Entscheidungsstichwort (Thema)

Anordnung einer Nachlasspflegschaft auf Antrag eines Gläubigers

 

Leitsatz (amtlich)

Bei einem bedürftigen Nachlass kann die Anordnung der Nachlasspflegschaft nicht davon abhängig gemacht werden, dass der antragstellende Gläubiger die Gerichtskosten vorschießt.

 

Normenkette

BGB § 1961; KostO §§ 6, 8

 

Verfahrensgang

AG Rheine (Beschluss vom 02.11.2009; Aktenzeichen 16 VI 438/09)

 

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird abgeändert.

Es wird eine Nachlasspflegschaft mit dem Wirkungskreis der Vertretung der unbekannten Erben bei der außergerichtlichen und gerichtlichen Geltendmachung von Vergütungsansprüchen der Beteiligten aus ihrem Vertragsverhältnis mit der Erblasserin angeordnet.

Im Übrigen, also zur Auswahl und Bestellung des Nachlasspflegers, wird die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das AG zurückverwiesen.

 

Gründe

I. Die Erblasserin wohnte in dem von der Beteiligten betriebenen Seniorenwohnheim "T2" in S. Aus dem Vertragsverhältnis besteht noch ein Rückstand i.H.v. 2.031,24 EUR. Da sämtliche gesetzliche Erben erster Ordnung die Erbschaft ausgeschlagen haben, beantragte die Beteiligte mit Schreiben vom 22.09.2209, einen Nachlasspfleger zum Zwecke der gerichtlichen Durchsetzung der Forderung zu bestellen.

Das AG gab der Beteiligten unter dem 14.10.2009 auf, binnen zwei Wochen einen Kostenvorschuss i.H.v. 1.000 EUR zu zahlen und kündigte an, im Falle der Nichtzahlung den Antrag abzulehnen.

Nachdem der Nachweis einer Vorschusszahlung nicht erbracht wurde, wies das AG mit Beschluss vom 2.11.2009 den Antrag zurück. Hiergegen legte die Beteiligte rechtzeitig Beschwerde ein, der das AG nicht abhalf.

II. Die Beschwerde ist nach § 58 FamFG statthaft und auch sonst zulässig. Die Beschwerdefrist des § 63 FamFG ist eingehalten, der Beschwerdewert des § 61 FamFG erreicht. Gegen die Ablehnung der Anordnung einer Nachlasspflegschaft steht dem Nachlassgläubiger, der gem. § 1961 BGB die Nachlasspflegschaft beantragt hat, die Beschwerde gem. § 59 FamFG zu. Dies folgt aus der gesetzlichen Regelung des § 1961 BGB, der die Anordnung der Nachlasspflegschaft auf seinen Antrag zwingend vorsieht (KG NJWE-FER 2000, 15; OLGZ 1981, 151; ebenso zur Aufhebung einer unter den Voraussetzungen des § 1961 BGB angeordneten Nachlasspflegschaft OLG Hamm Rpfleger 1987, 416; Keidel/Meyer-Holz, FamFG, 16. Aufl., § 59 Rz. 83), damit er seinen Anspruch schon vor Annahme der Erbschaft auf dem Klagewege geltend machen kann (jurisPK-BGB/Wiedemann, § 1961 Rz. 1).

Die Beschwerde ist auch begründet. Zu Unrecht hat das AG die Anordnung der Nachlasspflegschaft von der Zahlung eines Vorschusses abhängig gemacht. Diese Frage ist allerdings in der Literatur streitig.

Einigkeit besteht weitgehend darüber, dass für die Kosten der Nachlasspflegschaft gem. § 6 KostO "nur die Erben" haften, und zwar ebenso wie für sonstige Nachlassverbindlichkeiten. Die Erben können sich dieser Haftung nicht mit dem Hinweis entziehen, dass die Pflegschaft von anderer Seite beantragt oder ohne hinreichenden Grund angeordnet worden sei (OLG Düsseldorf Rpfleger 2002, 227; LG Oldenburg Rpfleger 1989, 460; Leipold in MünchKomm/BGB, 4. Aufl., § 1961 BGB Rz. 12; Firsching/Graf, Nachlassrecht Rz. 4.687; Staudinger-BGB/Marotzke, Neubearbeitung 2008, § 1961 Rz. 9 mit Hinweisen auf die frühere Rspr. des KG DJZ 1903, 202; KGJ 33 [1907] A 90 = RJA 8 [1907] 24 und BayObLGZ 19, 1918 A 24).

Da die Erben für die Kosten haften, braucht der antragstellende Gläubiger auch nicht einen Vorschuss nach § 8 KostO zu leisten; hierüber besteht weitgehend Einigkeit (LG Oldenburg Rpfleger 1989, 460 mit zustimmender Anm. Lojewski; a.A. [ohne Begründung] BGB-RGRK, 12. Aufl., § 1961 Rz. 6). Unterschiedlich beantwortet wird insbesondere die Frage, ob bei einem bedürftigen Nachlass die Anordnung der Nachlasspflegschaft davon abhängig gemacht werden kann, dass der antragstellende Gläubiger die Gerichtskosten vorschießt. So wird die Auffassung vertreten, dass die Anordnung von einer Vorschusszahlung abhängig gemacht werden könne, wenn ein die Kosten der Nachlassverwaltung deckender Nachlass nicht vorhanden sei (Leipold in MünchKomm/BGB, a.a.O., § 1961 Rz. 12; Soergel/Stein, 13. Aufl., § 1961 Rz. 6; Weithase Rpfleger 1993, 143, 145). Der Senat schließt sich der Gegenauffassung an, weil für die Annahme einer Vorschusspflicht des Gläubigers die erforderliche gesetzliche Grundlage fehlt, die der Gesetzgeber in anderen vergleichbaren Zusammenhängen ausdrücklich angeordnet hat, wie etwa in den §§ 1982 BGB, 26 Abs. 1 InsO (ebenso Staudinger-BGB/Marotzke, a.a.O., § 1961 Rz. 9; Bamberger/Roth/Siegmann/Höger, BGB, 2. Aufl., § 1961 Rz. 4; Palandt/Edenhofer, BGB, 68. Aufl., § 1961 Rz. 1; Zimmermann, Die Nachlasspflegschaft, 2. Aufl., Rz. 74). Ist der Nachlass mittellos, hat nach der Gesetzeslage daher die Staatskasse die Kosten zu tragen (Zimmermann, a.a.O., Rz. 74).

Die weiteren Voraussetzungen des § 1961 BGB liegen vor.

Die Gläubigerin schreibt sich einen nicht offensichtlich unbegründeten Anspruch...

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