Entscheidungsstichwort (Thema)

Eingriff in den Gewerbebetrieb des Herstellers durch "überschießende" Abnehmerverwarnung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Stellt sich eine gegenüber den Abnehmern von Erzeugnissen eines Herstellers ausgesprochene Schutzrechtsverwarnung aus einem Verfahrenspatent nur deshalb als objektiv ungerechtfertigt dar, weil mit der Verwarnung auch die Unterlassung von Handlungen verlangt worden ist, die als solche den Tatbestand der mittelbaren Patentverletzung nicht erfüllen (Einführen von Anlagen oder Anlagenteilen), liegt hierin nur dann ein rechtswidriger Eingriff in den Gewerbebetrieb des Herstellers, wenn zu erwarten ist, dass die Abnehmer infolge der ausgesprochenen Verwarnung davon absehen werden, vom Hersteller stammende Anlagen oder Anlagenteile aus dem Ausland zu beziehen. Dagegen kann ein Eingriff in den Gewerbebetrieb des Herstellers nicht bereits darin gesehen werden, dass die Abnehmer infolge der Verwarnung auch keine Anlagen oder Anlagenteile anderer Anbieter einführen; dies gilt unabhängig davon, ob sich damit zugleich der wirtschaftliche Druck auf den Hersteller erhöht.

2. In dem unter Ziffer 1. genannten Fall ist die Verwarnung zwar auch dann ungerechtfertigt, wenn dem Abnehmer die - den Vorwurf der mittelbaren Patentverletzung ebenfalls nicht begründende - Herstellung von Anlagen oder Anlageteilen als solche untersagt werden sollte. Ein in diesem Sinn patentrechtlich zulässiges Herstellen durch den Abnehmer liegt jedoch nicht darin, dass der Abnehmer die von ihm zum Zwecke der Benutzung des patentierten Verfahrens angebotenen und gelieferten Teile anschließend bei seinem Kunden montiert.

 

Normenkette

BGB § 823; PatG § 10

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 20.07.2012; Aktenzeichen 2-6 O 609/10)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 07.07.2020; Aktenzeichen X ZR 42/17)

 

Tenor

Die gegen die Beklagten zu 2) und 3) gerichtete Berufung der Klägerin gegen das am 20.07.2012 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2) und 3) in den Berufungsverfahren werden der Klägerin auferlegt.

Im Übrigen bleibt die Kostenentscheidung der Schlussentscheidung vorbehalten.

Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten zu 2) und 3) vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

 

Gründe

I. Die Klägerin nimmt die Beklagten auf Schadensersatz wegen unberechtigter Schutzrechtsverwarnungen in Anspruch.

Die Beklagte zu 1 war Inhaberin des - inzwischen für nichtig erklärten - Patents .... Die im vorliegenden Rechtsstreit in Rede stehenden Patentansprüche 3 und 4 lauteten:

"3. Verfahren zur Übermittlung von Steuersignalen von einem Wiedergabegerät (7) mit einem der Erzeugung eines den Sendebereich bestimmenden Dauersignals für einen Empfangskonverter (6) dienenden Generator (9) an eine Empfangssteuereinheit (4) über ein Koaxialkabel zur Übermittlung der Empfangssignale und der Sendebereichssteuersignale, dadurch gekennzeichnet, dass bei Programmumschaltung von dem Wiedergabegerät das Dauersignal zur Bestimmung des Sendebereichs gemäß einer Steuersequenz kurzzeitig ein oder mehrmals unterbrochen wird, wenn es im eingeschalteten Zustand ist, bzw. angeschaltet wird, wenn es in einem ausgeschalteten Zustand ist, und dass die Empfangssteuereinheit (4) diese Signale zur Steuerung der Antenne empfängt und den Empfangskonverter (6) auf die gewünschte Position einstellt.

4. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die Einstellung der Position durch Abfragen der Ist-Position des Empfangskonverters (6), Auslesen einer Soll-Position aus dem Speicher und Regelung des Motors (1) entsprechend der Abweichung zwischen Soll und Ist-Position erfolgt."

Der Rückbezug von Patentanspruch 4 auf Patentanspruch 1 anstatt auf den Verfahrensanspruch 3 beruht nach den Feststellungen des BGH im Nichtigkeitsverfahren auf einem Fassungsversehen (BGH, Urt. v. 27.10.2011, X ZR 94/09, Rn. 2).

Die Klägerin vertreibt Satellitenreceiver mit implementierter sog. DiSEqC-Funktion. Die Beklagte zu 1 ließ durch den Beklagten zu 2 mehrere Hundert Abnehmer der Klägerin aus dem Fachhandel abmahnen. In den Abmahnungen vom 12.3.2007 und vom 22.6.2007 führte sie aus, Satellitenempfangsanlagen, die das sog. DiSEqC-Verfahren benutzen, verwirklichten die Merkmale des Anspruchs 3 der Patentschrift. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Verwarnungsschreiben, Anlagen K8, K12, Bezug genommen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf das erste Berufungsurteil des Senats und die das angefochtene Urteil des Landgerichts Bezug genommen (§ 540 I Nr. 1 ZPO).

Die Klägerin hält die Schutzrechtsverwarnungen für unberechtigt. Sie verlangt von ...

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