Leitsatz (amtlich)

Die ab dem 1.11.2012 geltende Fassung des § 32b ZPO begründet im Falle einer Klage wegen der Verwendung einer falschen oder irreführenden öffentlichen Kapitalmarktinformation oder wegen der Unterlassung der gebotenen Aufklärung darüber, dass eine öffentliche Kapitalmarktinformation falsch oder irreführend ist, die ausschließliche örtliche Zuständigkeit des Gerichts am Ort des Emittenten, Anbieters oder der Zielgesellschaft nur dann, wenn die Klage auch gegen den Emittenten, Anbieter oder die Zielgesellschaft gerichtet ist.

 

Tenor

Als zuständiges Gericht wird das LG N bestimmt.

 

Gründe

A. Die Klägerin nimmt die Beklagten mit ihrer unter dem Gesichtspunkt des besonderen Gerichtsstandes für Haustürgeschäfte nach § 29c ZPO beim LG E erhobenen Klage wegen behaupteter fehlerhafter Anlageberatung und vorvertraglicher Pflichtverletzung im Zusammenhang mit dem Erwerb einer Beteiligung an der K GmbH & Co. KG als Gesamtschuldner aus eigenem und abgetretenem Recht des Zeugen T auf Schadensersatz in Anspruch.

Die Beklagte zu 2. mit Sitz in N ist u.a. die Treuhand- und Gründungskommanditistin der Fondsgesellschaft. Die Beteiligung der Klägerin wurde durch die Beklagte zu 1. vermittelt.

Die Klägerin bittet um Bestimmung des zuständigen Gerichts und regt an, das LG E als zuständiges Gericht zu bestimmen.

B. Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung gem. § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO liegen vor.

I. Das OLG Hamm ist gem. § 36 Abs. 2 ZPO zu der Bestimmung der Zuständigkeit berufen, da zu dessen Bezirk das zuerst mit der Sache befasste LG E gehört. Das zunächst höhere gemeinschaftliche Gericht aller Beklagten wäre der BGH.

II.1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner auf Schadensersatz in Anspruch genommen und sind Streitgenossen i.S.d. §§ 59 ff. ZPO.

2. Sie weisen unterschiedliche allgemeine Gerichtsstände auf - I im Landgerichtsbezirk I (§§ 12, 17 Abs. 1 ZPO) und N im Landgerichtsbezirk N (§§ 12, 17 Abs. 1 ZPO).

3. Ein gemeinsamer besonderer oder ausschließlicher Gerichtsstand lässt sich für den Rechtsstreit nicht zuverlässig feststellen.

Zwar werden durch die ab dem 1.11.2012 geltende Fassung des § 32b Abs. 1 Nr. 2 ZPO auch Verfahren einbezogen, in denen ein Anspruch auf die Verwendung einer falschen oder irreführenden öffentlichen Kapitalmarktinformation oder auf die Unterlassung der gebotenen Aufklärung darüber, dass eine öffentliche Kapitalmarktinformation falsch oder irreführend ist, gestützt wird (vgl. BR-Drucks. 851/11, 21). Somit sind, ohne dass es noch einer gerichtlichen Bestimmung der Zuständigkeit nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO bedarf, nunmehr auch Prozesse umfasst, in denen lediglich ein mittelbarer Bezug zu einer öffentlichen Kapitalmarktinformation besteht, etwa wenn Anlageberater oder Anlagevermittler, wie die Beklagte zu 1., ebenfalls mitverklagt sind (vgl. BR-Drucks. 851/11, 41).

Dies gilt jedoch nach der eindeutigen Gesetzesfassung nur dann, wenn die Klage zumindest auch gegen den Emittenten, den Anbieter oder die Zielgesellschaft gerichtet wird. Ansonsten ist es nicht angemessen, auch in diesen Fällen einen ausschließlichen Gerichtsstand am Ort des Emittenten, des Anbieters oder der Zielgesellschaft vorzusehen. Da sich die Beklagten, z.B. der Anlageberater oder der Anlagevermittler, in vielen Fällen in örtlicher Nähe zum Kläger befinden, wäre eine Verlagerung des Rechtsstreits an einen anderen, unter Umständen weit entfernten Gerichtsort unverhältnismäßig (vgl. BR-Drucks. 851/11, 42).

An dieser Voraussetzung fehlt es im Streitfall.

Emittent ist derjenige, der Wertpapiere begibt (§ 2 Nr. 9 WpPG; Patzina in MünchKomm/ZPO, 4. Aufl., § 32b Rz. 4). Anbieter ist in Anlehnung an § 2 Nr. 10 WpPG nur derjenige, der für das öffentliche Angebot von Vermögensanlagen verantwortlich ist und so auch den Anlegern gegenüber auftritt (BGH NJW 2007, 1364, Tz. 11). Beide Voraussetzungen treffen auf die Beklagte zu 2., die ausweislich des Prospektes lediglich Treuhandkommanditistin und Mittelverwendungskontrolleurin war, nicht zu.

Schließlich ist die Beklagte zu 2. keine Zielgesellschaft im Sinne der Norm, da im Streitfall kein übernahmerechtlicher Sachverhalt nach § 32b Abs. 1 Nr. 3 ZPO gegeben ist (vgl. zum Begriff der Zielgesellschaft § 2 Abs. 1, 3 WpÜG).

C. Als zuständig wird das LG N bestimmt.

Dies beruht auf Gesichtspunkten der Zweckmäßigkeit und Prozesswirtschaftlichkeit (vgl. zu diesen Kriterien: Zöller/Vollkommer, ZPO, 29. Aufl., § 36 ZPO Rz. 18 m.w.N.), nach denen eine Bestimmung ohne Bindung an den Antrag der Parteien (Patzina in MünchKomm/ZPO, 4. Aufl., § 36 Rz. 31; Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 37 ZPO Rz. 3a) vorzunehmen ist.

I. Es kann dahinstehen, ob hinsichtlich der gegen die Beklagte zu 2. gerichteten Klage eine ausschließliche Zuständigkeit des LG N nach § 32b Abs. 1 Nr. 1 ZPO, eröffnet ist, was bei der Bestimmung des zuständigen Gerichts erhebliches Gewicht hätte (BGH NJW-RR 2008, 1514, 1515 f., Rz. 20). Denn bereits die sonstigen Zweckmäßigkeitsgesichtspunkte führen zu einer Bestimmung des LG N als zuständ...

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