Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch auf ermessenfehlerfreie Entscheidung über Akteneinsichtsgesuch als an einem Kartellverfahren nicht beteiligter Dritter zur Prüfung zivilrechtlicher Schadensersatzansprüche

 

Leitsatz (amtlich)

1. Soweit mangels Verfahrensbeteiligung kein Anspruch auf Akteneinsicht in Kartellakten besteht, kann bei Darlegung eines berechtigten Interesses ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über das als Dritter gestellte Akteneinsichtsgesuch bestehen, welchen die Kartellbehörde gem. § 40 VwVfG nach pflichtgemäßen Ermessen zu bescheiden hat.

2. Ein berechtigtes Interesse ist anzunehmen, wenn die Akteneinsicht der Prüfung/Vorbereitung einer zivilrechtlichen Schadensersatzklage gem. § 33 GWB dienen soll; ausreichend kann insoweit sein, sich mit der Akteneinsicht über das Nichtvorliegen von Umständen vergewissern zu wollen, die einem scheinbar schlüssigen Anspruch entgegenstehen könnten.

 

Normenkette

GWB §§ 33, 54; VwVfG §§ 13, 29, 40

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 14.07.2015; Aktenzeichen KVR 55/14)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird die Verfügung der Landeskartellbehörde vom 8.1.2014 aufgehoben. Der Behörde wird aufgegeben, erneut über den Antrag des Antragstellers auf Akteneinsicht in die Akten des Kartellverfahren gegen die Betroffene wegen des Verdachts missbräuchlich überhöhter Trinkwasserpreise - Geschäftszeichen III 78k 20 - 01/563-09 - einschließlich der Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf EUR 500 festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Antragsteller ist Eigentümer eines in O1 gelegenen Grundstücks, welches an das Trinkwassernetz der Betroffenen angeschlossen ist. Die Abrechnung des Wasserverbrauchs erfolgt über eine Vertriebstochter der Betroffenen, die X.

Der Antragsgegner leitete im Jahr 2009 gegen die Betroffene ein Kartellverfahren wegen des Verdachts des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung ein. Auf Basis eines Preisvergleichs äußerte er die Vermutung, dass die von der Betroffenen berechneten Trinkwasserpreise um 39 % überhöht seien.

Die Betroffene bot unter dem 20.9.2013 eine Verpflichtungszusage u.a. mit dem Inhalt an, ab dem Jahr 2014 die Preise um 20 % zu senken. Mit Pressemitteilung vom gleichen Tag teilte der Antragsgegner mit, dass das Kartellverfahren durch einen Vergleich beendet worden sei (GA 19). Daraufhin beantragte der Antragsteller mit Schreiben vom 29.10.2013, ihm Einsicht in die Akten des Antragsgegners zu gewähren, um mögliche Schadensersatzansprüche gem. § 33 GWB abklären zu können. Hilfsweise begehrte er, ihn zum Kartellverfahren beizuladen. Mit Verfügung vom 8.1.2014 lehnte der Antragsgegner beide Anträge ab (GA 25 ff.).

Bereits mit Verfügung vom 2.12.2013 (GA 33 ff.) hatte der Antragsgegner die Verpflichtungszusage der Betroffenen als bindend gem. § 32b GWB angenommen.

Mit der am 30.1.2014 bei Gericht eingegangenen Beschwerde wendet sich der Antragsteller gegen die ihm verweigerte Akteneinsicht. Zur Begründung verweist er darauf, die Ablehnung seines Akteneinsichtsantrages verletze ihn in seinen Rechten gem. § 54 Abs. 2 GWB, §§ 29, 13 VwVfG. Sollten die genannten Normen ihm keinen Anspruch auf Akteneinsicht zubilligen, würden diese Normen jedenfalls gegen höherrangiges Gemeinschaftsrecht verstoßen und damit unwirksam sein. Das deutschlandweite Gesamtsystem kommunaler Trinkwassermonopole verhindere einen zwischenstaatlichen Wasserhandel und löse die Anwendbarkeit von Art. 102 AEUV aus. Die Verweigerung der Akteneinsicht verstoße gegen den dort verankerten gemeinschaftsrechtlichen Effektivitätsgrundsatz.

Selbst ohne zwischenstaatliche Bedeutung sei hier gem. Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz ein Anspruch auf Akteneinsicht anzunehmen. Würde man einen Akteneinsichtsanspruch verneinen, wäre es einem einzelnen Geschädigten nicht möglich, einen Unterlassungs- und/oder Schadensersatzanspruch gem. § 33 GWB geltend zu machen. Aus § 54 Abs. 2 Nr. 3 GWB folge jedoch, dass der Gesetzgeber gerade die Interessen der geschädigten Verbraucher schützen wolle. Der formale Abschluss des Kartellverfahrens sei für das Akteneinsichtsgesuch unerheblich.

Die Verfügung sei ermessensfehlerhaft. Entgegenstehende Interessen der Betroffenen in Form von Geschäftsgeheimnissen würden in der Verfügung nicht erwähnt. Soweit die Verfügung auf die eigenen behördlichen Interessen Bezug nehme, komme es auf diese im Rahmen der hier erforderlichen Abwägung nicht an. Maßgeblich sei allein, ob es ihm, dem Antragsteller, als Geschädigtem erst durch eine Akteneinsicht möglich werde, effizient einen Schadensersatzanspruch gegen die Betroffene als Kartelltäterin durchzusetzen. Diese Ermessensentscheidung habe der Antragsgegner tatsächlich nicht getroffen, so dass ein Ermessensfehlgebrauch vorläge.

Er beantragt, unter Aufhebung der Verfügung vom 8.1.2014 den Beschwerdegegner zu verpflichten, dem Beschwerdeführer unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats Einsicht in die Akten der Landeskartellbehörde He...

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