Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfahrensmangel bei unzulässigem Teilbeschluss

 

Verfahrensgang

AG Bad Schwalbach (Beschluss vom 27.07.2021; Aktenzeichen 1 F 339/21 SO)

 

Tenor

I. Auf die Beschwerde des Vaters wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht- Bad Schwalbach vom 27.07.2021

aufgehoben.

Das Verfahren wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens - an das Amtsgericht

zurückverwiesen.

II. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 4.000,00 EUR festgesetzt.

III. Dem Vater wird für das Beschwerdeverfahren ratenfreie Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin A, Stadt1, gewährt.

 

Gründe

I. Aus der Beziehung des Vaters und der Mutter ging der am XX.XX.2008 geborene X hervor. Er ist seit dem XX.XX.2013 im Rahmen einer vollstationären Jugendhilfemaßnahme in Stadt2 untergebracht.

Der Vater erkannte am XX.XX.2008 vor dem Jugendamt Stadt3 zu Registernr. .../2008 die Vaterschaft für X an. Am gleichen Tag wurde dort unter Registernr. .../2008 eine gemeinsame Sorgeerklärung abgegeben.

Durch Beschluss des Amtsgerichts -Familiengericht- Bad Schwalbach vom 23.03.2011 wurde der Mutter mit Zustimmung des Vaters das Aufenthaltsbestimmungsrecht, mit Ausnahme der Entscheidung über einen Umzug ins Ausland, der Mutter allein übertragen. Durch weitere Entscheidung dieses Familiengerichts vom 03.11.2014, Az. .../13, wurde der Mutter das Aufenthaltsbestimmungsrecht für das Kind entzogen und auf einen Pfleger übertragen. Durch Beschluss vom 04.11.2014, Az. .../12, ist den Eltern der Teilbereich der elterlichen Sorge "Recht auf Regelung des Umgangs" bezüglich des Kindes entzogen und auf das Jugendamt des B Kreises als Pfleger übertragen worden. Schließlich wurde dem Vater durch Beschluss des Amtsgerichts -Familiengericht- Bad Schwalbach vom 14.06.2018, Az. .../17, mit Ausnahme der Teilbereiche der elterlichen Sorge Aufenthaltsbestimmungsrecht und Umgangsbestimmungsrecht die elterliche Sorge für X allein übertragen. Die hiergegen eingelegte Beschwerde nahm der Vater nach Hinweis des Senats auf die fehlende Erfolgsaussicht des Rechtsmittels zurück (Az. .../18).

Das vorliegende Verfahren wurde eingeleitet, nachdem die Pflegerin des Kindes am 11.05.2021 anregte, den Vater den Teilbereich der elterlichen Sorge "Gesundheitsfürsorge" zu entziehen. Denn er lehne es gegen den ausdrücklich und wiederholt geäußerten Willen Xs ab, dass dieser in der Schule einen Mund-Nasenschutz trage. Zudem verweigere er, dass X gesundheitliche Testverfahren zum Nachweis des Corona Virus durchführe. Dadurch sei es dem Kind verwehrt, am Präsenzunterricht teilzunehmen, wodurch es aus der Klassengemeinschaft ausgegrenzt werde und keine Sozialkontakte zu pflegen vermöge. Mit Blick auf das ungewisse Ende der Corona-Pandemie drohe, dass eine altersgemäße Entwicklung Xs verhindert werde.

X äußerte sowohl gegenüber der Pflegerin wie auch der Verfahrensbeiständin, einen Mund-Nasenschutz tragen und regelmäßige Testungen vornehmen zu wollen, um am Präsenzunterricht teilnehmen zu können. Er wolle gemeinsam mit seinen Mitschülern in der Klasse lernen. Die Verpflichtungen, einen Mund-Nasenschutz tragen zu müssen und sich Testungen zu unterziehen, würden ihn nur geringfügig beeinträchtigen.

Frau C, Pädagogische Fachkraft der Kinderwohngruppe Xs, berichtete am 18.06.2021 von einem erheblichen Leidensdruck des Kindes und seinem wiederholten, vergeblichen Versuch, den Vater von einem Einlenken zu überzeugen.

Der Vater sieht die Corona Maßnahmen als kindeswohlgefährdend an. Er ist der Auffassung, dass dem Kind durch die Verwendung von Tests erhebliche Risiken drohen. Zum einen seien diese hochgiftig, zum anderen könnten durch deren Benutzung Hirnschäden auftreten. Schließlich bestehe aufgrund der massenhaften Testung eine hohe Gefahr dafür, dass sich sein Sohn in Quarantäne begeben müsse, was mit dessen Belastung verbunden wäre. Schließlich könne wegen des Mund-Nasenschutzes auf dem Pausenhof kein normales Miteinander entstehen.

Das Amtsgericht eröffnete auf Antrag des Vaters vom 21.06.2021, mit der er die Aufhebung des Beschlusses des Amtsgerichts Bad Schwalbach vom 14.06.2018, Az. .../17 ... und die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf ihn begehrte, ein weiteres, unter Az. .../21 ... betriebenes Sorgerechtsverfahren. In jenem Verfahren wurde ein Termin zur Anhörung und Erörterung im Oktober bestimmt.

Am 23.06.2021 hat das Amtsgericht den Vater angehört und in der Folge erörtert. Die Mutter ist zu dem Termin nicht geladen worden. Das Kind äußerte in seiner persönlichen Anhörung den klaren Willen, in die Schule gehen zu wollen. Das Interesse Xs an Bildung und Teilhabe sei höher zu gewichten, als das Bedürfnis des Vaters, über diesen Weg seine Zweifel an den staatlichen Maßnahmen aufzeigen.

Das Amtsgericht hat durch Beschluss vom 27.07.2021 dem Vater die Teilbereiche der elterlichen Sorge "Gesundheitsfürsorge mit Ausnahme der Entscheidungsbefugnis über Impfungen" sowie "das Recht zur Regelung der schulischen ...

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