Entscheidungsstichwort (Thema)

Haftung für rein psychische Schäden aus einem Verkehrsunfall; Grundsätze der Bemessung des Schmerzensgeldes

 

Leitsatz (amtlich)

1. Erleidet ein Kraftfahrer bei einem Zusammenstoß mit einem Motorrad, dessen Fahrer dabei tödlich verunglückt, lediglich psychische Schäden in Form einer pathologischen Verarbeitung des Geschehens, steht ihm ein Anspruch auf Schadensersatz und Schmerzensgeld zu.

2. Hinsichtlich der Bewertung der Beeinträchtigungen kann der Grad der Schädigungsfolgen herangezogen werden, wobei der Senat hinsichtlich der Plausibilität der Schmerzensgeldhöhe auf die Dauer der Beeinträchtigung abstellt.

3. Auf einer weiteren Stufe ist allerdings eine wertende Betrachtung vorzunehmen, die zu einer Herabsetzung des Schmerzensgeldes führt, da allein die Teilnahme am motorisierten Straßenverkehr das Risiko in sich birgt, Zeuge eines Fremdunfalls zu werden und damit psychisch traumatisierende Situationen zu erleben.

 

Normenkette

BGB § 249; StVG § 7

 

Verfahrensgang

LG Darmstadt (Urteil vom 28.05.2019; Aktenzeichen 4 O 445/16)

 

Tenor

Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.

Die Berufung des Klägers gegen das am 28.05.2019 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt, Az.: 4 O 445/16, wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Dieses und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung

vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 15.000,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten um Ansprüche aus einem Verkehrsunfall vom XX.XX.2014.

An dem o. g. Tag befuhr der Kläger mit seinem Pkw die Landstraße .... Der Fahrer des bei der Beklagten haftpflichtversicherten Motorrades mit dem amtlichen Kennzeichen ... kam dem Kläger auf der entgegengesetzten Fahrbahn entgegen. Er kam in einer Kurve von seiner Fahrbahn ab, kollidierte frontal mit dem Fahrzeug des Klägers und schlug mit dem Kopf auf die Windschutzscheibe dieses Fahrzeugs. Der Motorradfahrer verstarb noch an der Unfallstelle.

Der Kläger begab sich in psychologische Behandlung.

Die volle Haftung der Beklagten dem Grunde nach ist unstreitig.

Die Beklagte regulierte die vom Kläger geltend gemachten materiellen Schäden und zahlte ferner ein Schmerzensgeld in Höhe von 3.000,00 EUR.

Der Kläger begehrte die Zahlung eines weiteren Schmerzensgeldes nebst Zinsen sowie die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm die sämtlichen weiteren immateriellen und materiellen Schäden aus dem Verkehrsunfall vom XX.XX.2014 zu zahlen, soweit sie nicht auf Sozialversicherungsträger oder Dritte übergegangen sind.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes sowie wegen der erstinstanzlich gestellten Anträge nimmt der Senat auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug.

Das Landgericht hat nach Durchführung der Beweisaufnahme durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens die Beklagte zur Zahlung eines weiteren Schmerzensgeldes in Höhe von 12.000,00 EUR nebst Zinsen verurteilt. Ferner hat es festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche künftigen weiteren immateriellen und materiellen Schäden aus dem Verkehrsunfall vom XX.XX.2014 zu zahlen, soweit sie nicht auf Sozialversicherungsträger oder Dritte übergegangen sind.

Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, bei der Bemessung des Schmerzensgeldes sei insbesondere zu berücksichtigen gewesen, dass das Unfallereignis für den Kläger ein einschneidendes Erlebnis gewesen sei. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe fest, dass der Kläger aufgrund des Unfalls an einer Traumafolgestörung mit dem Vorhandensein einiger bedeutender Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung leide. Zudem zeige er Symptome einer leichten depressiven Episode.

Es liege eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 20 % vor. Ferner sei zu berücksichtigen gewesen, dass der Kläger weiterhin nach den Feststellungen des Sachverständigen jedenfalls für weitere zwei bis drei Jahre therapiebedürftig sei.

Ein Mitverschulden aufgrund der Beendigung der psychologischen Behandlung Ende 2016 sei nicht anzunehmen.

Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln, auf die sich der Kläger bezogen habe, könne nicht uneingeschränkt herangezogen werden, da diesem Rechtsstreit der Unfalltod des eigenen Sohnes der dortigen Klägerin zugrunde gelegen habe.

Hinsichtlich des Feststellungsantrages liege das erforderliche Feststellungsinteresse vor, da die Behandlung des Klägers noch nicht abgeschlossen und es noch nicht absehbar sei, ob weitere Schäden entstehen.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, mit der er die Zahlung eines weiteren Schmerzensgeldes, dessen Höhe er in das Ermessen des Gerichts stellt, begehrt. Er meint, es sei ein Betrag in Höhe von mindestens 30.000,00 EUR gerechtfertigt.

Die posttraumatische Belastungsstörung des Klägers, die Schlaflosigkeit und der Rückzug aus seinem sozialen Leben resultierten nicht nur aus der Ta...

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