Entscheidungsstichwort (Thema)

Die gerichtliche Geltendmachung von Unterhalt durch den Unterhaltsberechtigten hemmt nicht den Ablauf der Verjährung der im Zeitpunkt der Antragseinreichung bereits auf einen Träger öffentlicher Leistungen übergegangenen und nicht rückübertragenen Unterhaltsansprüche.

 

Leitsatz (amtlich)

Die spätere Rückübertragung der übergegangenen Unterhaltsansprüche auf den Unterhaltsberechtigten hemmt den Ablauf der Verjährung nur ex nunc ab dem Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Rückübertragung.

Bereits vor Ablauf der Verjährung unterliegt nachehelicher Ehegattenunterhalt der Verwirkung nach § 1585b Abs. 3 BGB.

Regelmäßig erbrachte Tilgungsleistungen mindern den Wert des anzurechnenden Wohnvorteils auch beim Ehegattenunterhalt.

Die sogenannte relative Sättigungsgrenze nach Ziffer 15.3 der Unterhaltsgrundsätze des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main begrenzt den Unterhaltsbedarf weder nach oben noch nach unten, sondern regelt lediglich die Darlegungs- und Beweislast für einen höheren bzw. niedrigeren Bedarf. Lässt sich der konkrete Bedarf auf Grund des festgestellten Sachverhalts bestimmen, ist er für die Höhe des Unterhaltsanspruchs maßgeblich.

 

Normenkette

BGB §§ 199, 204, 1573 Abs. 2, §§ 1578, 1585b Abs. 3, § 195; SGB II § 33; ZPO § 167

 

Verfahrensgang

AG Frankfurt am Main (Aktenzeichen 473 F 19250/15)

 

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Antragsgegner wird verpflichtet, an die Antragstellerin für den Zeitraum von Juli 2013 bis einschließlich Juni 2016 rückständigen nachehelichen Ehegattenunterhalt in Höhe von 7.979,86 Euro sowie für den Zeitraum bis einschließlich 30.6.2016 Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 146,26 Euro ab 2.12.2014, aus je 133,35 Euro ab 2.1.2015, 2.2.2015, 2.3.2015, 2.4.2015, 2.5.2015 und 2.6.2015, aus je 118,70 ab 2.7.2015, 2.8.2015, 2.9.2015, 2.10.2015 und 2.11.2015 sowie aus je 920,- Euro ab 2.12.2015, 2.1.2016, 1.2.2016, 1.3.2016, 1.4.2016, 1.5.2016 und 1.6.2016 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden insgesamt gegeneinander aufgehoben.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Der Verfahrenswert wird für den zweiten Rechtszug festgesetzt auf 36.000,- Euro.

 

Gründe

I. Die Beteiligten streiten um nachehelichen Ehegattenunterhalt.

Ihre am 0.0.1998 geschlossene Ehe wurde durch Beschluss des Amtsgerichts Groß-Gerau vom 24.10.2012, rechtskräftig seit dem 4.1.2013, geschieden. Die beiden aus der Ehe hervorgegangenen, am 0.0.2000 und am 0.0.2004 geborenen Söhne lebten mit der inzwischen allein sorgeberechtigten Antragstellerin seit der Trennung der Eltern im Jahr 2007 in dem im Alleineigentum der Antragstellerin stehenden Haus in M., der vormaligen Ehewohnung. Beide Kinder befanden sich im hier streitgegenständlichen Zeitraum noch in der allgemeinen Schulausbildung und besuchten eine Ganztagsschule. Im Rahmen der nach einer vorübergehenden Inobhutnahme des älteren Sohnes ab dem Jahr 2013 gewährten Hilfe zur Erziehung erhielten sie bis zum Sommer 2015 eine sozialpädagogische Einzelbetreuung nach § 35 SGB VIII.

Nach der Trennung zahlte der Antragsgegner, der geschäftsführender Alleingesellschafter einer im Immobiliengeschäft tätigen Kapitalgesellschaft ist, die während des Zusammenlebens noch beiden Ehegatten gemeinsam gehörte, zunächst mangels Leistungsfähigkeit keinen Ehegattenunterhalt, nahm im Jahr 2009 jedoch auch die Zahlung von Ehegattenunterhalt auf. Nach Rechtskraft der Scheidung zahlte er neben dem Kindesunterhalt bis einschließlich Juni 2013 auch nachehelichen Ehegattenunterhalt, und zwar in Höhe von insgesamt 8.966,- Euro. Zum Monat Juli 2013 stellte er die Zahlung von Ehegattenunterhalt mit der Begründung ein, er sei nicht mehr leistungsfähig. Kindesunterhalt zahlt er weiterhin.

Die Antragstellerin ist gelernte Bürokauffrau. Nach der Geburt des ersten Kindes war sie bis 2012 nicht mehr berufstätig. Im Jahr 2012 nahm sie eine Teilzeitbeschäftigung als kaufmännische Angestellte bei der dem Antragsgegner gehörenden Kapitalgesellschaft mit einem monatlichen Bruttoeinkommen von 500,- Euro auf, welcher sie bis einschließlich Juli 2013 nachging. Nachdem der Antragsgegner seine Unterhaltszahlungen eingestellt hatte, forderte sie ihn mit Schreiben ihrer Bevollmächtigten vom 16.7.2013 im Hinblick auf ihr möglicherweise zustehende Unterhaltsansprüche zur Auskunftserteilung über sein Einkommen auf.

Die Antragstellerin bezog für den Zeitraum vom 1.7.2013 bis zum 30.6.2016 Leistungen der Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Diese beliefen sich ausweislich der Angaben im Schriftsatz vom 4.10.2019, Bl. 907 ff. der Akte, auf insgesamt 26.072,11 Euro nach Abzug von Rückforderungen. Wegen der einzelnen im Zeitraum von Juli 2013 bis Juni 2016 bezogenen Leistungen wird auf den Schriftsatz vom 4.10.2019 samt Anlagen Bezug genommen.

Für den Monat Juli 2013 weist der Bescheid vom 22.7.2013, Bl. 921 ff. der Akte, das von der Antragsgegnerin bis einschließlich Juli 2013 a...

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