Leitsatz (amtlich)

Zur Geeignetheit eines Lichtbildes zur Täteridentifizierung.

 

Verfahrensgang

AG Hagen (Entscheidung vom 11.01.2005)

 

Tenor

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben.

Der Betroffene wird auf Kosten der Landeskasse, die auch seine notwendigen Auslagen trägt, frei gesprochen.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen einer fahrlässigen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit nach den §§ 41 Abs. 2 Ziffer 7, 49 StVO in Verbindung mit §§ 24, 25 StVG zu einer Geldbuße von 150 EURO verurteilt und außerdem ein Fahrverbot von einem Monat verhängt. Nach den vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen hat der Betroffene am 3. April 2004 auf der BAB A 45 die an der Vorfallsstelle auf 100 km/h begrenzte zulässige Höchstgeschwindigkeit um 45 km/h überschritten.

Der Betroffene hat Einwendungen gegen die Zuverlässigkeit der Messung nicht erhoben. Er hat allerdings seine Täterschaft bezweifelt und sich dahin eingelassen, dass das gemessene Fahrzeug zu einem "Unternehmenspool" gehöre. Zwar sei es ihm als Betriebsleiter zugeteilt und werde das Fahrzeug überwiegend von ihm genutzt, doch stehe das Fahrzeug bei Bedarf auch seinen Mitarbeitern zur Verfügung. Der tatsächliche Fahrer sei aufgrund der "schlechten Bildqualität" nicht mehr zu ermitteln gewesen. Es sei nicht ausgeschlossen, dass er selbst das Fahrzeug gesteuert habe, anhand des Messfotos sei aber die Identifizierung des Fahrers nicht möglich.

Das Amtsgericht ist davon überzeugt gewesen, dass der Betroffene zum Vorfallszeitpunkt der Fahrer des Pkws gewesen ist. Es hat seine Überzeugung von der Täterschaft des Betroffenen auf ein vom Vorfall gefertigtes Lichtbild/Radarfoto gestützt sowie außerdem auf ein Passfoto des Betroffenen und auf ein Lichtbild von einem früheren Verkehrsverstoß des Betroffenen, bei dem er seine Täterschaft eingeräumt hatte.

Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, das Rechtsmittel zu verwerfen.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist zulässig und hat auch in der Sache mit der Sachrüge Erfolg. Der Betroffene war frei zu sprechen.

Die Beweiswürdigung des Amtsgerichts ist fehlerhaft (§§ 267, 261 StPO). Zwar ist die Beweiswürdigung grundsätzlich Sache des Tatrichters; ihm kann nicht vorgeschrieben werden, unter welchen Voraussetzungen er zu einer bestimmten Schlussfolgerung und Überzeugung kommen darf. Das Rechtsbeschwerdegericht darf die Beweiswürdigung des Tatrichters dementsprechend nicht durch seine eigene ersetzen, hat sie aber auf rechtliche Fehler zu überprüfen (vgl. BGHSt 10, 209;  29, 19). Fehlerhaft ist die Beweiswürdigung dann, wenn sie in sich widersprüchlich, lückenhaft oder unklar ist, gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstößt oder falsche Maßstäbe für die zur Verurteilung erforderliche bzw. ausreichende Gewissheit angelegt werden (vgl. BGH StV 1986, 421 und NStZ 1986, 373; Meyer-Goßner, StPO, 47. Aufl., § 337 Rdnr. 26 ff. und § 261 Rdnr. 38). Gemessen daran hält die Beweiswürdigung im angefochtenen Beschluss rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Feststellungen im angefochtenen Urteil zur Täterschaft des Betroffenen, der seine Fahrereigenschaft nicht eingeräumt hat, entsprechen nämlich nicht den Anforderungen, die die obergerichtliche Rechtsprechung an die Identifizierung des Betroffenen anhand eines von dem Verkehrsverstoß gefertigten Beweisfotos stellt.

Das Amtsgericht hat folgende Ausführungen gemacht:

"Das Gericht ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sicher überzeugt, dass der Betroffene selbst zum Tatzeitpunkt das gemessene Fahrzeug gesteuert hat. Diese Überzeugung beruht ausdrücklich nicht darauf, dass nach Anhörung durch Ermittlungspersonen Mitarbeiter des Betroffenen diesen als Fahrer erkannt haben wollen, die Überzeugung des Gerichts beruht ausschließlich auf der eigenen Inaugenscheinnahme des Betroffenen und der mit ihm vergleichenden Inaugenscheinnahme des Messfotos zum Tatzeitpunkt, des Messfotos zum Zeitpunkt der Geschwindigkeitsmessung vom 17.03.2004 um 09:24 Uhr im beigezogenen Verwaltungsvorgang des Regierungspräsidenten Kassel und des Portrait-Fotos des Betroffenen aus der Passstelle der Gemeindeverwaltung Neunkirchen. Insoweit wird zur Darstellung der Einzelheiten der jeweils abgebildeten Gesichtszüge des Betroffenen auf den Inhalt der genannten Fotos Bl. 15 und 23 der Gerichtsakten und Bl. 1 des beigezogenen Verwaltungsvorganges Bezug genommen. Danach steht zunächst die Identität des Betroffenen und der ihn kennzeichnenden Gesichtszüge auf Grund des Fotos der Gemeindeverwaltung Neunkirchen fest (B1. 23 d.A.), desgleichen die Identität des Betroffenen mit dem Fahrer desselben Pkw BMW-Cabrio am 17.03.2004, da der Betroffene die damalige Fahrereigenschaft einräumt. Die so festgestellten signifikanten Eigenheiten der Gesichtszüge des Betroffenen einschließlich seines Oberlippen- und Kinnbartes lassen durch Vergleich mit der, signifikanten Eigenheiten der Gesichtszüge auf dem hier fraglichen Messfoto vom 03.04.2004 (B1. 15 d.A.) den si...

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