Entscheidungsstichwort (Thema)

Büropersonal. Fristenkontrolle. Organisationsmaßnahmen. Wiedereinsetzung. Anforderungen an Büroorganisation bei Fristenkontrolle

 

Leitsatz (amtlich)

Macht ein Rechtsanwalt geltend, seinem geschulten und zuverlässigen Büropersonal sei bei der Fristenkontrolle ein Fehler unterlaufen, kommt Wiedereinsetzung nicht in Betracht, wenn der Rechtsanwalt nicht darlegt, welche konkreten Anweisungen und organisatorischen Maßnahmen er getroffen hat, um sicherzustellen, dass seine Mitarbeiter ihre Pflichten ordnungsgemäß erfüllen.

 

Normenkette

ZPO § 233

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 03.09.2010; Aktenzeichen 3-11 O 72/10)

 

Tenor

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Beschwerdefrist wird zurückgewiesen.

Die Beschwerde wird als unzulässig verworfen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden den Beschwerdeführern auferlegt.

Der Beschwerdewert beträgt 1.536,30 €.

 

Gründe

I. Die Beschwerdeführer haben - gestützt auf eine schriftliche Vollmacht vom 17. 5. 2010 (Bl. 13 d. A.) - im Namen des Antragstellers eine einstweilige Verfügung des Landgerichts auf Unterlassung wettbewerbswidriger Internet-Angebote erwirkt. Der Antragsteller hat durch seine jetzigen Prozessbevollmächtigten auf den Unterlassungsanspruch verzichtet und beantragt, den Beschwerdeführern die Kosten des Eilverfahrens aufzuerlegen, weil sie nicht bevollmächtigt gewesen seien, das gerichtliche Verfahren zu betreiben. Diesem Antrag ist das Landgericht durch das angefochtene Urteil nachgekommen (Bl. 151 ff. d. A.).

Das Urteil ist den Beschwerdeführern am 9. September 2010 zugestellt worden. Sie haben durch den am 18. Oktober 2010 beim Landgericht eingegangenen Schriftsatz Beschwerde gegen die Kostenentscheidung eingelegt und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Beschwerdefrist beantragt. Zur Begründung ihres Wiedereinsetzungsantrags haben sie vorgetragen, die Rechtsanwaltsfachangestellte X habe es entgegen ihrer Dienstanweisung versäumt, die Akte zum Ablauf der notierten Beschwerdefrist am 23. September 2010 vorzulegen.

Dies sei erst am 4. Oktober 2010 mit dem Vermerk "Vorfrist für die Berufung am 11. 10. 2010" geschehen.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens wird auf die Beschwerdeschrift (Bl. 170 ff. d. A.), den Schriftsatz vom 10. Dezember 2010 (Bl. 300 ff. d. A.) sowie auf die eidesstattlichen Versicherungen der Rechtsanwaltsfachangestellten X vom 18. Oktober und vom 10. Dezember 2010 (Bl. 182; 304 f. d. A.) und der Rechtsanwältin ... vom 10. Dezember 2010 (Bl. 309 d. A.) Bezug genommen.

Das Landgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen (Bl. 266 f. d. A.).

II. 1. Der Wiedereinsetzungsantrag der Beschwerdeführer ist nicht begründet. Sie haben nicht glaubhaft machen können, ohne eigenes Verschulden an der Versäumung der Beschwerdefrist gehindert gewesen zu sein (§§ 233, 236 ZPO).

Die Frage, ob die Partei oder ihr Vertreter ein Verschulden an der Versäumung einer Frist im Sinne des § 233 ZPO trifft, beurteilt sich nach dem objektiv-abstrakten Maßstab des § 276 Abs. 2 BGB. Bei Rechtsanwälten ist die übliche, d. h. berufsbedingt strenge Sorgfalt vorauszusetzen, so dass die Fristversäumung regelmäßig dann verschuldet ist, wenn sie für einen pflichtbewussten Rechtsanwalt vermeidbar gewesen wäre. Das gilt auch, wenn der Rechtsanwalt - wie hier - selbst Partei bzw. Verfahrensbeteiligter ist (Zöller-Greger, ZPO, 28. Aufl., Rn 13 zu § 233 m. N.).

Im vorliegenden Fall geht es um ein vermeintliches Versehen der Rechtsanwaltsfachangestellten X bei der Fristenkontrolle, d. h. um einen Vorgang, der grundsätzlich delegationsfähig ist. Ein Rechtsanwalt darf bestimmte einfache Verrichtungen, die keine juristische Schulung verlangen, zur selbständigen Erledigung auf sein geschultes und zuverlässiges Büropersonal übertragen, wenn er durch geeignete organisatorische Maßnahmen sichergestellt hat, dass seine Mitarbeiter(innen) ihre Pflichten ordnungsgemäß erfüllen. Wenn allerdings nicht glaubhaft gemacht wird, dass er diese organisatorischen Vorkehrungen getroffen hat, muss er sich ein Eigenverschulden an der Versäumung der Frist zurechnen lassen (vgl. Zöller-Herget, ZPO, 28. Aufl., § 233 ZPO, Rn 23, Stichwort Büropersonal). So liegt der Fall hier:

Wie bereits das Oberlandesgericht Celle in seiner Entscheidung vom 22. November 2010 zu einem Parallelverfahren dargelegt hat (Az.: 13 W 91/10 - Bl. 271 ff. d. A.), gehört es zu den Pflichten des Rechtsanwalts, durch konkrete Anweisungen und organisatorische Vorkehrungen sicherzustellen, dass die Erledigung der im Fristenkalender eingetragenen Fristen am Abend eines jeden Arbeitstages kontrolliert wird, um zu verhindern, dass sein Büropersonal eine Frist übersieht. Dies entspricht ständiger Rechtssprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH NJW 1996, 1349; BGH VersR 1989, 1316; BGH -Report 2004, 903; Thomas/Putzo-Hüßtege, ZPO, 30. Aufl., § 233 ZPO, Rn 44 m. w. N.).

Die Beschwerdeführer haben noch nicht einmal ansatzweise vorgetragen, dass d...

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