Verfahrensgang

LG Wiesbaden (Urteil vom 26.07.2017; Aktenzeichen 1 O 277/16)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Wiesbaden vom 26.07.2017 - 1. Zivilkammer - abgeändert.

Das Versäumnisurteil vom 11.01.2017 wird aufgehoben.

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 28.366,85 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 27.03.2014 zu zahlen.

Der Beklagte wird ferner verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten i.H.v. 1.141,90 EUR zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Dem Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch den Kläger durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung i.H.v. 110 % des gegen ihn vollstreckbaren Betrages abzuwenden, sofern nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf 28.366,85 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Kläger begehrt als Insolvenzverwalter über das Vermögen der A1 GmbH von dem Beklagten im Wege der Insolvenzanfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO in der bis zum 04.04.2017 geltenden Fassung Rückzahlung von in der Zeit vom 08.08.2011 bis 23.08.2012 erhaltener Zahlungen sowie in der Zeit vom 31.01.2013 bis 30.09.2013 durch Kontenpfändung vollstreckter Beträge in Höhe von insgesamt 28.366,85 EUR.

Am 11.01.2017 erging ein die Klage abweisendes Versäumnisurteil. Auf den zulässigen Einspruch des Klägers hat das Landgericht mit dem angefochtenen Urteil, auf dessen Inhalt nach § 540 Abs. 1 ZPO Bezug genommen wird, das Versäumnisurteil aufrechterhalten und zur Begründung ausgeführt, dass der geltend gemachte Anspruch nicht bestehe, weil es jedenfalls an der durch gewichtige Beweisanzeichen begründeten Kenntnis des Beklagten von einem Gläubigerbenachteiligungsvorsatz der Schuldnerin fehle. Der Umstand, dass die Schuldnerin die Beitragsrückstände gegenüber dem Beklagten über einen längeren Zeitraum hinweg ständig in beträchtlichem Umfang nicht ausgeglichen habe, stelle nur ein im Rahmen der Gesamtwürdigung zu berücksichtigendes Beweisanzeichen dar, welches für sich alleine keine widerlegliche Vermutung der Kenntnis des Beklagten von der Zahlungsunfähigkeit begründe. Die Schuldnerin habe zwar unstreitig im Zeitraum April 2011 bis April 2012 die Beiträge nur schleppend und in Teilbeträgen gezahlt. Auch mussten die Beiträge für Mai bis August 2012 tituliert und durch Forderungspfändungen beigetrieben werden. Allerdings habe allein die schleppende und ausbleibende Forderungstilgung keine Auffälligkeit für den Beklagten gezeigt, weil nach dem eigenen Vortrag des Klägers bereits zuvor erhebliche Verzugszeiträume vorgelegen und mehrere Rechtsstreitigkeiten vor dem Arbeitsgericht geführt worden seien, ohne dass für diese Zeiträume die Voraussetzungen einer Zahlungsunfähigkeit nach § 17 Abs. 2 S. 1 InsO behauptet worden wären. Schon im 1. Quartal 2010 hätten die Verzugszeiträume 3,4-5,4 Monate betragen, mit dem Beitrag für Juni 2010 habe sich die Schuldnerin ca. 10 Monate in Verzug befunden. Die Situation habe sich folglich aus Sicht des Beklagten auch nicht dahingehend auffällig zugespitzt, dass die Verzugszeiträume länger geworden seien. Schon für Beitragszeiten vor März 2011 titulierte Forderungen in Höhe von über 8.000 EUR hätten im Wege der Zwangsvollstreckung beigetrieben werden müssen. Hinzu komme, dass die Forderungen des Beklagten nicht strafbewehrt seien und die Beiträge gerade das Insolvenzrisiko der Beschäftigten bezüglich der Abgeltung von Urlaubsansprüchen absichern sollten, weshalb die Schuldnerin hierfür möglicherweise gar keine wirtschaftliche Notwendigkeit gesehen habe. Schließlich sei die Branche der Schuldnerin mit stockenden Werklohneingängen konfrontiert, weshalb auch die Inanspruchnahme einer Kreditlinie durch die Schuldnerin noch nicht den Verdacht drohender Zahlungsunfähigkeit rechtfertige. Jedenfalls habe aber der Beklagte der Schuldnerin noch am 31.07.2013, also zwischen den u.a. streitgegenständlichen Überweisungen der Drittschuldnerin vom 07.05.2013 und 05.09.2013 einen Betrag von mindestens 3.924,13 EUR für an ihre Arbeitnehmer ausgezahlte Bruttobeträge an Urlaubsentgelt und/oder Urlaubsvergütungen erstattet, obwohl ein Erstattungsanspruch des Arbeitgebers nur dann bestehe, wenn zum Zeitpunkt der Geltendmachung sein Beitragskonto ausgeglichen sei. Gerade das bei den Beklagten auftretende Wechselspiel zwischen Beitragsrückständen, die zu titulieren sind, und Erstattungsansprüchen zeige, dass aufgrund der Zahlungsrückstände nicht der naheliegende Schluss auf eine drohende Zahlungsunfähigkeit gezogen werden müsse. Hinzu komme, dass gerichtsbekannt in der Branche der Schuldnerin viele Unternehmen auch vor dem Hintergrund der wechselnden Rückstände und Erstattungsansprüche, die verhältnismäßig günstigen Verzugszinsen in Kauf nähmen, ohne dass jeweils eine Zahlungsunfähigkeit drohe, wie ...

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