Entscheidungsstichwort (Thema)

Erfordernis der Parteizustellung im Berufungsverfahren

 

Normenkette

ZPO §§ 927, 929 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Aktenzeichen 3/11 O 1/01)

 

Tenor

Die mit Urteil des Senats vom 13.9.2001 neu erlassene einstweilige Verfügung wird aufgehoben.

Die Antragstellerin hat die Kosten des Eilverfahrens einschließlich derjenigen des Aufhebungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist rechtskräftig.

 

Tatbestand

Der erkennende Senat hat durch Urt. v. 13.9.2001 auf die Berufung der Antragstellerin das Urteil des LG vom 2.2.2001, mit dem dieses eine von ihm zuvor im Beschlusswege erlassene Unterlassungsverfügung vom 21.12.2000 unter Zurückweisung des Eilantrages aufgehoben hatte, abgeändert und die Beschlussverfügung vom 21.12.2000 „bestätigt”. Das Urteil des Senats hat die Antragstellerin der Antragsgegnerin nicht im Parteibetrieb zugestellt.

Die Antragsgegnerin beantragt die Aufhebung der einstweiligen Verfügung nach § 927 ZPO wegen Versäumung der Vollziehungsfrist des § 929 Abs. 2 ZPO.

Von der weiteren Darstellung des Tatbestandes wird gem. § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

 

Entscheidungsgründe

Der Aufhebungsantrag nach § 927 ZPO, über den der Senat zu entscheiden hat, da das Hauptsacheverfahren bei ihm anhängig ist (§ 927 Abs 2 ZPO), hat Erfolg, da die Antragstellerin die einstweilige Verfügung nicht innerhalb der Frist des § 929 Abs. 2 ZPO vollzogen hat.

Der Senat schließt sich der in Rechtsprechung und Literatur überwiegend vertretenen Auffassung an, wonach ein Berufungsurteil, mit dem eine in erster Instanz zunächst im Beschlusswege erlassene, auf Widerspruch jedoch wieder aufgehobene einstweilige Verfügung unter Abänderung der Aufhebungsentscheidung „bestätigt” wird, der (erneuten) Vollziehung nach § 929 Abs. 2 ZPO bedarf (vgl. OLG Frankfurt v. 14.5.1985 – 20 W 421/84, NJW-RR 1986, 64; OLG Celle v. 24.7.1986 – 5 U 139/86, WRP 1986, 612; OLG Düsseldorf v. 11.7.1995 – 20 U 100/95, WRP 1995, 732 [735]; OLG Hamburg v. 24.10.1996 – 3 U 106/96, OLGR Hamburg 1997, 44 = WRP 1997, 53 [54]; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche, 7. Aufl., Rz. 49a zu Kapitel 55; Melullis, Handbuch des Wettbewerbsprozesses, 3. Aufl., Rz. 229; Ahrens/Spätgens, Einstweiliger Rechtsschutz und Vollstreckung in UWG-Sachen, 3. Aufl., Rz. 102; Stein/Jonas, ZPO, 21. Aufl., Rz. 6 zu § 929, jeweils m.w.N.; a.A.: OLG Düsseldorf NJW 1950, 113; OLG Celle v. 24.7.1986 – 5 U 139/86, WRP 1986, 612).

Wenn eine im Beschlusswege erlassene einstweilige Verfügung durch ein für vorläufig vollstreckbar erklärtes Urteil des LG wieder aufgehoben wird, hat diese Entscheidung nicht – lediglich – die Wirkung, dass die Zwangsvollstreckung aus der einstweiligen Verfügung nach § 775 Nr. 1 ZPO einstweilen abgewendet werden könnte (so aber OLG Düsseldorf NJW 1950, 113). Vielmehr wird die einstweilige Verfügung durch das Aufhebungsurteil – ungeachtet dessen fehlender Rechtskraft – sofort vollständig beseitigt; nur so kann angesichts des Umstandes, dass die Beschlussverfügung zunächst ohne Anhörung des Antragsgegners erlassen worden ist, dem Grundsatz des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) jedenfalls nachträglich ausreichend Rechnung getragen werden (vgl. bereits die Entscheidung des erkennenden Senats OLGZ 1976, 373; OLG Düsseldorf v. 11.7.1995 – 20 U 100/95, WRP 1995, 732 [735]; OLG Hamburg v. 24.10.1996 – 3 U 106/96, OLGR Hamburg 1997, 44 = WRP 1997, 53 [54]; unter Aufgabe der früher vertretenen Auffassung; Teplitzky WRP 1987, 149 [150] m.w.N.). Demzufolge wird bei einer Abänderung des Aufhebungsurteils durch das Berufungsgericht nicht die Wirkung einer bereits bestehenden einstweiligen Verfügung wieder hergestellt, sondern der Sache nach die durch das LG beseitigte einstweilige Verfügung neu erlassen. Dies gilt auch dann, wenn – wie hier – in Anlehnung an die Formulierung in § 925 ZPO im Tenor des Berufungsurteils die Beschlussverfügung „bestätigt” wird (vgl. OLG Düsseldorf v. 11.7.1995 – 20 U 100/95, WRP 1995, 732 [735]).

Da somit auch im vorliegenden Fall durch das Senatsurteil vom 13.9.2001 die einstweilige Verfügung der Sache nach neu erlassen worden ist, bedurfte diese Urteilsverfügung der fristgerechten Vollziehung nach § 929 Abs. 2 ZPO. Für die Vollziehung einer Unterlassungsverfügung ist nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. OLG Frankfurt v. 12.9.1994 – 6 U 118/94, CR 1995, 91 = OLGR Frankfurt 1994, 227 m.w.N. sowie Beschl. v. 22.3.1999 – 6 W 37/99, OLGR Frankfurt 2000, 59) regelmäßig die Zustellung im Parteibetrieb erforderlich, an der es im vorliegenden Fall fehlt. Auch eine andere Maßnahme, in der nach der genannten Senatsrechtsprechung ausnahmsweise ebenfalls eine Vollziehung der Unterlassungsverfügung gesehen werden könnte, hat die Antragstellerin nicht ergriffen.

Die vom Senat der Sache nach neu erlassene einstweilige Verfügung war daher nach § 927 Abs. 1 ZPO aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Dabei waren der Antragstellerin neben den Kosten des Aufhebungsverfahrens auch die übri...

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