sachverstand hätte auffallen müssen (vgl. S. 16 f. der Klageschrift). Die Haftung der Antragsgegnerinnen zu 2. und 3. folge daraus, dass diese verschiedene Risiken der Anlage im Prospekt verschwiegen oder unzureichend dargestellt hätten.

Der Antragsteller ist der Auffassung, dass kein gemeinsamer Gerichtsstand der Antragsgegnerinnen gem. § 32b ZPO bestehe, da die Antragsgegnerin zu 1. ihm den Fonds nicht anhand des Prospekts vorgestellt, sondern diesen erst später übergeben habe. Unter Abstellung auf den Schwerpunkt des Rechtsstreits liege es nahe, als gemeinsamen Gerichtsstand das LG Siegen zu bestimmen. Hier hat der Antragsteller auch bereits Klage eingereicht.

Die Antragsgegnerinnen zu 2. und 3. sind der Auffassung, dass ein gemeinsamer Gerichtsstand gem. § 32b ZPO beim LG München I gegeben sei, da zumindest gegen die Antragsgegnerin zu 2. und 3. Schadensersatzansprüche wegen fehlerhafter öffentlicher Kapitalmarktinformation geltend gemacht werden. Sollte der Senat einen Gerichtsstand gem. § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO bestimmen, liege eine Bestimmung des LG München I nahe, da die Prozessbevollmächtigten des Antragstellers in mehr als 50 inhaltlich weitestgehend gleich gelagerten Fällen Klage erhoben hätten.

Die Antragsgegnerin zu 1. hat sich auch innerhalb der verlängerten Stellungnahmefrist nicht zur Gerichtsstandsbestimmung geäußert.

II.1. Die Voraussetzungen einer Gerichtsstandsbestimmung gem. § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO liegen nicht vor. Zwar haben die Antragsgegnerinnen bei verschiedenen Gerichten ihren allgemeinen Gerichtsstand und hat der Antragsteller sie als Streitgenossinnen verklagt; es besteht aber für die Antragsgegnerinnen gem. § 32b Abs. 1 Nr. 1 bzw. Nr. 2 ZPO ein gemeinsamer ausschließlicher Gerichtsstand.

Für die Antragsgegnerinnen zu 2. und 3. liegt ein ausschließlicher Gerichtsstand gem. § 32b Abs. 1 Nr. 1 ZPO vor. Gegen sie wird ein Schadensersatzanspruch wegen falscher öffentlicher Kapitalmarktinformation geltend gemacht. Die Fondsbeteiligung ist eine Kapitalmarktanlage, der Prospekt, dessen Unzulänglichkeit der Antragsteller behauptet, eine öffentliche Kapitalmarktinformation; eine Prospektpflichtigkeit der Anlage ist nicht erforderlich. Der ausschließliche Gerichtsstand besteht unabhängig davon, auf welche konkrete Anspruchsgrundlage der Anspruch gestützt wird (vgl. zum Ganzen nur Zöller/Vollkommer, 30. Auflage, 2014, § 32b ZPO Rn. 5). Schließlich wird die Klage mit der Antragsgegnerin zu 2. auch i.S.v. § 32b Abs. 1 a.E. ZPO gegen die Anbieterin gerichtet.

Für die Antragsgegnerin zu 1. liegt ein ausschließlicher Gerichtsstand gem. § 32b Abs. 1 Nr. 2 ZPO vor. Gegen sie wird ein Schadensersatzanspruch wegen der Verwendung einer falschen öffentlichen Kapitalmarktanlage geltend gemacht. Eine solche Verwendung kann nicht allein durch die körperliche Vorlage des Prospekts im Beratungsgespräch erfolgen. Auch wenn der Prospekt dem Antragsteller nach seinem Vortrag erst nach Zeichnung der Beitrittserklärung vorgelegt wurde, besteht - anders als in dem vom Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 30.07.2013 - X ARZ 320/13 - entschiedenen Fall - auch hinsichtlich der Antragsgegnerin zu 1. ein hinreichender Bezug zu...

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