Entscheidungsstichwort (Thema)

Präklusion von neuem Sachvortrag im Verfahren auf Versagung der Vollstreckung gemäß Art. 45 EuGVVO

 

Leitsatz (amtlich)

1. Über eine sofortige Beschwerde gemäß § 1115 Abs. 5 ZPO entscheidet der zuständige Senat des Oberlandesgerichts in seiner geschäftsplanmäßigen Besetzung als Kollegialorgan (§ 122 Abs. 1 GVG), da § 568 ZPO nicht anwendbar ist.

2. Aus Art. 45 Abs. 2 EuGVVO folgt, dass es dem Schuldner versagt ist, im Versagungsverfahren neuen Sachvortrag einzubringen, der sich auf die Eröffnung der durch Art. 45 Abs. 1 lit. e geschützten Gerichtsstände der Art. 10 bis 24 EuGVVO bezieht.

 

Normenkette

AEUV Art. 267 Abs. 2-3; EuGVVO Art. 2 lit. a, Art. 22 Abs. 1, Art. 45 Abs. 1 lit. a, Abs. 1 lit. e, Abs. 2, Art. 49 Abs. 2, Art. 52, 62 Abs. 1, Art. 75 lit. b; ZPO §§ 568, 1115

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Beschluss vom 07.10.2021; Aktenzeichen 2-4 O 189/20)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin und Beschwerdeführerin vom 9. November 2021 gegen den Beschluss des Vorsitzenden der 4. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 7. Oktober 2021 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

 

Gründe

I. Die Antragstellerin begehrt die Versagung der Anerkennung eines Urteils eines kroatischen Arbeitsgerichts.

Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (im Folgenden: die Antragstellerin) war als angestellte Ärztin bei der Antragsgegnerin, einer privaten Klinik in Kroatien, tätig.

Die Antragstellerin kündigte ihren Arbeitsvertrag mit der Antragsgegnerin zum 30. April 2015. Zum 1. Mai 2015 schloss die Antragstellerin einen Arbeitsvertrag mit der X gGmbH mit Sitz in Stadt1.

Am 6. Juli 2015 erhob die Antragsgegnerin gegen die Antragstellerin beim Gemeinde-Arbeitsgerichts in Zagreb (Republik Kroatien) Klage, mit der sie die Verurteilung der Antragstellerin zur Zahlung von 1.177.789,64 Kuna begehrte. Die Antragsgegnerin begründete ihre Forderung mit einer Regelung in dem zwischen den Parteien geschlossenen Arbeitsvertrag, aus der die Antragsgegnerin u. a. eine Rückzahlungsverpflichtung der Antragsgegnerin in Bezug auf gezahlte Brutto-Gehälter und (Facharzt-) Schulungskosten für den (hier eingetretenen) Fall herleitete, dass die Antragstellerin innerhalb einer Frist von zehn Jahren nach Vollendung der im Wesentlichen von der Antragsgegnerin finanzierten Facharztausbildung das Arbeitsverhältnis kündige.

Durch Urteil des Gemeinde-Arbeitsgerichts in Zagreb vom 26. November 2018 wurde die Antragstellerin zur Zahlung von 453.774,70 Kuna (entspricht ca. EUR 59.613,65) zuzüglich Zinsen an die Antragsgegnerin verurteilt. Im Übrigen wies das Gemeinde-Arbeitsgericht die Klage ab. Wegen der näheren Einzelheiten wird auf die zu den Akten gereichte Kopie des Urteils (BI. 66 ff. d. A.) mitsamt beglaubigter Übersetzung des Urteils aus der kroatischen Sprache (BI. 45 ff. d. A.) verwiesen.

Die Berufungen beider Parteien gegen dieses Urteil lehnte das sog. Gespanschaftsgericht in Zagreb mit Urteil vom 14. Januar 2020 jeweils als unbegründet ab. Wegen der näheren Einzelheiten des Urteils wird auf die Abschrift (BI. 40 ff. d. A.) nebst beglaubigter Übersetzung (BI. 32 ff. d. A.) Bezug genommen.

Einen auf Zulassung der Revision gerichteten Antrag der Antragstellerin vom 10. März 2020 lehnte der Oberste Gerichtshof der Republik Kroatien mit Beschluss vom 30. September 2020 ab. Wegen der näheren Einzelheiten des Beschlusses wird auf die als Anlage BMWC 4 zu den Akten gereichte Kopie (BI. 176 d. A.) nebst beglaubigter (auszugsweiser) Übersetzung (BI. 177 d. A.) verwiesen.

Die Antragstellerin hat behauptet, bei Klageerhebung am 6. Juli 2015 habe sie ihren Wohnsitz in Kroatien bereits aufgegeben gehabt. Sie habe zum 30. April 2015 ihren Wohnsitz in Kroatien aufgegeben und ihren gesamten Lebensmittelpunkt nach Stadt1 verlegt. Das ergebe sich auch aus der Wohnsitzanmeldung in Stadt1 vom 20. Mai 2015 (Anlage AS2, BI. 30 d. A.). Die Urteile in Kroatien seien unter Verstoß gegen Art. 22 Abs. 1 EuGVVO ergangen, weil nach dieser Bestimmung die internationale Zuständigkeit der kroatischen Gerichte nicht vorgelegen habe.

Die Antragstellerin ist der Ansicht, die Anerkennung der Entscheidung sei nach Art. 45 Abs. 1 EuGVVO zu versagen, weil die Anerkennung der öffentlichen Ordnung (ordre public) der Bundesrepublik Deutschland offensichtlich widerspreche. Es liege ein erheblicher Eingriff in die Berufsfreiheit der Antragstellerin nach Art. 12 GG und Art. 15 der EU-Grundrechtecharta vor, weil die Rückzahlungsklauseln und die Zahlungspflichten sowie die Bindungsdauer des Vertrages unverhältnismäßig und sittenwidrig seien.

Die Antragstellerin hat beantragt,

festzustellen, dass die Anerkennung des Urteils des Gemeinde-Arbeitsgerichts in Zagreb vom 26. November 2018, Az. ..., welches durch das Urteil des Gespanschaftsgerichts in Zagreb vom 14. Januar 2020, Az. ..., in zweiter Instanz bestätigt wurde, und nach dem die Antragstellerin zur Zahlung von 453.774,70 Kun...

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