Leitsatz (amtlich)

Schadenersatz wegen Hinterziehung von Sozialversicherungsabgaben

 

Normenkette

BGB § 823 Abs. 2; StGB § 266a

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Urteil vom 20.03.2019; Aktenzeichen 2-4 O 363/18)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 20.3.2019 wie folgt abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtstreits hat die Klägerin zu tragen.

Das Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin macht gegen den Beklagten einen Anspruch auf Schadensersatz wegen Verletzung der Meldepflichten und vorenthaltenen Sozialversicherungsbeiträgen für den Zeitraum vom 1.9.2013 bis zum 28.6.2016 geltend.

Hinsichtlich des Sachverhalts wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil, die keiner Änderung oder Ergänzung bedürfen, gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben.

Die Klägerin habe gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz i.H.v. 36.444,18 EUR wegen rechtswidrig vorenthaltener Sozialversicherungsabgaben, § 266a StGB i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB.

Die Klägerin sei Anspruchsinhaberin.

Zwar habe der Beklagte die Aktivlegitimation der Klägerin bestritten. Der Beklagte habe sich aber nach § 138 Abs. 2 ZPO zu den Behauptungen der beweispflichtigen Partei substantiiert zu äußern, da er alle wesentlichen Tatsachen kenne und es ihm zumutbar sei, nähere Angaben zu machen (BGH, NJVV-RR 2015, Seite 1279). Dem sei der Beklagte nicht nachgekommen, er trage trotz der bestandskräftig gewordenen Feststellungsbeschlüsse nicht vor, welche Versicherung anstatt der Klägerin für ihn zuständig und einzugsberechtigt sein solle. Sein Bestreiten sei deshalb nicht wirksam.

Der Beklagte sei als Alleingeschäftsführer der Gesellschaft auch verpflichtet gewesen, Sozialabgaben rechtzeitig abzuführen. Diese habe er nicht abgeführt, § 266a StGB.

Der Beklagte sei Arbeitnehmer der A UG gewesen. Auch nach Aufgabe der "Kopf- und Seelen-Rechtsprechung" scheide eine selbstständige Tätigkeit eines Fremdgeschäftsführers generell aus (BSG vom 14.3.2018 - B 12 KR 13/17 R). Ein Geschäftsführer ohne Kapitalbeteiligung sei ausnahmslos abhängig beschäftigt (BSG, a.a.O.). Maßgeblich für die Beurteilung in einer Gesellschaft sei die Beteiligung an den Gesellschaftsanteilen (BSG, a.a.O.). Ein Geschäftsführer, der nicht mehr als 50 Prozent der Anteile am Stammkapital halte, sei grundsätzlich abhängig beschäftigt (BSG, a.a.O.). Die für die Annahme einer selbstständigen Tätigkeit notwendige Rechtsmacht, die den Gesellschafter-Geschäftsführer in die Lage versetze, die Geschicke der Gesellschaft zu bestimmen oder zumindest ihm nicht genehme Weisungen der Gesellschafterversammlung verhindern zu können, müsse gesellschaftsrechtlich eingeräumt sein (BSG, a.a.O.).

Der Treuhandvertrag mit seiner Ehefrau führe rechtlich zu keinem anderen Ergebnis. Denn außerhalb des Gesellschaftsvertrags (Satzung) bestehende wirtschaftliche Verflechtungen, etwa zwischen einem Gesellschafter-Geschäftsführer sowie anderen Gesellschaftern und/oder der GmbH, seien für die Beurteilung nicht zu berücksichtigen (BSG, a.a.O.). Dafür spreche im vorliegenden Falle auch, dass die Ehefrau des Beklagten als Alleingesellschafterin jederzeit in der Gesellschaftsversammlung dem Beklagten Weisungen hätte erteilen können, die dieser als Geschäftsführer der Gesellschaft hätte ausführen müssen, § 46 GmbHG.

Der Beklagte habe auch vorsätzlich als Geschäftsführer die ihm obliegenden Zahlungen der Sozialversicherungsbeiträge nicht an die Klägerin abgeführt.

Der Vorsatz bei § 266a StGB müsse sich auf die Eigenschaft Arbeitnehmer - dabei allerdings nur auf die statusbegründenden tatsächlichen Voraussetzungen, nicht auf die rechtliche Einordnung als solche und die Verpflichtung zur Beitragsabführung - und alle darüber hinausreichenden, die sozialversicherungsrechtlichen Pflichten begründenden tatsächlichen Umstände erstrecken (BGH, Urteil vom 24. Januar 2018 - 1 StR 331/17 -, Rn. 13, juris).

Vorsätzliches Handeln eines Geschäftsführers liege nahe, wenn er die für das Bestehen inländischer Beschäftigungsverhältnisse und der daraus resultierenden Abführungspflicht maßgeblichen Tatsachen kenne (BGH, NStZ 2014, 321).

Vorsatz sei zu bejahen, wenn in der Person des Täters das Bewusstsein und der Wille gegeben seien, die Beiträge bei Fälligkeit nicht abzuführen. Der Täter müsse nicht mit der Absicht gehandelt haben, sich einen Vermögensvorteil zu verschaffen oder die Einzugsstelle zu schädigen (Radtke in MüKoStGB, 3. Aufl. 2019, StGB § 266a Rn. 89).

Der Beklagte habe alle seine Stellung als Arbeitnehmer begründenden Umstände gekannt. Er habe aufgrund ...

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