Verfahrensgang

LG Gießen (Entscheidung vom 10.03.1997; Aktenzeichen 4 O 311/96)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 10.3.97 verkündete Urteil des Landgerichts Gießen abgeändert: Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, an die Klägerin ein Schmerzensgeld von 3.000,- DM zu zahlen.

Im übrigen werden die Berufung zurückgewiesen und die Klage abgewiesen.

Von den Gerichtskosten haben die Klägerin 9/10 und die Beklagte zu 1) 1/10 zu tragen. Von den außergerichtlichen Kosten hat die Klägerin diejenigen der Beklagten zu 1) zu 1/5 und die des Beklagten zu 2) ganz, die Beklagte zu 1) diejenigen der Klägerin zu 1/10 zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beschwer der Klägerin beträgt 12.000,- DM, die der Beklagten zu 1) 3.000,- DM.

 

Tatbestand

Die damals 32-jährige Klägerin entband am 2.6.1991 ihr erstes Kind, eine Tochter, in den Räumen des Beklagten zu 2), der eine gynäkologische Praxis betrieb. Seine Ehefrau, die Beklagte zu 1), ist dort als approbierte Ärztin seit 1981 geburtshilflich tätig und hat weit über 1000 Entbindungen selbständig durchgeführt. Bei der Geburt entstand ein Scheidendammriss zweiten Grades (heranreichend bis an den Sphinkter Ani - vgl. Gutachten Prof. Dr. ... vom 23.10.95, Bl. 59 d. BA -), den die Beklagte zu 1) versorgte und vernähte. Einen wegen des hohen Scheidendamms vorgeschlagenen Entlastungsschnitt hat die Klägerin, die einen umfangreichen Katalog "Wünsche bei und nach der Entbindung" (vgl. im einzelnen Bl. 122 f. d.A.) abgegeben hatte, abgelehnt.

Bei Nachuntersuchungen stellte die Beklagte zu 1) einen im wesentlichen normalen Heilungsverlauf fest.

Am 30.1.92 untersuchte der Arzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Dr. ..., die Klägerin wegen von ihr angegebener starker Kohabitationsbeschwerden. In einem Attest vom 8.10.1992 hat er niedergelegt (vgl. Bl. 6 d.A.), daß der Scheidendamm extrem hoch aufgebaut sei, der Eingang nur noch eine Öffnung von einem Zentimeter im Durchmesser habe und gerade für einen Zeigefinger auf Druck passierbar sei. Die Klägerin müsse sich einer Korrekturoperation unterziehen, um einigermaßen beschwerdefrei kohabitationsfähig zu sein.

Am 9.7.1993 nahm Dr. ... diesen Eingriff vor. Die Klägerin hat dann später ein zweites Kind geboren.

Sie hat der Beklagten zu 1) vorgeworfen, den Scheiden- und Dammriss fehlerhaft versorgt zu haben und behauptet, bis zur Korrektur durch Dr. ... nicht zur Ausübung des Geschlechtsverkehrs in der Lage gewesen zu sein. Wegen häufiger Erkrankung im Zusammenhang mit den Folgen der fehlerhaften Behandlung sei sie an ihrer ordnungsgemäßen Haushaltsführung sowie an der Versorgung ihrer Tochter gehindert gewesen. Sie hat insoweit hilfsweise 15.000,- DM fiktiver Haushaltshilfekosten geltend gemacht.

Die Beklagten haben einen Behandlungsfehler bestritten und angesichts der erst am 26.6.1996 eingereichten Klage und der bereits am 30.1.1992 getroffenen Feststellung Dr. Müllers die Einrede der Verjährung erhoben. Demgegenüber hat die Klägerin die Auffassung vertreten, die sichere Kenntnis von einem Behandlungsfehler erst mit der erfolgreichen Durchführung des Korrektureingriffs vom 9.7.1993 erlangt zu haben. Außerdem sei die Verjährung wegen der nach Schreiben vom 16.10.1992 (Bl. 22 d.A.) bis zur Fristsetzung im Schreiben vom 8.11.1994 (Bl. 25 d.A.) geführten Verhandlungen mit der Haftpflichtversicherung des Beklagten zu 2) gehemmt gewesen.

Das Landgericht hat den von der Klägerin nur gegen den Beklagten zu 2) geführten Vorprozeß 4 O 569/94 einschließlich der dort stattgefundenen Beweisaufnahme zum Gegenstand der Verhandlung gemacht und mit am 10.3.1997 verkündetem Urteil die auf Zahlung von Schmerzensgeld, hilfsweise 15.000,- DM Schadenersatz, gerichtete Klage abgewiesen.

Zur Begründung ist ausgeführt, für eine fehlerhafte Behandlung durch den Beklagten zu 2) sei nichts ersichtlich. Dieser hafte auch nicht für die Beklagte zu 1) als seiner Verrichtungsgehilfin, denn er habe sie sorgfältig ausgesucht, und er sei nicht zur Beaufsichtigung verpflichtet gewesen.

Auch die Beklagte zu 1) könne nicht verurteilt werden. Es spreche zwar vieles für einen ärztlichen Behandlungsfehler, jedoch sei Verjährung gegeben.

Die hilfsweise auf materiellen Schadenersatz gerichtete Klage hatte keinen Erfolg, weil das Bestehen eines solchen Anspruchs nicht substantiiert worden sei.

Hiergegen richtet sich die zulässige Berufung der Klägerin. Sie hält weiterhin eine Haftung des Beklagten zu 2) nach § 831 BGB für gegeben. Die Beklagte zu 1) sei keine Gynäkologin, so daß der Beklagte zu 1) die Dammnaht hätte vornehmen müssen. Im übrigen bezieht sie sich im wesentlichen auf ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Die Klägerin beantragt,

das am 10.3.1997 verkündete Urteil des Landgerichts Gießen abzuändern und die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld zu zahlen,

hilfsweise,

den Beklagten zu 2) zu verurteilen, an sie 15.000,- DM zu zahlen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie bestrei...

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