Entscheidungsstichwort (Thema)

Deliktische Haftung des Fahrzeugherstellers im Abgasskandal: Abzug des Verkaufserlöses aus der Weiterveräußerung des Fahrzeuges

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Schaden des Käufers eines vom Abgasskandal betroffenen Fahrzeugs entfällt nicht dadurch, dass der Käufer das Fahrzeug zwischenzeitlich veräußert hat. Der erzielte Verkaufserlös ist vielmehr nach den Regeln der Vorteilsausgleichung von dem Schadensersatzanspruch des Käufers abzuziehen.

 

Normenkette

BGB §§ 31, 249, 826

 

Verfahrensgang

LG Darmstadt (Urteil vom 08.08.2019; Aktenzeichen 9 O 212/18)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 8.8.2019 verkündete Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 8.11.2019 teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 9.394,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem Betrag von 19.408,00 EUR, der sich Tag für Tag linear auf 17.144,00 EUR ermäßigt, für die Zeit vom 28.8.2018 bis zum 23.9.2020 sowie aus einem Betrag von 9.394,00 EUR seit dem 24.9.2020 zu zahlen.

Die Beklagte wird weiter verurteilt, an den Kläger die durch die Beauftragung seines Prozessbevollmächtigten entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.171,67 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.8.2018 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung des Klägers werden zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits (erstinstanzliches Verfahren und Berufungsverfahren) hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Der Gebührenstreitwert des Berufungsverfahrens wird auf 17.976,66 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Kläger begehrt im Rahmen des sog. Abgasskandals von der Beklagten Schadensersatz wegen des Erwerbs eines Pkw Audi A3 Sportback, der mit einem von der Beklagten entwickelten und konstruierten Dieselmotor des Typs EA 189 ausgestattet ist.

Der Kläger erwarb den streitgegenständlichen Pkw am 2.11.2012 von der Autohaus X Vertriebs GmbH & Co. KG in Stadt1 mit einem Kilometerstand von 8.167 km zum Preis von 24.000,00 EUR.

Hinsichtlich des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes und der erstinstanzlichen Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 205 ff. d. A.) Bezug genommen.

Mit am 8.8.2019 verkündetem Urteil (Bl. 453 ff. d. A.), berichtigt durch Beschluss vom 8.1.2019 (Bl. 453a f. d.A.), hat das Landgericht die Beklagte zur Zahlung von 17.976,66 EUR nebst Delikts- und Prozesszinsen Zug um Zug gegen Übereignung des streitgegenständlichen Pkw verurteilt. Ferner hat das Landgericht den Annahmeverzug der Beklagten festgestellt und die Beklagte zur Zahlung der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten des Klägers verurteilt. Im Übrigen hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe des Urteils (Bl. 455 ff. d. A.) wird Bezug genommen. Das Urteil wurde der Beklagten am 5.9.2019 zugestellt.

Hiergegen richtet sich die mit Schriftsatz vom 27.9.2019 (Bl. 491 f. d. A.), eingegangen bei Gericht am 2.10.2019, eingelegte und - nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist durch den Senat - mit Schriftsatz vom 5.12.2019 (Bl. 514 ff. d. A.), eingegangen bei Gericht am selben Tag, begründete Berufung der Beklagten, mit der sie ihren ursprünglichen Klageabweisungsantrag weiterverfolgt. Auf die Berufungsbegründung (Bl. 514 ff. d. A.) wird Bezug genommen.

Mit Vertrag vom 18.9.2020 verkaufte der Kläger den Pkw an die Autohaus Y GmbH zum Preis von 7.750,00 EUR. Die Übergabe erfolgte am 23.9.2020, zu diesem Zeitpunkt betrug der Kilometerstand des Pkw 91.538 km.

Ergänzend zu ihrem bisherigen Vorbringen trägt die Beklagte nunmehr vor: Die im Berufungsverfahren erfolgte Weiterveräußerung des streitgegenständlichen Pkw lasse einen Schaden des Klägers nachträglich entfallen. Ein etwaiger Anspruch auf Naturalrestitution - hier in Form eines Anspruchs auf Rückabwicklung des Kaufvertrages - nach § 249 Abs. 1 BGB sei mit der Veräußerung des Pkw ersatzlos untergegangen. Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf Entschädigung nach § 251 Abs. 1 BGB oder § 253 BGB. Jedenfalls schulde der Kläger im Rahmen der vorzunehmenden Vorteilsanrechnung Wertersatz in Höhe des damals vereinbarten Kaufpreises, der die Klageforderung übersteige.

Die Beklagte beantragt,

das am 8.8.2019 verkündete Urteil des Landgerichts Darmstadt, Az. 9 O 212/18 im Umfang der Beschwer der Beklagten abzuändern und die Klage vollumfänglich abzuweisen.

Der Kläger beantragt zuletzt,

die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass nunmehr Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Zahlu...

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