Leitsatz (amtlich)

1. Nicht jede Werbung, die sich gezielt an Kinder und Jugendliche wendet, ist geeignet, deren geschäftliche Unerfahrenheit auszunutzen.

2. Eine gezielt an Kinder gerichtete Wertreklame, die bestimmte Prämien im Rahmen einer Sammelaktion verspricht, ist nicht generell unzulässig.

3. Für die Beurteilung, ob eine Sammelaktion die geschäftliche Unerfahrenheit von Kindern ausnutzt, die mit ihrem Taschengeld in gewissem Umfang selbst wirtschaften, ist die Transparenz des Angebots einschließlich der Werthaltigkeit der versprochenen Zugaben von erheblicher Bedeutung.

 

Normenkette

UWG §§ 3, 4 Nr. 2

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Urteil vom 15.12.2004; Aktenzeichen 3-12 O 170/04)

 

Tenor

Die Berufung gegen das am 15.12.2004 verkündete Urteil der 12. Kammer für Handelssachen des LG Frankfurt/M. wird auf Kosten der Antragstellerin zurückgewiesen.

Das Urteil ist rechtskräftig.

 

Gründe

I. Die Antragstellerin ist die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs. Die Antragsgegnerin vertreibt Nahrungsmittel, insb. Süßwaren. Die Parteien streiten über die wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit der Werbeaktion "...", die die Antragsgegnerin im Oktober 2004 begann. Auf den Verpackungen verschiedener Produkte der Antragsgegnerin wurden "..." aufgedruckt, die ausgeschnitten und in ein zugehöriges Sammelheft geklebt werden sollten. Die gesammelten "..." konnten bei Erreichen einer bestimmten Anzahl eingetauscht werden gegen Prämien im Kontext mit dem Film "X". Dieser Film war für Kinder ab sechs Jahren freigegeben; er lief ab dem 9.12.2004 in den deutschen Kinos an. Für 50 "..." lobte die Antragsgegnerin eine Kinokarte aus. Daneben waren wahlweise für 50, 75 und 100 "..." eine Tasse, eine Kappe, ein T-Shirt oder ein Handtuch erhältlich, die jeweils mit Motiven aus dem genannten Film verziert waren. Für 75, 100 und 150 "..." konnte der Einsender des Sammelheftes eine Kappe, ein Langarm-Shirt oder einen Rucksack aus der "Kinder Sportwear Collection" bekommen. Die Anzahl der auf den Erzeugnissen der Antragsgegnerin aufgedruckten "..." war je nach dem Preis der Ware unterschiedlich; so befanden sich auf der Verpackung einer "Y" ein und auf der Verpackung einer "Z" sechs "...". Nach einer von der Antragsgegnerin vorgelegten Aufstellung konnten 50 ... beispielsweise mit einem Kostenaufwand von 25,47 EUR gesammelt werden. Die Sammelhefte konnten bis zum 31.3.2005 eingelöst werden.

Die Antragstellerin hat die Werbeaktion als wettbewerbswidrig beanstandet, weil die Aktion geeignet sei, die geschäftliche Unerfahrenheit von Kindern auszunutzen (§§ 3, 4 Nr. 2 UWG). Sie hat unter Bezugnahme auf die konkrete Verletzungsform beantragt, der Antragsgegnerin die Ankündigung und/oder Durchführung einer solchen Aktion zu untersagen. Das LG hat den Eilantrag zurückgewiesen. Gegen dieses Urteil, auf dessen tatsächliche Feststellungen gem. § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, wendet sich die Antragstellerin mit ihrer Berufung, mit der sie ihren erstinstanzlichen Antrag weiterverfolgt.

II. Die Berufung der Antragstellerin ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg.

Festzuhalten ist vorab, dass die Antragstellerin bei der Begründung ihres Unterlassungsbegehrens nicht zwischen den einzelnen Prämien differenziert und - in Auseinandersetzung mit der Entscheidung des LG - die gesonderte Bewertung eines "Teilbereichs Kinokarte" ausdrücklich ablehnt. Dementsprechend erfasst der Eilantrag, der unter Berücksichtigung der Antragsbegründung auszulegen ist, nicht die mit der Prämie "Kinokarte" verbundene Besonderheit, dass der Erwerb dieser Prämie, unabhängig von der Laufzeit der Aktion insgesamt, nur so lange lohnenswert ist, wie der Film in den Kinos läuft. Soweit jugendliche Kunden ihr Augenmerk auf die Kinokarte richten und in den übrigen Prämien keinen adäquaten Ersatz sehen, mögen sie sich bei dem Sammeln der "..." unter Zeitdruck fühlen, zumal im Vorhinein nicht feststeht, wie viele Wochen ein Film in den Kinos zu sehen sein wird. Dieser auf eine der ausgelobten Prämien beschränkte Gesichtspunkt ist aber, wie gesagt, nicht Gegenstand des vorliegenden, auf grundsätzlichere Fragestellungen ausgerichteten, Verfahrens.

Das LG hat einen Verstoß gegen §§ 3, 4 Nr. 2 UWG mit Recht verneint. Die beanstandete Werbeaktion ist nicht geeignet, die geschäftliche Unerfahrenheit von Kindern auszunutzen.

Die Vorschrift des § 4 Nr. 2 UWG ist hier anwendbar, da sich die Werbeaktion der Antragsgegnerin gezielt (auch) an Kinder gerichtet hat. Auf mögliche Werbewirkungen ggü. Jugendlichen stellt die Antragstellerin erklärtermaßen nicht ab. Auf der anderen Seite werden von kleineren Kindern, die noch kein Taschengeld erhalten, keine eigenen Kaufentscheidungen getroffen. Somit geht es - vorbehaltlich der später noch zu erörternden Frage, wie sich eine durch Werbung ausgelöste Einflussnahme von Kindern auf die Kaufentscheidungen ihrer Eltern wettbewerbsrechtlich auswirken kann - im vorliegenden Fall um das Verhalten von Kindern, die Taschengeldempfänger sind un...

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