Entscheidungsstichwort (Thema)

Wettbewerbsrecht: Unterlassungsanspruch bei Verletzung der über die Vorgaben der EU-Elektrizitätsrichtlinie hinausgehenden deutschen Stromkennzeichnungspflichten

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Verletzung von Informationspflichten in einem Werbeflyer kann bei der gebotenen europakonformen Auslegung des UWG keinen wettbewerblichen Unterlassungsanspruch nach § 42 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 EnWG i.V.m. §§ 3, 4 Nr. 11, 8 ff. UWG begründen, soweit gegen Stromkennzeichnungspflichten nach § 42 EnWG verstoßen wird, die über die Vorgaben der Elektrizitätsrichtlinie hinausgehen.

2. Dies ergibt sich aus den Vorgaben der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken (UGP-Richtlinie 2005/29/EG), die wegen ihres Ziels der Vollharmonisierung des Wettbewerbsrechts in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union bei der Anwendung des UWG stets zu berücksichtigen ist.

 

Normenkette

EnwG § 42 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2; EGRL 54/2003 Art. 3 Abs. 6; EGRL 29/2005 Art. 1, 3 Abs. 4-5, Art. 7; UWG §§ 3, 4 Nr. 11, § 8

 

Verfahrensgang

LG Darmstadt (Urteil vom 14.12.2010; Aktenzeichen 12 O 381/10)

 

Tenor

Die Berufung der Verfügungsklägerin gegen das am 14.12.2010 verkündete Urteil der 12. Zivilkammer des LG Darmstadt (Az. 12 O 381/10) wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor hinsichtlich Ziff. 2 zur Klarstellung wie folgt neu gefasst wird:

"In an Letztverbraucher gerichteten Werbeflyern für den Verkauf von Elektrizität gegenüber Letztverbrauchern zu werben und/oder werben zu lassen, ohne den Anteil der einzelnen Energieträger (Kernkraft, fossile und sonstige Energieträger, Erneuerbare Energien) an dem Gesamtträgermix, den die Beklagten im letzten oder vorletzten Jahr verwendet hat, anzugeben, insbesondere wenn dies wie in Anlage Ast 3 geschieht.

Die Anschlussberufung wird zurückgewiesen.

Von den Kosten der Berufung haben die Klägerin 6/7 und die Beklagte 1/7 zu tragen.

 

Gründe

I. Die Parteien sind Wettbewerber auf dem Strommarkt.

Die Verfügungsbeklagte (nachfolgend Beklagte) bewarb ihr Produktangebot "..." mit dem als Anlage Ast 3 vorgelegten Werbeflyer. Dieser enthielt nicht die in § 42 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 EnWG geforderten Angaben zur Stromkennzeichnung.

Die Verfügungsklägerin (nachfolgend Klägerin) hat in Bezug auf diese Werbung gegen die Beklagte Unterlassungsansprüche im Wege der einstweiligen Verfügung geltend gemacht. Auf den Antrag der Klägerin auf Erlass einer einstweiligen Verfügung hat das LG die mündliche Verhandlung angeordnet. Mit Urteil vom 14.12.2010 hat das LG - soweit in der Berufungsinstanz noch von Interesse - der Beklagten aufgegeben, es strafbewehrt zu unterlassen, in Werbeflyern für den Verkauf von Elektrizität gegenüber Letztverbrauchern zu werben und/oder werben zu lassen, ohne den Anteil der einzelnen Energieträger (Kernkraft, fossile und sonstige Energieträger, Erneuerbare Energien) an dem Gesamtenergieträgermix, den die Beklagte im letzten oder vorletzten Jahr verwendet hat, anzugeben, insbesondere wenn dies wie in Anlage Ast. 3 geschieht. Im Übrigen hat es den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. Wegen der Begründung und der tatsächlichen Feststellungen wird auf das angefochtene Urteil (Bl. 161 - 172 d.A.) Bezug genommen.

Gegen das am 29.12.2010 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit am 13.1.2011 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese begründet. Die Beklagte hat innerhalb der ihr gesetzten Berufungserwiderungsfrist Anschlussberufung eingelegt.

Die Parteien streiten vor allem noch darüber, ob wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche in Betracht kommen, soweit die in § 42 EnWG geregelten Stromkennzeichnungspflichten über die Vorgaben der Elektrizitätsrichtlinie der EU (Richtlinie 2003/54/EG) hinausgehen.

Die Klägerin beantragt, unter Abänderung des Urteils des LG Darmstadt vom 14.12.2010 (Az. 12 O 381/10) der Beklagten im Wege der einstweiligen Verfügung aufzugeben, es strafbewehrt zu unterlassen,

a) in Werbeflyern für den Verkauf von Elektrizität gegenüber Letztverbrauchern zu werben und/oder werben zu lassen, ohne die Informationen über die Umweltauswirkungen zumindest in Bezug auf Kohlendioxidemissionen (CO2-Emmissionen) und radioaktiven Abfall anzugeben, die auf den Gesamtenergieträgermix der Beklagten zurückzuführen sind, den die Beklagte im letzten oder vorletzten Jahr verwendet hat, wenn dies wie in Anlage Ast. 3 geschieht;

b) in Werbeflyern für den Verkauf von Elektrizität gegenüber Letztverbrauchern zu werben und/oder werben zu lassen, ohne die Durchschnittswerte der Stromerzeugung in Deutschland in Bezug auf den Anteil der einzelnen Energieträger (Kernkraft, fossile und sonstige Energieträger, Erneuerbare Energien) an dem Gesamtenergieträgermix und dessen Umweltauswirkungen zumindest in Bezug auf Kohlendioxidemissionen (CO2-Emissionen) und radioaktiven Abfall im letzten oder vorletzten Jahr anzugeben, wenn dies wie in Anlage Ast. 3 geschieht.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen, im Wege der Anschlussberufung, das Urteil des LG Dar...

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